MENU Schliessen

Guillaume Esmiol: «Das Wichtigste ist die Interaktion mit der internationalen Filmindustrie»

Die Fragen stellte Adrien Kuenzy
15. Mai 2024

Guillaume Esmiol, Direktor des Marché du Film von Cannes. © Loïc Thébaud

Am Filmmarkt von Cannes will die Schweiz ihre Innovationsfähigkeit und ihr Koproduktionspotenzial aufzeigen. Wir haben mit dem stellvertretenden Direktor des Filmmarkts darüber gesprochen, welche Horizonte diese wichtige Veranstaltung eröffnet.

Können Sie uns etwas zu den Möglichkeiten sagen, die der Status als Gastland am Filmmarkt bietet?

Das verschafft dem betreffenden Land allem voran eine einmalige Sichtbarkeit, da es zusammen mit den Logos «Marché du Film» und «Country of Honour» auftritt. Der wichtigste weitere Vorteil ist zweifellos die Interaktion mit der internationalen Filmindustrie, die in Cannes vertreten ist. Jedes Gastland setzt seine eigenen Prioritäten. Für die Schweiz haben wir gemeinsam mit unserem Hauptpartner Swiss Films das Ziel definiert, ihre aktive Teilnahme an den meisten Programmen des Marktes sicherzustellen. Dies beinhaltet das «Producers Network», das Treffen zwischen Produktionsfirmen und Koproduzenten und -produzentinnen ermöglicht, um Koproduktionen zu fördern, das dem Dokumentarfilm gewidmete «Cannes Docs», das innovationsorientierte «Cannes Next», «Goes to Cannes» für Projekte in der Produktionsphase, sowie «Spot the Composer», das Kontakte zwischen Produktionsfirmen und Komponisten und Komponistinnen herstellt. Zudem nimmt die Schweiz an «Shoot the Book!» für Literaturverfilmungen teil, wo Verlagshäuser sich mit potenziellen Produzenten und Produzentinnen austauschen. Ergänzend organisiert Swiss Films eine Reihe von Konferenzen und Podiumsdiskussionen.

 

Wie ist es der Schweiz gelungen, sich für dieses Programm zu qualifizieren?

Der Prozess beginnt mit informellen Gesprächen, um das Interesse der Länder an unserem Programm einzuschätzen. Wir wählen zuerst jene aus, die wir aufgrund ihres klaren Willens, ihre Tätigkeiten zu fördern, als geeignet erachten. Swiss Films zum Beispiel wollte mehrere Partner vereinen, um die gemeinsame Sichtbarkeit zu erhöhen und ihre Aktivitäten besser zu kommunizieren. Zudem bevorzugen wir Länder mit innovativen Initiativen – ein Bereich, in dem die Schweiz sehr stark ist. Die Schweiz war am Marché du Film immer sehr präsent und befand sich trotz ihrer geringen geographischen Ausdehnung oft bezüglich ihrer Teilnehmerzahl unter den ersten zwölf oder 15 Ländern. Ihre Fähigkeit, relevante Themen vorzustellen, verleiht ihr Glaubwürdigkeit. Der Transparenz halber möchte ich erwähnen, dass auch finanzielle Aspekte ins Gewicht fallen, denn die Teilnahme hat ihren Preis. Wir suchen hier stets nach einer Win-win-Lösung, die sowohl für uns, als auch für das teilnehmende Land passt. 

 

Welche konkreten Vorteile ergeben sich für die Filmschaffenden eines Gastlandes?

Die Filmschaffenden stehen im Rahmen der Programme oft im Vordergrund. So erhalten zum Beispiel im «Producers Network» Schweizer Produzenten und Produzentinnen besondere Aufmerksamkeit. Ebenso präsentiert in den «Goes to Cannes»-Sessionen ein Schweizer Partner Projekte seines Festivals oder Marktbereichs. Im Rahmen von «Cannes Next» erhalten Schweizer Jungunternehmen die Möglichkeit, ihre Lösungen vorzustellen, und es finden spezielle Konferenzen zur Förderung der Schweizer Filmindustrie statt. Auch Dokumentarfilme kommen zum Zug, insbesondere im Rahmen von «Cannes Docs». All diese Massnahmen zielen natürlich auch darauf ab, den Abschluss von Vereinbarungen und Verträgen zu fördern. 

 

Wie sehen Sie als Direktor des Filmmarktes von Cannes die Entwicklung dieser Grossveranstaltung in den nächsten zehn Jahren?

In unserer Entwicklung gibt es verschiedene Aspekte zu beachten. Innovation zählt sicherlich zu unseren wichtigsten wirtschaftlichen Prioritäten. Wir sind stets bestrebt, unsere Dienstleistungen zu verbessern, von den Ständen und Promotionssälen bis hin zu den Filmvorführungen, um den Austausch zwischen Anbieter- und Käuferseite zu fördern. Wir dürfen hier nicht stillstehen. Zudem möchten wir die künftigen Finanzierungs- und Entstehungsmöglichkeiten für Filme stärken, indem wir unsere eigenen Koproduktionsprogramme, Partnerschaften und Finanzierungen entwickeln. So ist zum Beispiel unsere «Coproduction Night» zu einem Höhepunkt des Marktes geworden, an dem über 20 Koproduktionsmärkte zu zahlreichen Podiumsdiskussionen und Seminaren zusammenkommen. Unser «Investors Circle» zielt darauf ab, in der privaten Finanzierung neue Wege zu eröffnen. Schliesslich entwickeln wir unseren Filmmarkt auch weiter, indem wir uns auf Schlüsselthemen der Filmbranche konzentrieren, wie die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz und der virtuellen Produktion. Diese stehen insbesondere in unserem innovationsorientierten Programm «Cannes Next» im Zentrum, das dieses Jahr mehrere Veranstaltungen zu immersiven Technologien und KI anbietet. Auch neue Herausforderungen für die Branche wie nachhaltige Entwicklung, Inklusion und Diversität stehen weiterhin im Fokus.

 

Was ist Ihnen im Schweizer Film in Bezug auf Innovation aufgefallen, in Cannes oder allgemein?

Viele Schweizer Firmen nehmen schon seit Jahren an «Cannes Next» teil. Das zeigt, dass die Schweiz in diesem Bereich sehr aktiv ist. So ist zum Beispiel das Lausanner Unternehmen Largo.ai seit langem Partner von «Cannes Next». Es organisiert insbesondere «Pitching Sessions» für Filmprojekte, die anhand seiner algorithmenbasierten Lösungen bewertet werden. Ziel dieser Lösungen ist es, das Erfolgspotenzial eines Films aufgrund verschiedener Parameter wie seiner Verwertung und seinem Marketingbudget einzuschätzen und so sein Zielpublikum auszuwählen. Ich finde es interessant, wie die Technologie hier traditionelle Praktiken nicht ersetzt, sondern durch neue Perspektiven ergänzt. 

Mit neuen Technologien den Filmmarkt in Cannes erobern

Adrien Kuenzy und Teresa Vena
15 Mai 2024

Massgeschneiderte Betreuung

Teresa Vena
15 Mai 2024

Treffpunkt: Sara B. Weingart

Die Fragen stellte Teresa Vena
15 Mai 2024

Entschlüsselung verborgener Schätze

Die Fragen stellte Adrien Kuenzy
15 Mai 2024

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife