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Braucht es eine «Netflix-Gebühr»?


13. November 2017

Der Konsum von audiovisuellen Inhalten verlagert sich ins Internet, und die Zukunft des Fernsehens wird an der Urne bestimmt. Cinésuisse drängt nun darauf, die auf dem Schweizer Markt aktiven ausländischen Unternehmen zu besteuern. Ein Gespräch mit Thomas Tribolet.

Die Zeitung «Le Temps» wunderte sich vor einigen Wochen ob der «schweizerischen Naivität» gegenüber Netflix. Das in mehreren europäischen Ländern besteuerte amerikanische Unternehmen muss in der Schweiz keinerlei Abgaben entrichten – vorderhand: «Liberale Grosszügigkeit oder krasse Unkenntnis des Marktes?», lautete die Frage an die Politik. Seit 2016 bereitet der Bund ein Gesetz über elektronische Medien vor, welches das RTVG ablösen soll. Der erste Bericht betrifft den Service public und somit das Radio- und Fernsehangebot, obschon laut Bundesrats-Bericht «globale Angebote wie Google, Facebook, Youtube, Instagram oder WhatsApp eine vier Mal längere Aufmerksamkeit als die fünf am häufigsten genutzten Internetseiten der Schweizer Medien auf sich ziehen». Die Frage der Besteuerung oder einer Regulierung für die ausländischen Unternehmen wird jedoch nicht angesprochen. Thomas Tribolet, Sekretär von Cinésuisse (ad interim) und Berater von GARP und SRP, meint jedoch, dass, dass eine Abgabe auf das Online-Audiovisionsangebot nicht nur erwünscht, sondern auch ohne Weiteres umsetzbar wäre.

Welches sind die Kernforderungen von Cinésuisse?
Die Produzentenverbände und Cinésuisse möchten, dass Unternehmen, die Filme per Video-on-Demand oder auf Streamingplattformen anbieten, die einheimische Produktion mit einem fixen Prozentsatz ihrer Einnahmen unterstützen, wie dies heute auch für das Fernsehen gilt. Zweitens möchten wir sie dazu verpflichten, Schweizer Filme ins Programm aufzunehmen. Politisch sollte das kein Problem sein, denn mehrere Nachbarländer haben dieses Vorgehen gewählt.

In welchem Kontext findet diese Diskussion in der Schweiz statt?
Die Schweiz entwirft ein neues Gesetz über elektronische Medien. Cinésuisse hat mit dem Bakom Kontakt aufgenommen und es gebeten, einen Branchenvertreter in die Arbeitsgruppe aufzunehmen. Die Antwort war, es sei noch zu früh. Darauf traten wir mit dem Bakom-­Direktor in Verbindung. Er sagte, er werde die nächste Sitzung von Ciné­suisse im November besuchen. Wir wollen, dass die Audiovision als Gesprächspartnerin einbezogen wird.

Der Bundesrat hat einen ersten Bericht über den Service public im Zeitalter des Internets veröffentlicht und richtet den Fokus auf Fragen zum Journalismus und zur Information.
Der Bericht dient als Grundlage für das Gesetz, doch das Problem der Audiovision wird darin nicht erörtert. Das geltende RTVG sieht vor, dass die nationalen oder sprachregionalen Fernsehveranstalter mindestens vier Prozent ihrer Bruttoeinnahmen in Schweizer Filme investieren müssen. Wir möchten diese Regel auf das nicht-lineare Angebot ausdehnen.

Die Bestimmung betrifft nur die Sender des Service public, also Schweizer Unternehmen, und nicht die privaten Anbieter digitaler Inhalte, die ihren Sitz im Ausland haben.
Das geltende Gesetz betrifft in der Tat die in der Schweiz ansässigen Unternehmen. Deutschland und Frankreich haben ihre Systeme geändert, dort sind nicht mehr der Sitz, sondern die Bruttoeinnahmen nach Gebiet massgebend. Beim Angebot in Frankreich besteuert das Land die in Frankreich erzielten Einnahmen. Im europäischen Kontext ist dieser neue Ansatz akzeptiert. Frankreich und Deutschland mussten einen Antrag an die Europäische Kommission stellen, damit sie die Unternehmen mit Sitz ausserhalb ihres Landes besteuern dürfen; sie anerkannte den Antrag als rechtmässig. Für die kleinen Länder ist dies eine interessante Möglichkeit, weil viele Grossfirmen ihren Sitz im Ausland haben.

Ist eine Abgabe von 4 Prozent wie für das Fernsehen realistisch?
In Deutschland hängt die Steuer vom Umsatz ab. Wir können in der Schweiz über diesen Prozentsatz diskutieren, doch da wir diese Regel für das Fernsehen schon haben, schlagen wir vor, sie einfach auf das Online-Angebot auszudehnen. Ich kann mir vorstellen, dass die Unternehmen keine Steuer zahlen wollen, aber sie könnten einverstanden sein, in Schweizer Filme ihrer Wahl zu investieren, wie das der Teleclub macht. Netflix als Koproduzent in der Schweiz: Das wäre interessant.

Die No-Billag-Initiative gefährdet das Fernsehgesetz: Wäre es nicht sicherer, diese Frage im Rahmen des Filmgesetzes zu diskutieren?
Dieses Gesetz betrifft praktisch nur den Film, doch es beinhaltet auch Regeln für den Bereich des nicht-linearen Angebots wie beispielsweise die seit der neuesten Revision im Jahr 2016 geltende Einverleiherklausel in Artikel 19 oder die Meldepflicht für Filmverkäufe ausserhalb der Kinos. Wir haben darüber gesprochen, und auch wenn es effizient wäre, die gesamte Filmförderung innerhalb des BAK zu regeln, birgt dies Risiken. Es könnte auf politischer Ebene der Eindruck entstehen, dass der Film zu viel Geld erhält. Heute ist es aber so, dass die Politikerinnen und Politiker in den Budgetberatungen eher dazu neigen, die Kredite zu verringern. Wir müssen uns mit den Pros und Kontras eingehend befassen.

Haben Sie mit den Anbietern von Plattformen und Internetdiensten schon das Gespräch aufgenommen?
Mit der Swisscom, beispielsweise, ist Cinésuisse noch nicht in Kontakt getreten. Wir arbeiten intern noch an unserer Strategie. Eine Arbeitsgruppe bereitet einen Bericht vor, der Ende Jahr oder Anfang nächstes Jahr fertig sein sollte und die offizielle Haltung von Cinésuisse wiedergeben wird. Es existiert jedoch eine Stellungnahme der gesamten Branche – der Kinos, Verleiher und Produzenten – die auf Massnahmen drängt. «Ja» oder «Nein» ist hier nicht die Frage, sondern «Wie?».

▶ Originaltext: Französisch

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