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Entschlüsselung verborgener Schätze

Die Fragen stellte Adrien Kuenzy
15. Mai 2024

Marta Tortajada forscht zur Schweizer Animation. © Felix Imhof, Unil

Maria Tortajada, Professorin an der Abteilung für Filmgeschichte und -ästhetik der Universität Lausanne, erhielt vor kurzem Fördergelder, um die verkannte Geschichte des Animationsfilms der französischsprachigen Schweiz zu erforschen.

Welche Beweggründe stehen hinter dem Projekt «Histoire de l’animation suisse francophone»?

Das Projekt entstand in der Folge einer früheren Finanzhilfe des Schweizer Nationalfonds (SNF) unter dem Titel «Le cinéma de Nag et Gisèle Ansorge. Institutions, pratiques et formes», die zwei Doktorarbeiten über Animationsfilmschaffende, die international als Pioniere der Sandanimation bekannt sind, ermöglichte. Nag Ansorge war eine der Schlüsselfiguren in der Entwicklung und Institutionalisierung des Schweizer Animationsfilms seit den 1970er-Jahren. Die Nachforschungen brachten insbesondere zutage, dass zahlreiche Akteure und Akteurinnen, Animationsstudios sowie das Westschweizer Fernsehen an dieser Entwicklung beteiligt waren. Bisher gibt es nur wenige gross angelegte historische Forschungsprojekte zur Geschichte des Schweizer Animationsfilms. Dieses Wissen muss unbedingt aufgebaut werden. Deshalb arbeiten wir seit Beginn mit der Universität Zürich zusammen und stehen in Kontakt mit der Hochschule Luzern (HSLU), die Animation unterrichtet. Professorin Fabienne Liptay wird in Zusammenarbeit mit Tina Ohnmacht auch einen entsprechenden Antrag an den SNF stellen, um weitere Regionen der Schweiz abzudecken. 

 

Kommt Ihre Arbeit auch den Schweizer Filmschaffenden zugute?

Unsere Forschung zielt darauf ab, die Arbeitsprozesse von der Produktion bis zum Vertrieb zu dokumentieren. Dabei werden auch die Akteure und Akteurinnen aus allen Bereichen ans Licht gebracht: von der Zeichnerin im Studio bis zum Auftraggeber eines Werbefilms und zu den Programmverantwortlichen beim Fernsehen, sowie natürlich die Animatoren und Animatorinnen und die Filmschaffenden. In einer von Chloé Hofmann geplanten Arbeit geht es um die Schwierigkeiten beim Übergang vom Kurz- zum Langfilm in der Schweizer Produktion der letzten 20 Jahre. Diese Studien legen ein Beziehungsnetz frei und ergründen dessen Funktionsweise, was den Filmschaffenden zu einem besseren Verständnis des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfelds verhilft.

 

Ihr Hauptfokus liegt auf der Entwicklung der unabhängigen Animation in der Schweiz bis zum Beginn der 2000er-Jahre. Welche Herausforderungen und Erfolge prägten diese Zeit?

Der Schweizer Animationsfilm wird heute auf internationaler Ebene hauptsächlich durch die Produktion von Langfilmen mit grossem Publikumserfolg wahrgenommen. Die Kurzfilme folgen einem anderen Vertriebsmuster und setzen sich seit den 1970er-Jahren an Festivals durch. Dieses Jahr bringt Claude Barras nach «Ma vie de courgette» seinen neuen Film «Sauvages» heraus. Die Guillaume-Brüder brachten «Max & Co» ins Kino, dessen Erfolg unbestritten ist. Diese Werke bestechen nicht nur durch ihre Qualität, sondern auch durch die Sichtbarkeit, die sie dem Schweizer Animationsschaffen verleihen. Dies bedingt eine Zusammenarbeit innerhalb des kulturellen und wirtschaftlichen Netzwerks auf Westschweizer, nationaler und internationaler Ebene, durch Koproduktionen und Kooperationen.

 

Können Sie uns mehr verraten über die Zusammenarbeit zwischen der Universität Lausanne und der Cinémathèque suisse?

Sie ist unabdingbar. Als Historiker und Historikerinnen arbeiten wir mit Film- und Papierarchiven sowie mit Objekten aus Sammlungen, wie Puppen oder Celluloid-Folien. Bei den Sammlungen in Penthaz arbeiten Forschende eng mit Archivaren und Archivarinnen zusammen. Caroline Fournier, Leiterin der Abteilung Kulturerbe der Cinémathèque suisse, und ich haben unsere Kurse im Masterstudiengang der Abteilung für Filmgeschichte und -ästhetik der Universität Lausanne «Animation en Suisse: Restaurer / conserver / historiographier I und II» aufeinander abgestimmt. In diesem eng mit dem Projekt verbundenen Kurs konnten die Studierenden einen Vormittag pro Woche praktische und theoretische Arbeiten zu den Spuren des Schweizer Animationsfilms ausführen. Die entsprechende Datenbank werden wir mit unseren Deutschschweizer Partnern teilen.

 

Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich von diesem Projekt für das Filmstudium in der Schweiz, und wie beabsichtigen Sie, die gewonnenen Erkenntnisse und Werkzeuge breiter zu teilen?

 Die akademische Filmbildung braucht diese Forschung, denn sie stützt sich auf Kenntnisse, die laufend aktualisiert werden. Im Bereich des Schweizer Animationsfilms gibt es noch viel zu tun. Die Studierenden interessieren sich für diese Technik, die dem Computerspiel nahesteht und an vorderster Front vom digitalen technologischen Wandel betroffen ist.

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