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Editorial

Das Risiko der Kinoliebe

 

Die Nachricht stammt von einem Hollywood-Giganten, und natürlich wird sie auch unsere Filmbranche beeinflussen: Warner will alle Filme, die das Studio für 2021 plant, zeitgleich im Kino und auf der eigenen Plattform HBO Max lancieren. Keine exklusiven Kinopremieren mehr also. Ist das nun eine weitere Entscheidung, die das Kino zu einer nostalgischen Institution verkommen lässt?

Zum Glück muss dem nicht so sein. Der Autor, Tobias Kniebe von der Süddeutschen Zeitung, deutet Warners Entschluss «nicht als Riesenschritt in eine Zukunft ohne Kino (…), sondern als eine sehr spezielle Antwort auf das Kinojahr 2021». Und er erinnert daran, was seit März weltweit passiert: Mal sind die Kinos geöffnet, dann steigen die Fallzahlen und sie sind schnell wieder zu. So sind millionenschwere Werbekampagnen wirkungslos verpufft, da Filmstarts immer wieder verschoben werden mussten. Um Stabilität in den Zeitplan zu bringen und keine Werbegelder zu vergeuden, gelange man ziemlich exakt zu jenem Modell, das ­Warner ankündigt: Sind bestimmte Kinos gerade geschlossen, kann man sich die Filme trotzdem (online) anschauen. So gesehen, sei es doch sehr verfrüht, das Studio zum Totengräber des Kinos zu erklären, so Kniebe.

Jemand, der sich vor solchen Fragen nie gescheut hat, ist Frank Braun, Programmleiter der Neugass Kino AG (Kinos Riffraff und Houdini in Zürich, Kino Bourbaki in Luzern). Wenn Journalisten jeweils einen Kinobetreiber brauchen, der kompetent, pointiert und ohne falsche Rücksichtnahme die Dinge beim Namen nennt, rufen sie oft und gerne bei Braun an. So hat er kürzlich, in einem Gespräch mit 20 Minuten, die Situation in den Schweizer Kinos als «katastrophal» bezeichnet; die Filmbranche werde sich zukünftig noch stärker an der Logik des Streamings orientieren müssen: «So wie wir Kinos im Moment betreiben, lohnt es sich finanziell kaum mehr. Wie Filme vertrieben werden, muss neu organisiert und schlanker werden.» Er betont aber auch, dass die Seele des Films in den Kinos lebt: «Wenn diese um ihre Existenz bangen, ist auch die Filmkultur akut gefährdet.»

Nun erhält der «Kinopionier, Initiant des internationalen ­Festivals für Animationsfilm Fantoche und Filmemacher» von den Solothurner Filmtagen den Prix d'honneur. Anita Hugi begründet die Entscheidung mit Brauns Pioniergeist, kreativer Risikofreude und unbedingter Liebe zum Kino; er sei auch ein profunder Kenner und treuer Begleiter des Schweizer Films. Mit diesem Preis will das Festival natürlich auch ein Signal setzen: Dass Solothurn im Pandemiejahr, dem Jahr der grössten Kinokrise seit Gedenken, einen engagierten, unerschrockenen Kinobetreiber würdigt, ist kein Zufall. Wir gratulieren Frank Braun ganz herzlich.

Dieses Heft ist wie jede Januarausgabe auch den Solothurner Filmtagen gewidmet, die – wie sollte es anders sein – dieses Jahr fast nur online stattfinden. Das Festival bietet auch eine historische Rückschau: So lädt das Festival in einer Kooperation mit dem Landesmuseum zu einer Hommage an (Deutsch-)Schweizer ­Filmemacherinnen der Siebzigerjahre. Und zeigt nicht nur neu restaurierte und digitalisierte, zu wenig bekannte Filme der Filmpionierinnen. Sondern verbindet das Programm Histoires du cinéma mit der Geschlechterfrage: Wie sahen damals die Arbeitsbedingungen für Regisseurinnen aus? Und weshalb konnten sich vergleichsweise  wenige von ihnen durchsetzen? Diese Fragestellung führt letztlich in die Gegenwart, zur Frage der Gleichberechtigung im Film, die heute zum Beispiel SWAN zur Debatte stellt. 

Auch wenn die Filmtage diesmal kaum persönliche Begegnungen ermöglichen, die Filme und Debatten kann man auch online verfolgen. Wir wünschen angeregte Tage.

 

Kathrin Halter 

 

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