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Treffpunkt: Jürgen Kupka

Teresa Vena
12. Januar 2024

Aufgeführt wird sie im Abspann erst sehr spät, dennoch kommt der Farbkorrektur eine wichtige Funktion für die Wirkung eines Werks zu. Davon wird man sich an den Solothurner Filmtagen am Beispiel des Spielfilms «Les histoires d‘amour de Liv S.» überzeugen können. Ein Gespräch mit dem Coloristen des Films über die Charakteristika seines Berufs. 

Ihre Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Postproduktion. Beginnt sie auch erst dann?  

Das hängt vom jeweiligen Projekt ab. Es kommt vor, dass ich vor dem Beginn der Dreharbeiten kontaktiert werde. In diesem Fall erstellt man eine Farbkorrektur im Vornherein, «Show LUT» ist der englische Fachbegriff dafür. Damit können Stilelemente des Films festgelegt werden. Spielt die Geschichte in der Wüste und soll das Bild darauf abgestimmt werden? Möchte man eine monochrome Färbung oder eine besondere Vielfarbigkeit, die eine fröhliche Stimmung erzeugt? Die  Kameras der meisten Hersteller ergeben grundsätzlich ein neutrales und realistisches Bild. Hat man ein Farbkonzept vorher erarbeitet, können sich die beteiligten Personen in der Produktion eine bessere Vorstellung des Endproduktes machen. Natürlich kann man sich noch umentscheiden, aber es ist eine Orientierungshilfe. 

 

Sind Sie auch während der Aufnahmen dabei? 

Grundsätzlich eher nicht, wenn Besprechungen stattfinden, dann vor den Aufnahmen. Als Grundlage für diese können Filmstandbilder genutzt werden. Bei grösseren Projekten werden auch oft Testaufnahmen gemacht, bei denen die Wirkung von Kostüm und Maske ausprobiert werden können. Da sieht man beispielsweise, dass ein dunkelblauer Pullover schwarz aussehen wird und kann sich gegebenenfalls für eine hellere Farbe entscheiden. Oder ein Original-Blaumann, wie ihn viele Arbeiter und Arbeiterinnen tragen,  bekommt oft durch die Kamera einen violetten Einstich. Möchte man das nicht, kann man vorher reagieren. 

 

Welche weiteren konkreten Massnahmen lassen sich anhand dieser Vorarbeit während der Dreharbeiten vornehmen?

Die Lichtführung, beispielsweise, kann entsprechend angepasst werden. Dabei geht es um die Frage, wie das Bild belichtet werden soll: Die einen entscheiden sich für eine Überbelichtung, um eine gewisse Filmstruktur herausschälen zu können. Andere wiederum für den gegenteiligen Weg und unterbelichten leicht. Im zweiten Fall ist allerdings der Spielraum für die Farbkorrektur im Nachhinein kleiner, dafür muss man sich bewusst entscheiden.

 

Wie gehen Sie mit den verschiedenen Herangehensweisen um? 

Ich bin sehr inhaltsfokussiert. Vieles hängt vom eigenen Geschmack ab und Menschen haben unterschiedliche Geschmäcker. Ich habe gelernt, über meinen eigenen hinweg zu handeln. Manchmal ergibt es besonders Sinn, Farben zu nutzen, die mir grundsätzlich widerstreben. Es gibt eine Farbpsychologie, die festhält, welche Emotionen eine Farbe auslöst. Manchmal kann man diesem klassischen Farbkonzept einfach folgen, ohne immer wieder etwas neu erfinden zu müssen. Für mich ist wichtig, dass technisch alles korrekt ist. Das ist die Basis. Danach kommt der künstlerische Aspekt. Wie gross mein eigener Spielraum dabei ist, hängt von den Filmemachern ab. Ideen und Erfahrung habe ich viel, um sie individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten zu beraten.  

 

Wie viel wird in der Regel mit speziellen Filtern bereits gedreht oder in der Postproduktion gearbeitet? 

Während der Farbkorrektur kann nahezu jede Art von Filtereffekt erzeugt werden. Vielfach einfacher. Viele Farbfilter, Grünfilter oder Sepiafilter, werden in den Kameras kaum mehr gebraucht. Möchte man diesen Effekt, erzielt man in der Farbkorrektur die gleiche Qualität. Die Effekte in der Postproduktion hinzuzufügen hat den Vorteil, dass man die Kontrolle über das Filmmaterial behält. Es gibt aber wenige Filter, wie etwa Weichzeichner («Glow Filter») oder den «Black Pro Mist»-Filter (Leuchtende Lichter und Reduzierung der Kontraste), die man zwar nachkreieren kann, aber nicht ganz den gleichen schönen und mutigen Effekt erzielen, als wenn er direkt bei den Aufnahmen verwendet wird. Doch für die direkte Verwendung benötigt man auch Mut. Wurden die Aufnahmen einmal mit so einem Filter aufgenommen, kann der Effekt nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Ansätze sind unterschiedlich. Die einen Kamerafrauen oder Kameramänner wollen einen Stil in der Kamera selbst festlegen, andere eben nicht.

 

Kann man denn immer unterscheiden, ob so ein Effekt vor oder nachher entstanden ist? 

Es gibt Kameratechniken wie «Lens Flares» (Linsenreflexionen), die auf dem Bild komplexe Formen wie Kreise, Achtecke oder Sterne entstehen lassen. Man kann es vorher einsetzen oder später nachstellen. Manche befürchten, dass die digitale Version künstlich aussehen könnte. Es ist mir aber auch schon passiert, dass ein Kunde die Effekte gesehen hat und meinte, ich hätte diese erzeugt, während sie aber schon in der Originalversion entstanden. Es kommt auf den einzelnen an. Einige sind besonders sensibel, was die nachträgliche Bearbeitung des Materials betrifft und sind eher zurückhaltend. Andere gehen locker damit um. Bei mir sind die meisten aber eher mutig. Ich bin selbstbewusster geworden und kann mittlerweile abschätzen, wann etwas organisch wirkt und wann nicht.

 

Welche Voraussetzungen braucht es beim Drehen, damit die Arbeit der Postproduktion erleichtert wird? 

Gutes Licht ist wichtig. Doch grundsätzlich kann ich aus fast allem etwas herausholen. Das muss ich, das ist mein Job. Aber klar, desto besser gefilmt wird, desto kleiner ist mein Aufwand. Manchmal ist die Situation beim Drehen aber einfach kritisch, man kann nicht alles kontrollieren. Damit müssen alle Filmschaffenden auf der Welt umgehen. Dann gibt es gewisse Dinge, die besonders schwierig sind, wie weisse Wände. Material, das massiv unterbelichtet oder unscharf ist, gehört auch dazu. Oder wie bringe ich Tiefe ins Bild, wenn keine Tiefe gefilmt wurde? Als Standard gilt, dass im Log-Profil (Aufnahmeart) gedreht wird, was ein flaches, graues Bild erzeugt. Damit kann man am besten in der Postproduktion arbeiten. Die verfügbaren Werkzeuge haben sich in den letzten Jahren aber so stark und schnell entwickelt, dass man heute Dinge löst, die früher viel komplexer zu lösen waren. Worauf ich persönlich Wert lege, ist, technisch im Format 4K zu produzieren, weil es ein viel detailreicheres Bild ergibt. Sicher sind noch nicht alle Auswertungskanäle auf diesem Niveau, aber es lohnt sich, bereits die bestmögliche Qualität anzustreben, die Onlineplattformen legen mittlerweile ebenfalls Wert darauf.

 

Welcher Aufwand kommt der Farbkorrektur in der Postproduktion zu? 

Das ist sehr unterschiedlich. Für einen Kinofilm haben wir meistens 10 Tage. Es kann schneller gehen, es kann aber auch viel länger gehen, wenn zum Beispiel komplexe VFX-Welten ausgestaltet werden müssen. In diesen Fällen kann die Arbeit je nach Komplexitätsgrad, vielfach im Zusammenspiel zwischen Farbkorrektur, Regie und Kamera, über Monate gehen. Bei mir sind Regie und Kamera häufig dabei, nicht die ganze Zeit über, aber mindestens zu Beginn und am Ende des Arbeitsprozesses. Hat man sich auf das Konzept geeinigt, braucht es keine konstante Anwesenheit während der Farbkorrektur –erst zum Schluss vor und während der Abnahme wieder.

 

Welche Auswirkungen kann die Farbkorrektur auf das Gesamtwerk haben?

Man kann expressiv arbeiten oder ganz neutral. Ich kann fast alles umsetzen. Es gibt Filmschaffende mit einer klaren Vision, mit anderen erarbeiten wir diese gemeinsam. Durch die Farbgestaltung lassen sich die Zuschauer und Zuschauerinnen beeinflussen, man kann sie konkret führen. Orte bekommen Stimmungen, Gefühle lassen sich erzeugen oder unterstützen. Das kann man ganz nuanciert machen, dass es unbemerkt bleibt. Das kann man als eine eigene Kunst ansehen. Es kann auch Momente geben, die merkwürdig erscheinen, die den Zusehenden vielleicht kurz irritieren, um im nächsten Moment wieder als «normal» angenommen zu werden. Damit lässt sich spielen. 

Biografie

1977 geboren, absolvierte Jürgen Kupka von 1994-1997 eine Ausbildung zum Film- und Videolaborant in München bei Bavaria Film, wo er analoge wie digitale Arbeitstechniken erlernte.  Gleichzeitig besuchte er zur Vertiefung die Berufsschule in München in der Fachrichtung Fotografie. Seine ersten beruflichen Erfahrungen machte er, zwischen 1997 und 1999, als Junior Colorist bei Bavaria Videotransform in München. Von 1999 bis 2017 war er erst als angestellter und schliesslich als selbstständiger Colorist für Spiel- sowie Dokumentarfilme, Serien und Werbung tätig. Er war nacheinander bei Geyer in Köln, City Productions in Mexiko-Stadt, Boost/Egli in Zürich und anderen Firmen in der Schweiz, Deutschland, Belgien und den Niederlanden beschäftigt. 2018 gründete Kupka die Postproduktionsfirma «Unsere Farben» in Zürich, bei der er Partner und führender Colorist ist. Zudem hat Kupka Erfahrung als Dozent.

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