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Stürmische Zeiten als Herausforderung

Sarah Stutte
28. Juli 2023

© Locarno Film Festival

Sie will viel ausprobieren und ein jüngeres Publikum zurück ins Kino holen: Marketingfachfrau Claire Honegger, Teilnehmerin der Locarno Industry Academy, ist mit Enthusiasmus bei Filmcoopi dabei.

Claire Honegger ist offen für neue Erfahrungen. Das zeigt sich schon daran, dass die waschechte Zürcherin neben den in der Schweiz üblichen Fremdsprachen wie Französisch oder Englisch auch Niederländisch beherrscht. «Ich habe für ein Jahr in Amsterdam gelebt und war so begeistert vom Land, dass ich unbedingt die Sprache lernen wollte», sagt sie.

Diese Neugierde treibt sie auch im Berufsleben um. Seit Kurzem ist die 30-Jährige beim Zürcher Verleih Filmcoopi für Marketing und Kommunikation zuständig. Nach ihrem Wirtschaftsstudium war sie in verschiedenen Branchen tätig, unter anderem lange für die einheimische, vegetarische Restaurantkette Tibits, zuletzt als stellvertretende Marketingleiterin.

Gemeinsamkeiten zwischen Gastronomie und Kino sieht Honegger einerseits im sinnlichen Erleben und den damit verbundenen Emotionen. Aber auch in deren Wandelbarkeit und der Frage, wie und auf welchen Kanälen das Publikum heute erreicht wird. «Social Media und Influencer-Marketing werden immer einflussreicher. Wichtig ist es, Dinge auszuprobieren, um zu schauen, wo der Weg hinführt».

 

Begeisterung fürs Autorenkino

Der Gebietswechsel ist aber nicht nur aus diesen Gründen ein logischer für Honegger: «Ich bin getrieben von den Dingen, die mich begeistern und faszinieren. Mir ist wichtig, voll und ganz hinter dem zu stehen, was ich vermarkte. Für gute Sachen zu werben, gibt mir ein gutes Gefühl. Dazu zählt sicher, mit einem Film Menschen zu erreichen», erklärt sie.

Zudem findet die junge Frau, die dieses Jahr an der Locarno Industry Academy teilnimmt, dass ihr frischer Blick nur vorteilhaft sein kann in einer visuellen Welt, in der es jeden Tag so viel zu entdecken gibt. «Ich lerne so viel mit jedem neuen Film. Das ist beeindruckend. Das Medium schafft es, seine Zuschauer in kürzester Zeit in eine andere Welt oder ein Thema zu vertiefen, das ihnen zuvor fremd war».

Obwohl sie schon immer eine Vorliebe für Filme hatte, ist die Faszination bei ihr erst als Jugendliche richtig erblüht. Als sie anfing, bewusst Autorenfilme zu schauen. «Das ist mehr meine Welt als das Massentaugliche», sagt sie. Einer der Filme, der sie aus dem Filmcoopi-Universum sehr fasziniert, ist «Die Göttliche Ordnung» von Petra Volpe. «Durch diesen Spielfilm von den Anfängen der feministischen Bewegung in der Schweiz zu erfahren, das hat mich berührt».

 

«Ich habe sehr grosse Lust, hier etwas zu bewegen und zu versuchen, über neue Wege Menschen für das Kino zu begeistern – besonders Jüngere explizit auch für das Autoren- und unabhängige Kino»
Claire Honegger

 

Soziale Komponente hochhalten

Honegger findet es gerade jetzt einen spannenden Moment, in die Filmbranche einzusteigen. «Nach der Pandemie hat sich alles gewandelt, Streaming hat das Filmerlebnis verändert. Die Menschen gehen weniger ins Kino», sagt sie. Das sehe sie aber als Herausforderung, nicht als Hindernis. «Ich habe sehr grosse Lust, hier etwas zu bewegen und zu versuchen, über neue Wege Menschen für das Kino zu begeistern – besonders Jüngere explizit auch für das Autoren- und unabhängige Kino».

Auf die Frage, inwiefern sich das Kino noch weiter verändern wird, meint Honegger: «Ich bin positiv gestimmt und denke, dass das Kinoerlebnis durch das Heimkino nicht komplett ersetzt werden kann. Die soziale Komponente, der Austausch, die Qualität des jeweiligen Films – das wird bleiben», ist sie überzeugt. Als Verleih könne Filmcoopi etwas zur «Eventisierung» des Kinos beitragen, indem «wir den Kinobesuch noch mehr darauf ausrichten», meint sie.

Filmcoopi ist heute einer der alteingesessenen Schweizer Verleiher, der im Speziellen auch ein Augenmerk auf die Vermarktung von einheimischen Filmen legt. Doch diese erfolgreich zu verleihen, ist heute schwieriger geworden. «Der Schweizer Film hat einen schlechten Ruf. Viele wissen nicht, was es in diesem Segment für eine Breite gibt. Das ist definitiv ein Antrieb für mich, aufzuzeigen, wie unterschiedlich und spannend diese Produktionen sind».

Zum derzeitigen Kinosterben, das vor allem alteingesessene Programmkinos betrifft, also gerade die Häuser, die Filmcoopi bespielt, meint Claire Honegger: «Das finde ich natürlich traurig. Diese Entwicklung zu sehen, weckt in mir jedoch auch viele frische Ideen, um das Ruder noch herumzureissen».

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