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Treffpunkt: Sara B. Weingart

Die Fragen stellte Teresa Vena
15. Mai 2024

© Sabina Bobst

Die Szenenbildnerin Sara B. Weingart hat als Teil eines zwölfköpfigen Kollektivs einen Fundus für Ausstattung und Requisite gegründet. Neben der Möglichkeit, vom Verschwinden bedrohte Alltagsgegenstände und Kulturgüter langfristig zu konservieren, bietet sich damit insbesondere die Gelegenheit, zu einer nachhaltigeren Filmproduktion beizutragen.    

Zu welchem Zeitpunkt setzt die Arbeit der Szenenbildnerin in einer Produktion ein? 

Das ist sehr unterschiedlich, im besten Fall schon in der Konzeptionsphase vor der Eingabe für Fördergelder. Am liebsten so früh wie möglich und sobald mit der Motivsuche begonnen wird. 

 

Wie setzt sich das Team für den Bereich Szenenbild in der Regel zusammen? 

Das hängt von der Projektgrösse und der Projektart ab. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, ob es ein historischer Spielfilm oder eine Serie ist, wie viele Drehtage, Sets und Motive vorgesehen sind. Bei sehr grossen Produktionen können es über 25 Personen sein, im Durchschnitt sind wir zwischen acht und zehn Personen. Es braucht jemanden für das Szenenbild als Hauptverantwortlichen, dann jemanden für die «Set Dec» («Set Decoration» oder Setdekoration), jemanden als «Prop Master» (Chefrequisiteur) und jemanden für die Set-Requisite, am besten alle mit einer Assistenz. Zudem braucht es die Baubühne, Maler und Patinierer, «Set Dresser» (Set-/Szeneneinrichter) und Fahrer.

 

Was hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten inhaltlich und in der Arbeitspraxis verändert?

Früher waren die Teams kleiner, vor zwanzig Jahren haben wir zu fünft Projekte gestemmt. Die Ansprüche sind gestiegen und die Zuschauergewohnheiten haben sich geändert. Alles ist viel professioneller, die Qualität der Spielfilm- und vor allem von Fernsehproduktionen ist höher geworden. Ich habe das Gefühl, die Drehzeiten haben sich verkürzt, das Drehtempo ist aber eher gestiegen. Es werden mehr, vor allem lange, Serien gedreht. Es gibt aber auch eine gesellschaftliche Veränderung im Sinne, dass Menschen nicht mehr bereit sind ihr Privatleben für die Dauer eines Projekts mehrere Monate an den Nagel zu hängen. Für uns im Speziellen ist es auch anspruchsvoller geworden all die vielen Sachen zu finden. Die 1980er Jahre zum Beispiel sind schon über 40 Jahre her. In den Brockenhäusern ist davon nicht mehr viel übrig. Sich privat mit  Möbeln aus dem Brockenhaus einzurichten, wurde immer beliebter. Das Gleiche gilt für die 1970er Jahre oder gar für die 1950er Jahre. Mit den Gegenständen verschwindet im übrigen auch das Wissen über deren ursprüngliche Funktionalität. 

 

Haben Sie Ihren Fundus «Ça Tourne» zu diesem Zweck gegründet?  

Bisher gab es in der Deutschschweiz den Fernsehfundus der SRF und den Fundus in Muri (AG). Der eine wird jährlich verkleinert, der zweite ist super, platzt aber aus allen Nähten. Wir sehen uns als Ergänzung und nicht etwa als Konkurrenz. Wir sammeln und bewahren Objekte, auch unscheinbare Alltagsgegenstände, die typisch sind für eine Epoche, einen Beruf oder einen Brauch der Schweiz. Zudem besagen Studien, dass gerade unsere Abteilung ihren ökologischen Fussabdruck noch reduzieren kann und muss.  Wir wollen uns mit dem Fundus für Nachhaltigkeit engagieren. Die akkurat gesuchten Sachen, Möbel, Lampen, Requisiten, nach dem Film ins Brockenhaus zu bringen oder gar wegzuwerfen ist in jeder Hinsicht unökologisch und die Dinge sind so für immer verloren. In anderen Filmnationen wie Frankreich, Italien oder Deutschland gibt es tolle Fundi. Meine grossen Vorbilder sind der Fundus Barrandov der Filmstudios in Prag und der Fundus Deli in Berlin. Das Angebot ist riesig, sie sind professionell und haben einen super praktischen Onlinekatalog.

 

Über welche Art von Gegenständen verfügen Sie? 

Wir haben drei «Abteilungen». Den Schwerpunkt machen die Möbel, Lampen, Vorhänge und Requisiten aus. Das sind alles Dinge, die so wie sie sind ins Bild, also vor die Kamera kommen. Dann haben wir den Material-Fundus: Das sind gesammelte und gerettete Baumaterialien wie Holz, Papier, Stoff und vieles mehr, aber auch Fenster, Türen, Lavabos, Lichtschalter. Abdeckungen und Verkleidungen aller Art, beispielsweise für Billetautomaten, Hydranten oder Heizkörper und dergleichen. Der dritte Bereich besteht aus alle dem, was immer wieder gebraucht wird, aber nicht ins Bild kommt. Das sind Dinge, die fast auf jedem Dreh hinter den Kulissen am Set gebraucht werden und wir bis anhin immer wieder neu gekauft haben. Gemeint sind, die Mikrowelle, die Herdplatten und Pfannen für Essensszenen. 

 

Welche Dienstleistungen bieten Sie an? 

Wir verleihen alle Gegenstände aus den oben genannten Bereichen. Auch übernehmen wir gerne Material von abgedrehten Filmprojekten. Ab und zu machen wir auch sogar Hausräumungen. Die Möbel, Lampen und anderen Gegenstände werden instand gehalten und wenn nötig geflickt. In unserer Halle hat es aber auch Ausstattungslagerfläche für laufende Filmproduktionen. Auf jeden Fall so lange der Fundus nicht die ganze Fläche braucht. Zudem haben wir uns auch überlegt, Führungen für Interessierte anzubieten. Auf diese Weise lässt sich unser Kulturerbe am Leben erhalten und Wissen darüber vermitteln. 

 

Wer steht hinter der Gründung des Fundus? Wer trägt den Fundus finanziell? 

Wir sind zwölf Personen und kommen alle aus dem Bereich des Szenenbilds. Organisiert sind wir als Verein, den wir vor etwas mehr als einem Jahr gegründet haben. Seit dem 1. August 2023 haben wir in Glattbrugg richtig angefangen als Fundus zu funktionieren. Das ganze Vereinswesen ist Neuland für mich, im Moment steht die Mittelbeschaffung ziemlich im Vordergrund, weil wir noch nicht selbsttragend sind. Verschiedene Stiftungen unterstützen uns, zum Beispiel die Schweizerische Kulturstiftung für Audiovision. Die Zurich Film Commission, die Zürcher Filmstiftung sowie der SSFV haben einen kleinen Betrag gesprochen und unterstützen uns ideell sehr. Über diese Unterstützung freuen wir uns riesig, doch unser Bedarf ist um einiges höher, damit wir die Fixkosten langfristig tragen können.

 

Welche weiteren Schritte stehen neben der finanziellen Absicherung für den Ausbau und eine langfristige Funktionalität des Fundus an? 

Ein nächster, sehr grosser und wichtiger Schritt, ist die Digitalisierung des Bestandes und der Aufbau einer soliden Webseite.  Leider sehr zeitaufwendig und kostspielig. Jedes Objekt muss fotografiert, ausgemessen und in eine Datenbank eingetragen werden. Ein vollständiger Katalog wird entscheidend zu unserer Professionalisierung beitragen. Natürlich versuchen wir aber vor allem unseren Fundus weiter auszubauen und freuen uns über jede Unterstützung. 

Biografie

Sara B. Weingart (*1972) liess sich an den Lehrwerkstätten (LWB) in Bern zur Innenausbauzeichnerin ausbilden. Im Anschluss studierte sie an der Kunstakademie in Venedig Theater, Film und Kunstgeschichte. Neben ihrem Lehrauftrag als Dozentin in Italien, arbeitete sie als Bühnen- und Kostümbildnerin im deutschsprachigen Europa. 2004 kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie seitdem an zahlreichen Filmprojekten beteiligt war. Die Bandbreite der Produktionen reicht dabei von Grossprojekten wie «Zwingli» über Autorenfilme wie «Unrueh» von Cyril Schäublin bis zu Serien wie «Les Indociles» von Delphine Lehericey. Ihr aktuelles Projekt ist das Spielfilmdebüt «A bras-les corps» von Marie-Elsa Sgualdo. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen hat sie im März 2023 den Fundus «Ça Tourne» gegründet.  

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