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«Das Filmemachen ist kein unschuldiger Prozess»

Teresa Vena
15. Mai 2024

© Dina Yanni

Kunst und Produkte der Populärkultur sind Spiegel sozialer sowie politischer Prozesse und Weltanschauungen. In diesem Bewusstsein kann der Film auch ein ernstzunehmendes Vehikel im antirassistischen Diskurs sein.

«Es ist kein Zufall, über wen wir lachen, über wen wir weinen, mit wem wir Mitleid haben, mit wem wir keinerlei Empathie empfinden», sagt Dina Yanni, «solche Gefühle sind historisch gewachsen». Filme kommunizierten Gefühle, weswegen sie so machtvoll seien. Die Politikwissenschaftlerin und Filmemacherin hat an der diesjährigen Diagonale in Graz die aktualisierte Fassung ihrer Studie «Perspektiven auf Rassismus im österreichischen Film» vorgestellt. 

«Wer häufig und positiv in Filmen dargestellt wird, nimmt eine gänzlich andere Rolle in der Gesellschaft ein als jemand, der oder die in einem negativen, stereotypen Licht repräsentiert wird oder grundsätzlich in Nebenrollen in Erscheinung tritt. Schliesslich entscheidet die Existenz bestimmter Bilder nicht nur darüber, wie wir über andere denken, sondern auch darüber, wie wir über uns selbst denken».

 

Der Ursprung unserer Bilder

Nach der Analyse des österreichischen Filmschaffens der letzten zehn Jahre stellt Yanni fest, dass sich trotz einer spürbaren antirassistischen Haltung im Filmsektor in der eigentlichen Filmpraxis immer noch rassistische Blickwinkel niederschlügen. «Rassistische Bildproduktion in Filmen ist nicht auf die böse Absicht einzelner Personen zurückzuführen. Vielmehr verdichtet sich in filmischen Bildern ein stiller Konsens vieler unterschiedlicher Meinungen und Erfahrungen, die sozial konditioniert sind und nie infrage gestellt wurden», so Yanni. 

Das Thema ist heikel, was Yanni bereits daran merkte, dass die Finanzierung ihrer Studie mit Mühe zusammen kam. Allein das Österreichische Filminstitut ÖFI zeigte sich dazu bereit, während andere sozialpolitische Institutionen abwehrten und ihre Begründungen sich im Spektrum zwischen «Nichtzuständigkeit» und «Irrelevanz» des Forschungsobjekts bewegten. 

Die Ursprünge dafür lassen sich in der Kolonialgeschichte des Kontinentes finden. Auch ohne direkte Herrschaftsgebiete – wie bei Österreich und auch der Schweiz – prägte der Austausch über Forschungsreisende oder den Güterhandel das Bild, das man sich über die «fremden» Völker machte. Die Erfindung von Unterschieden und deren Nutzung für eine Hierarchisierung der Menschen  wurde zu einer Legitimation für die eigenen Machtansprüche. Die Etablierung des weissen europäischen Mannes als Norm, auch durch Instrumentalisierung der Wissenschaft, von der alles andere abweicht, mögen wir in unserer Gesellschaft in der Theorie längst nicht mehr akzeptieren, doch bleibt diese in unseren Verhaltensweisen und eben in unserer Bildsprache bestehen. 

 

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

«Alleine die Existenz marginalisierter, nicht-weisser Personen in oder ihre Beteiligung an einem Film spricht einen Film noch nicht von Rassismus frei», so Yanni. Es komme auf das «wie» an. Afrika, beispielsweise, habe im österreichischen Film eine «Ultrasichtbarkeit». So erschienen in den letzten Jahren Filme wie «Safari» von Ulrich Seidl, einer mimetische Satire auf den Afrikatourismus, «Angelo» von Markus Schleinzer, eine opulente Darstellung des Lebens eines «Hofmohrens» im Wien des 18. Jahrhunderts, oder auch «Joy» von Sudabeh Mortezai, ein Drama über eine schwarze Frau, die sich als Prostituierte durchquält.  

Hinterfragen Filmschaffende ein vermeintliches gesellschaftlich überliefertes Wissen nicht, laufen sie Gefahr, Stereotypen zu reproduzieren. «Niemand kann von sich selbst ausschliessen, Rassismen zu bedienen», erklärt Yanni. «Das Wissen um den eigenen Rassismus, dessen Verankerung in der gesellschaftlichen Mitte und seine Bekämpfung prägen daher eine antirassistische Filmpraxis». Das drücke sich in technischen Aspekten wie Kameraeinstellungen oder Beleuchtung aus, die eine Wertung der Gezeigten vornehmen oder unterstützen.

Die Sichtweise eines Filmschaffenden, auch nicht im Dokumentarischen, sei nie «natürlich» oder «neutral», sondern meist vielmehr eine privilegierte Position. Zudem besteht die Gefahr einer paternalistischen Haltung. «Menschen mit Migrationsgeschichte und schwarze Menschen werden oft nur zu bestimmten Themen befragt und in bestimmten Situationen gezeigt. Ihre Geschichten sind häufig eingebettet in Elendsdiskurse, in denen sie als Opfer und Objekte in Erscheinung treten», sagt Yanni. Sie als Experten ihrer eigenen Realitäten anzuerkennen, sei ein wesentlicher Schritt. Dazu gehört es auch, Gremien, die über Fördermittel oder Ausbildungsplätze entscheiden divers zu besetzen. 

 

Wer sich weiter interessiert, die Studie von Dina Yanni enthält auch ins Einzelne gehende Analysen. Sie ist auf der Internetseite des ÖFI abrufbar.

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