MENU Schliessen

  

Abonnieren Sie CB für nur CH 55.- pro Jahr

Editorial

Für eine echte Gleichstellung

Es ist die letzte Kulturbotschaft, die Ivo Kummer als Leiter der Filmabteilung im BAK betreuen wird. Während seiner Amtszeit von elf Jahren stand die Schweizer Filmwirtschaft vor verschiedenen Herausforderungen. Für einige hat man Lösungen gefunden, andere Baustellen halten an, neue drängen sich auf. 

Über allem sollte der Wunsch stehen, die Branche nicht nur zu einem künstlerisch inspirierenden, sondern auch zu einem arbeitspraktisch gerechten und nachhaltigen Arbeitsumfeld zu gestalten. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass die Arbeitsbedingungen in der Schweiz vielfach belastend sein können, mögen sie auch noch komfortabler sein als in den USA, wo sich noch immer die Autoren und Autorinnen sowie die Schauspieler und Schauspielerinnen im Streik befinden. 

59 Prozent der Schweizer Kulturschaffenden meldeten 2019 ein Jahreseinkommen von unter 40’000 Franken. Das geht aus einer Studie von Suisseculture Sociale und Pro Helvetia hervor, die in der Einleitung der Kulturbotschaft zitiert wird. Viele von ihnen befinden sich in einem «atypischen Beschäftigungsverhältnis», das heisst, sie sind befristet, in Teilzeit, selbstständig beschäftigt oder haben mehrere Anstellungen gleichzeitig. 

Der deutsche Regisseur Fatih Akin sagte kürzlich in einem Interview: «Ich bin in einer Branche, in der fast nur Kinder von Akademikern, Künstlern, Diplomaten und Adligen arbeiten». Diversität, wie wir sie uns für die Schweiz, in Bezug auf die Geschlechter und sozialer sowie geografischer Herkunft wünschen, sollte zusätzlich gefördert werden.

Möglichst genaue statistische Erhebungen spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, um die Ungleichheiten in der Schweizer Branche zu verstehen. Die jüngsten Daten von Cinéforom zeigen ein immer noch deutliches Geschlechterungleichgewicht. Zwischen 2012 und 2022 wurden weniger als ein Drittel der in der Westschweiz geförderten Spielfilme von Frauen gedreht. Gemeinsam mit anderen Institutionen und Verbänden will Cinéforom nun beherzt zur Tat schreiten.

Zwingend notwendig ist auch, die Unterstützung an die Kinos zu überdenken. Sie müssen mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden, wenn sie die gesamte Vielfalt des Kunstmediums Film zur Geltung bringen sollen und diese nicht unter dem Druck der Gewinnoptimierung eingeschränkt werden soll. Trotz kontinuierlichen Wachstums der Schweizer Filmproduktion erhalten die Kinosäle nicht immer die erforderliche Unterstützung. Das aktuelle Modell muss daher auf seine Angemessenheit hinterfragt werden. Wir sind gespannt, ob die Forderungen und Anregungen der betroffenen Verbände in der neuen Kulturbotschaft, deren Vernehmlassung Ende September endet, berücksichtigt werden. Das neue Mandat an Swiss Films zur Promotion des Schweizer Films im Inland ist eine erste positive Massnahme für unsere Kinolandschaft.

 Die Schweizer Filmbranche muss konkrete Massnahmen ergreifen, um Gleichstellung auf allen Ebenen zu fördern. Das ist zweifelsohne eine grosse Herausforderung, doch jede ergriffene Massnahme is ein wichtigerSchritt hin zu mehr Teilhabe: Sei es durch das Überdenken der Unterstützung an die Kinos, die Aufwertung des Schweizer Filmschaffens oder die Schaffung eines gerechteren Arbeitsumfelds für alle Akteure der Branche.

Adrien Kuenzy und Teresa Vena

Chefredaktion von Cinébulletin

Unsere aktuelle Nummer (PDF)