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Treffen für Animationsfachleute am Fantoche

Teresa Vena
01. September 2023

© Fantoche 2023

Am 8. September findet während des Fantoche in Baden der «Industry Day» statt, der verschiedene Themen beleuchtet, die die schweizerische und internationale Animationsfilmbranche umtreibt. Die beiden Leiterinnen Veronica L. Montaño und Amélie Cochet haben uns zum diesjährigen Programm ein paar Fragen beantwortet.   

Dieses Jahr steht das Serienformat im Fokus des «Industry Day» beim Fantoche. Wie kam es zu diesem Schwerpunkt?

Veronica L. Montaño (VM): In der Schweizer Animationszene wurde gerade eine Serie fertiggestellt, die andere geht über in die Produktion und weitere stehen im Prozess der Entwicklung. Das empfinden wir als aktuelles Thema und auch ein sehr spannendes Feld für uns Animatoren. Die Produktion einer Serie ermöglicht einer Szene sehr viel, aber sie verlangt auch viel. Sind die Schweizer Fachkräfte überhaupt bereit dafür? Was braucht es noch? Diese Fragen zu beleuchten und dem Format Serie einen Platz zu bieten, hat uns beiden gereizt, Serien in der Schweiz zu thematisieren.

Amélie Cochet (AC): Das Format einer Serie bietet grosses Potenzial was das Erarbeiten von komplexen Geschichtssträngen und teilweise unzähligen Nebengeschichten mit vielen verschiedenen Charakteren angeht und die Welten, die sowieso praktisch für jeden animierten Film neu erschaffen werden, können über verschiedene Episoden und eventuell sogar Staffeln viel weiter erkundet und ausgearbeitet werden. Mit dem neuen Filmgesetz und immer mehr Angeboten und einer steigenden Nachfrage für innovative und kreative Projekte im Streaming-Bereich, ist es umso wichtiger, Schritt zu halten und hiesige Produktionen zu fördern. In der Schweiz haben wir ein grosses Potenzial und viele motivierte und talentierte Personen – die ersten Meilensteine wurden gelegt, jetzt müssen wir am Ball bleiben und gute Voraussetzungen schaffen, um dieses Potenzial auszuschöpfen und unsere Branche voranzubringen.

 

Welche internationalen Gäste werden anwesend sein? Von wem können Schweizer Filmschaffende am meisten profitieren?

VM/AC: Profitieren können wir und die Besucher und Besucherinnen von all unseren Gästen – der «Industry Day» soll eine Plattform für Austausch und das Knüpfen von wertvollen Kontakten sein. Manche werden uns Möglichkeiten zeigen, wie es jetzt schon funktioniert, andere werden uns visionäre Ziele aufzeigen, wo es uns noch hinziehen könnte. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir diese Palette an Künstlern und Künstlerinnen für unseren «Industry Day» gewinnen konnten. Um dennoch ein paar Namen zu «droppen»: Wir dürfen Matthew Walker begrüssen, Regisseur von «Lloyd of the Flies», einer von Aardam produzierten CGI-Serie. Mathieu Courtois, Produzent von «Dimitri». Eine Stop Motion, die zusammen mit Vivement Lundi!, Beast Animation und Nadasdy co-produziert wurde. Claire Espango, ihres Zeichens Dozentin für «Script Writing» an der renommierten Schule für Animation - Gobelins wird in einem Workshop einen zwar kurzen, aber interessanten und interaktiven Einblick in das Schreiben von Serien und Geschichten für Animationsfilm geben. Natürlich ist da auch noch die international bekannte Künstlerin Julia Pott - der kreative Kopf hinter der beliebten Serie «Summer Camp Island».Wir könnten noch weiter aufzählen, aber am besten ist es, am 8.September gleich selbst vorbeizuschauen!

 

Ein anderes grosses Thema wird die VR/AR-Produktion sein. Wie steht es damit aktuell in der Schweiz?

VM/AC: Es entstehen Projekte in diesem Bereich, aber das Feld darf sicherlich noch mehr bespielt werden. Wir haben eine Schweizer Künstlerin, Fabienne Giezdanner, eingeladen, die sich schon seit längerer Zeit den Produktionen von VR/AR widmet. Fabienne wird uns am «Industry Day» durch ihre Projekte führen, aufzeigen, was VR/AR alles kann und darstellen, wie Film weitergedacht werden kann, als bloss als flache Projektion auf einer Leinwand. Das Publikum steht in ihren 360°-Produktionen mitten im Geschehen und das bietet viele Möglichkeiten, aber auch eine spezielle Herausforderung für ein gelungenes Storytelling. Schon länger gibt es am Fantoche ausserdem das Gefäss «Animation Goes Multimedia». Dies beinhaltet verschiedene Talks und die interdisziplinäre Ausstellung «REFRESH» in Zusammenarbeit mit der ZhdK, wo diverse VR/AR- und andere Multimedia-Projekte vorgestellt und ausprobiert werden können.

 

Worum geht es bei der Podiumsdiskussion «The Craft of (Mental) Health» genau?

AC: Das Panel «The Craft of (Mental) Health» beleuchtet weniger die Arbeitsbedingungen für Animationsfilmschaffende – da viele selbstständig sind oder in ziemlich flexiblen Arbeitsverhältnissen angestellt werden – sondern mehr, den Druck der oftmals auf dieser Arbeit lastet, bzw. den man sich oft eben auch selber auflastet: Sein eigener Chef oder eigene Chefin sein, ist nicht immer nur einfach, selbstständig sein, heisst noch lange nicht, dass man den ganzen Tag animieren kann – man muss auch Geschäftsfrau beziehungsweise -mann sein, und es bedeutet sowohl Stress, wenn zu viele Projekte gleichzeitig stattfinden (Stichwort Burnout), als wenn es zu wenig oder keine anstehenden Projekte gibt (Stichwort Existenzangst). Das sind alles Dinge, die auch zum Alltag einer kreativschaffenden Person gehören und mit denen man besser früh als spät lernt, umzugehen. Die heutige Zeit und die modernen Technologien erhöhen den Druck teilweise noch, weil man immer erreichbar ist, beim Scrollen auf sozialen Medien ständig das Gefühl bekommt, das alle mehr und Besseres machen, als man selbst und weil man die Möglichkeit hat, immer und überall zu arbeiten oder zu lernen – was gewiss auch Vorteile hat, aber eben nicht nur. Mit diesem Panel wollen wir in einem professionellen Rahmen auf das Thema psychische Gesundheit und Burnout aufmerksam machen, da immer mehr Leute (natürlich auch ausserhalb der Kreativbranche) darunter leiden – das Panel hat nicht zum Ziel, eine vorgefertigte Lösung für das Problem zu geben und es wird auch keine Gruppentherapie, aber wir wollen Gespräche anregen, sensibilisieren, Kontakte schaffen und thematisieren, wie man Burnouts vorbeugen kann und vielleicht sogar einer gesunden Work-Life-Balance näher kommt. Etwas, das grundsätzlich schwierig ist, gerade auch bei Kreativen, wo «Work» und «Life» oftmals nahtlos ineinander übergreifen – aber es ist nicht unmöglich!

 

Während des «Industry Days» wird es ein spezielles Treffen mit der britischen Animatorin Julia Pott geben. Womit sticht sie besonders heraus? Was können Schweizer Filmschaffende aus ihrem Werdegang lernen?

VM: Am bekanntesten ist Julia Pott sicherlich durch ihre Serie «Summer Camp Island». Uns war sie schon bekannt durch ihren Kurzfilm «Belly», der 2011 am Royal College of Art in London entstand. Sie ist eine sehr inspirierende Persönlichkeit, ihr Stil brilliert durch Eigenständigkeit und findet dennoch Zugang zu einem breiten Publikum. Er ist unkonventionell und lustig und ihre Art, Geschichten zu erzählen, ist leicht und modern. Das Beeindruckende ist, dass sie ihre Eigenständigkeit, Dinge zu erzählen, nie verloren hat. In ihrer Serie führt sie ihren Stil weiter, und es wirkt nie «verbogen», obwohl man meinen könnte, dass die Gefahr bei einer so grossen Produktion (6 Staffeln) schon bestehen würde. Ich denke, aus ihrem Werdegang sollte man sich inspirieren lassen. Dass aus «kleinen», «feinen» Dingen wie Kurzfilmen, solche Laufbahnen entstehen können. Vielleicht sollte man sich auch als Frau davon inspirieren lassen – die Statistiken zeigen es auf: weibliche Regisseurinnen sind leider immer noch eine Seltenheit.

 

Wie hat sich der Industry Day in den letzten Ausgaben verändert? Gab es Erkenntnisse aus der Corona-Zeit, die ihr umsetzen konntet?

AC: Ich bin dieses Jahr nun zum dritten Mal Co-Kuratorin des Fantoche »Industry Days». 2021 war mein erstes Jahr. Da hatten wir noch einige Auflagen zur Eindämmung der Pandemie (Maskenpflicht, einzuhaltende Abstände, Obergrenze an Personen in geschlossenen Räumen). Als Kurations-Duo – damals zusammen mit Marwan Eissa, der im Vorjahr 2020 während der Pandemie auch schon dabei war – haben wir beschlossen, 2021 keine hybriden Panels zu machen, also keine Einspielungen von Gästen via Videotelefonie zum Beispiel, sondern alle unsere Sprecher und Sprecherinnen vor Ort zu haben. Die Anfälligkeit für technische Probleme und der Zusatzaufwand dafür wären in der Organisation viel zu hoch gewesen. Was aber für diese Entscheidung viel gewichtiger war: Unsere Überzeugung, dass der «Industry Day» ein Anlass und ein Ort sein soll, sich mit der Branche zu treffen und auszutauschen, Leute kennenzulernen und in direkten Kontakt mit ihnen zu treten. Und obwohl Videotelefonie unbestritten einige Vorteile mit sich bringt, kann sie doch den persönlichen Austausch mit einem anderen Menschen nicht gleichwertig ersetzen. Wir mussten dadurch auf einzelne Sprecher und Sprecherinnen verzichten, die wegen den Pandemie-Bedingungen nicht anreisen konnten und es hatte wesentlich weniger Platz für Besucher und Besucherinnen, aber es hat sich gelohnt, wir hatten tolle Gäste, es gab einen regen Austausch und der Anlass ist gelungen. Seit diesen Einschränkungen freut es mich und schätze ich es um so mehr, dass wir solch einen Anlass auf die Beine stellen und wir damit den Austausch in der nationalen und internationalen Branche unterstützen und fördern können. Es ist ein tolles Gefühl, viele glückliche, interessierte und motivierte Personen im selben Raum vereint zu sehen und die Energie, die dabei entsteht, mitzuerleben.

 

Fantoche arbeitet mit der Swissfilm Association (SFA), dem Verband für Auftrags-, Werbe- und TV-Filmporudzenten zusammen. Wie gestaltet sich diese Kooperation?

VM: Die SFA unterstützt uns beim SAIA - Swiss Animation Industry Award und gibt der Gewinnerin oder dem Gewinner die Möglichkeit, beim renommierten Edi., der Auszeichnung für Schweizer Auftragsfilme, direkt einzureichen. Die Einreichung ist kostenpflichtig und das ist für Animatoren eine tolle Chance auch ihre Auftragsarbeiten mehr zu beleuchten. Nicht nur dabei unterstützen sie uns, sie haben es geschafft, beim Edi. eine eigenständige Kategorie für Animation zu schaffen. Das ist ganz neu und auch da sehr schön zu sehen, dass Animation auch in der Werbewelt einen grösseren Platz einnimmt. Neben den Preisen, sind sie uns eine Stütze bei der Auswahl der Shortlist für den SAIA. Die SFA empfängt uns bei ihrem Sitz in Zürich, damit die Visonierung und Jurierung dort stattfinden kann. Zu guter Letzt unterstützen sie neu auch den «Industry»-Apero am Freitagabend des Fantoche. Dies ist jeweils ein toller Anlass für ein Gute-Laune-Networking mit unseren Partner der GSFA, HSLU & SFA.

 

Gibt es Kooperationen auch mit anderen Akteuren der Schweizer Filmszene, Festivals und Verbände?

AC: Natürlich sind wir immer in regem Austausch mit den Verbänden, speziell dem GSFA (Groupement Suisse du Film d’Animation) als nationaler Berufsverband für Animationsfilmschaffende und Institutionen wie der HSLU, als eine der «Geburtsstätten» für das professionelle Animationsfilm Schaffen der Schweiz, aber auch mit anderen wichtigen Akteuren und Akteurinnen der nationalen und internationalen Branche. Eine konkrete Kooperation gab es zum Beispiel am letztjährigen «Industry Day», wo eines der Panels in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Festival «Kaboom» entstanden ist. Fantoche, das Festival generell, ist in der Aargauer (und der Schweizer) Kulturlandschaft natürlich sehr gut verankert und es gibt immer wieder Kollaborationen, beispielsweise mit dem Comicfestival Fumetto, mit anderen Filmfestivals und mit regionalen Kulturinstitutionen, wie dem Aargauer Kunsthaus. Um auf dem Laufenden zu bleiben, empfiehlt es sich natürlich, den Fantoche-Newsletter zu abonnieren!

 

Podiumsgespräch FOCUS SWITZERLAND: SERIES NOW

Akteure und Akteurinnen dreier aktueller Schweizer Animationsserien diskutieren über ihren Arbeitsprozess, die Herstellung und die Herausforderungen dieses Unterfangens.

9:30 – 10:40, Trafo Halle 36.2

Moderiert von Teresa Vena (Cinébulletin)

 

Das Gesamtprogramm des «Industry Day» findet sich hier

 

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