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Artikel

Geburt eines Drehbuchs

Kathrin Halter
13. November 2017

Le double téléfilm de Bettina Oberli, « Private Banking », avait d’abord été conçu par la SRF comme une série. Le pool d’auteur.e.s raconte l’écriture du scénario et l'apport danois.

Der zweiteilige Fernsehfilm «Private Banking» von Bettina Oberli wurde von SRF ursprünglich als Serie konzipiert. Was das Autorenteam bei der Drehbuchentwicklung erlebt hat. Und worin der dänische Faktor besteht.

Von  Kathrin Halter

43 Milliarden Franken, so viel Geld ist alleine im letzten Jahr aus Schweizer Privatbanken abgeflossen. Dies schreibt das Wirtschafts­magazin Bilanz. Schon massenweise hätten Kunden vor allem im Private Banking das Weite gesucht. Über ein Viertel der Privatbanken schreibt mittlerweile rote Zahlen, im letzten Jahr sind über 1’600 Jobs abgebaut worden. Der grosse Vermögenszuwachs findet heute in China oder Indien statt, Finanzplätze wie Hongkong oder Singapur boomen.

Da findet gerade ein Umbruch statt, und treffen wird es die Schweiz als Ganzes, ob wir das Bankengeschäft mit ausländischem Schwarzgeld und undeklarierten Vermögen nun ablehnen oder lediglich zur Kenntnis nehmen. Anfang 2018 kommt der AIA, der automatische Informationsaustausch, der Banken (vereinfacht gesagt) dazu zwingt, Kontendaten preiszugeben. Das Bankgeheimnis, wir wissen es, ist obsolet geworden.
 

Einladung ans Pitching

Ein brisanter Stoff fürs Kino, möchte man meinen. Schweizer Spielfilme haben sich bislang jedoch keine damit befasst. Das ändert sich bald, zum Beispiel mit «Private Banking».

Schon lange wollte die Regisseurin Bettina Oberli etwas über den Bankenplatz machen. Ihr zweiteiliger Fernsehfilm handelt nun von einer Geschäftsfrau um die Vierzig (Stephanie Japp), Leiterin einer kleinen, renommierten (und fiktiven) Privatbank in Zürich, die ums Überleben kämpft. Diese hat sie von ihrem Vater geerbt und versucht nun, sein Lebenswerk zu retten. Es geht um harte Geschäftsentscheide und ein Familiendrama, in dem das Umfeld der Privatbank mehr abgeben soll als Milieu und Kolorit.

Das Interesse am Stoff teilte Oberli mit dem Drehbuchautor Thomas Ritter; die Produktionsfirma Hugofilm hat die beiden zusammengebracht. Vor seinem Drehbuch-Studium an der ZHdK hat der Zürcher Autor als Headhunter gearbeitet und so Banker kennengelernt wie Insiderwissen gesammelt. Das passte.

Als SRF 2013 eine Ausschreibung für eine Serie lancierte, reichten Bettina Oberli und Thomas Ritter einen Projektentwurf ein. Gegen Hundert Entwürfe wurden eingesandt, zehn davon zum Pitching eingeladen. Ausgewählt wurden schliesslich «Private Banking» und die Krimiserie «Wilder» (das dritte Projekt «Die Nationalrätin» wurde fallengelassen). Ganze drei Jahre dauerte die Weiterentwicklung an den Drehbüchern, unterbrochen von Zwangspausen und Phasen der Unsicherheit. Eine inspirierte, glückliche Zeit auch, in der sich das Konzept stark änderte, ändern musste. Was ist geschehen?
 

Dänisches Know-How

Der beim Pitching von 2014 ausgewählte Projektentwurf war noch als Serie von 6 Folgen à 45 Minuten angelegt. Für die Weiterentwicklung zuständig war zunächst Bettina Alber, Dramaturgin bei SRF und seit 2012 Projekt­leiterin Serie; ausführender Produzent bei Hugofilm, die Produktionsfirma, die mit SRF koproduzierte, ist Christof Neracher.

Er war es schliesslich, der David Sandreuter als dritten Autor engagierte, nachdem sich die Koautoren ganz explizit einen Dänen gewünscht hatten, der Erfahrung mit dem Schreiben von Serien mitbringt. Sandreuter, mit Schweizer Eltern in England und Deutschland aufgewachsen, lebt in Kopenhagen; er hat die berühmte dänische Filmschule durchlaufen und an mehreren dänischen Fernsehserien («Limbo», «Sjit Happens») mitgewirkt.

Wie muss man sich die Schreibarbeit im Dreierteam vorstellen? Bei den Recherchen konnte Thomas Ritter manches beitragen; auch der Geschäfts-Slang von Bankiers, der in die Dialoge einfloss, war ihm vertraut. Das Treatment wurde gemeinsam erarbeitet, während rund eines Jahres. Man traf sich in Zürich oder Kopenhagen, pinnte Zettel an die Wand, diskutierte Figuren und Handlungslinien. Beim Schreiben wechselte man sich dann ab, in rotierender Arbeitsweise, reichte Entwürfe weiter, las und kritisierte die der anderen nach dem Pingpong-Prinzip. Das gilt auch für das erste Drehbuch, das von Thomas Ritter aufgrund der Storylines und der Figurenbeschreibung des Treatments verfasst und von David Sandreuter überarbeitet wurde.
 

Ein neuer Bruch in der Biografie

Auch Bettina Alber und Urs Fitze, Bereichsleiter Fiktion bei SRF, lasen mit. Deren Reaktionen seien vorwiegend positiv gewesen, so Ritter. Natürlich gab es trotzdem Einwände, zum Beispiel gegenüber der Hauptfigur, für die zu wenig auf dem Spiel stehe, so eine Kritik. Ritter und Oberli konnten das nachvollziehen: Die Tochter eines Bankiers, wohlhabend und gutaussehend, sei natürlich privilegiert; eine plausible Fallhöhe zu konstruieren ist da nicht unbedingt einfach. Die Figur wurde dann nochmals umgebaut, man gab ihr eine problematischere «Backstory», schuf einen Bruch in der Biografie. Zugleich verpflichte er sich auch einer Realität, so Ritter, und würde zum Beispiel nie ein Drama konstruieren, nur damit gewisse Erwartungen erfüllt werden.

In der Zusammenarbeit mit der Fernsehredaktion fühlte er sich trotzdem frei und getragen. Kritik und Inputs von SRF-internen und externen Experten hat die Redaktion jeweils gebündelt und mit den Autoren diskutiert. Nach etwa einem Jahr, als sechs Treatments und das erste Drehbuch fertig waren, wurde die Serie jedoch vorerst stillgelegt. Begründet wurde der Entscheid damit, RTS plane ebenfalls eine Bankenserie, den sechsteiligen Thriller «Quartier des banques» von Fulvio Bernasconi aus dem Umfeld der Genfer Privatbanken. Die Redaktion schlug dem Team deshalb vor, die Serie neu in das Format eines TV-Zweiteilers von insgesamt 180 Minuten umzuschreiben, um sich vom Westschweizer Projekt deutlich abzugrenzen. Das gelingt laut Ritter auch deshalb, weil ­«Private Banking» ein eigenes Schlaglicht auf die Bankenszenen wirft.

Oberli und Ritter fuhren also nach Kopenhagen und machten sich mit David Sandreuter erneut an die Arbeit. Die Zäsur brachte das Team dazu, den Stoff ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Fernsehpublikum nochmals umzuschreiben. Radikaler und genau so, wie sie es eigentlich am besten fanden. Der Entscheid erwies sich im nachhinein als glücklich; Autoren und Redaktion finden jedenfalls, dass das Drehbuch dadurch noch einmal an Prägnanz gewonnen hat.

Neu war jetzt die Spielfilmredaktion und damit Lilian Räber zuständig; eine Redaktorin, die das Projekt von Anfang an voll unterstützte, wie Bettina Oberli sagt. Für sie war das Format sowieso weniger wichtig als die Möglichkeit, genau diesen Stoff verfilmen zu können – und zwar fürs Fernsehen, weil damit ein grösseres Publikum erreicht werden könne, auch eines, das sich zu diesem Thema nicht unbedingt einen Kinofilm ansehen würde.

Die Struktur des Sechsteilers wurde also nochmals aufgebrochen und in Richtung Spielfilmdramaturgie getrieben. Alle Figuren und die wichtigsten Handlungsstränge konnten behalten werden, das gilt sogar für den Schluss samt Cliffhanger. Aber natürlich galt zugleich das Prinzip «Kill your Darlings». Diese Drehbücher wurden im Sommer und Herbst 2016 von Thomas Ritter und David Sandreuter fertig geschrieben. Bettina Oberli musste sich in dieser Phase vom Schreiben zurückziehen, da sie mit der Vorbereitung der Dreharbeiten (sowie ihres neuen Spielfilms «Le vent tourne») beschäftigt war. Gedreht wurde schliesslich im März bis Mai 2017, fertig geschnitten im August. Im Frühling ist zudem ARTE als Koproduzent eingestiegen, weshalb «Private Banking» nächstes Jahr auch auf dem Kultursender gezeigt wird.
 

Schreiben zu dritt

Doch zurück zur Schreibarbeit: Wie haben sich die Autoren ergänzt, und worin bestand eigentlich das «Dänische» im Einfluss Sandreuters?

Natürlich verlangt ein Sechsteiler einen längeren Atem und eine andere Dramaturgie als ein Spielfilm – und umgekehrt. Sandreuter denke stark analytisch, so seine Kollegen; er habe immer auf Timing und Stringenz geachtet. Oder darauf, Motive zurückzuhalten, wenn diese erst später entfaltet werden sollen. Die sechsteilige Version hat er nochmals «streng durchgetaktet», so Thomas Ritter. Und während er sich selbst beim Schreiben wenig Zwang antue, es möge, die Geschichten «galoppieren zu lassen» und überhaupt spontaner funktioniere als sein dänischer Kollege, denkt Sandreuter strukturierter. Er arbeite diszipliniert und sei streng, dabei zugleich freundlich und humorvoll, das sieht auch Bettina Oberli so.

David Sandreuter selber hat die Zusammenarbeit sehr Spass gemacht. Er lobt den künstlerischen Anspruch seiner Kollegen, den er inspirierend empfand. Er selber habe stark dazu gedrängt, die Handlung noch mehr in die Arena einer Privatbank zu verlegen, Probleme und Ambitionen der Figuren noch stärker aus dieser Welt zu beziehen. Zudem hat er auf Recherche insistiert und versucht, Gespräche mit Bankangestellten und Experten in die Geschichte einzuarbeiten. 

Die Dreier-Konstellation empfand Sandreuter ungewöhnlich demokratisch. «Beim Film ist normalerweise die Regisseurin der Chef; bei einer Fernsehserie der Head Writer. Wir lagen irgendwie dazwischen. Das könnte leicht schiefgehen, hat aber funktioniert, weil wir uns gut verstanden haben und viel Respekt für einander hatten».

Bettina Oberli wiederum hat (ausser bei ihrem ersten Film) schon immer im Team gearbeitet. Immer ging sie von einer originären Idee aus, setzte sich dann aber sehr schnell mit jemandem zusammen. Diesmal habe es, auch menschlich, so gut funktioniert, dass sie «Private Banking» nun weniger als Bettina-Oberli-Projekt denn als Gemeinschaftsprojekt ansieht. Auch bei den Dreharbeiten, als Dialoge noch verändert wurden, und beim Schnitt waren die Koautoren immer wieder präsent.

Nun arbeiten Oberli und Ritter schon am nächsten Film: «Züri 1980», so der Arbeitstitel eines SRG-Projekts. Dabei geht es um eine Band aus vier jungen Leuten und die Zeit nach der Jugendbewegung, als die Erinnerung an die Unruhen noch frisch ist und die Drogenszene offen. Regie soll Bettina Oberli führen. Und eine Serie soll es werden. Ganz bestimmt!


Ausstrahlungstermine:
Sonntag, 17. Dezember, 20h05, SRF 1, Teil 1
Montag, 18. Dezember, 20h05, SRF 1, Teil 2

Bild: Thomas Ritter (links), Bettina Oberli und David Sandreuter. © SRF


  Originaltext: Deutsch

 

Neue Serien bei SRF

Im Vergleich mit RTS lagen Serien im deutschschweizer Pendant SRF lange Zeit im Hintertreffen. Nun holt der Sender deutlich auf. Laut Urs Fitze, Bereichsleiter Fiktion bei SRF, will man dort jährlich zwei neue eigene Serien produzieren, nachdem es lange nur den «Bestatter» gab, dieser Quotenknüller mit einem Marktanteil von zuletzt über 40 Prozent (die 6. Staffel wurde im Sommer abgedreht). Hinzu kommen zwei Fernsehfilme und zwei «Tatort»-Folgen aus Luzern; bisher waren es vier Fernsehfilme, zwei «Tatorte» und eine Serie pro Jahr.

Die Krimiserie «Wilder» unter der Regie von Pierre Monnard, nach einer Idee von Béla Batthyany und Alex Szombath (Produktion: C-Films AG und Panimage), wird seit dem 7. November auf SRF 1 ausgestrahlt. Ab Frühling 2018 läuft auf SRF 2 «Seitentriebe». Die Serie hat Güzin Kar geschrieben und gemeinsam mit Markus Welter auch Regie geführt; erzählt wird in acht Folgen à 25 Minuten von Sex in Langzeitbeziehungen.  

Die Serie «Quartier des banques» läuft seit 16. November auf RTS 1.

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