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Filmschaffende und die Medienkrise


31. März 2017

Seit vierzig Jahren hat der Schweizer Film in kleinen Schritten, Stein für Stein, ein Fördersystem aufgebaut, das auf drei Säulen ruht: dem Bund, den regionalen Einrichtungen und dem Fernsehen. Nun könnte im Laufe weniger Wochen der dritte dieser Pfeiler wegbrechen. Doch weil unser Fördersystem von den Filmschaffenden in einer gewissen Einsamkeit entwickelt worden ist, brauchen wir heute neue Allianzen, denn die aktuellen Entwicklungen liegen paradoxerweise ausserhalb unseres politischen Einflussbereichs.

Angesichts der «No-Billag-Initiative», deren Annahme die SRG ganz zerstören könnte, kann es nicht mehr darum gehen, partikular die Interessen unserer Branche zu verteidigen. Es braucht einen weiteren Horizont und ein Nachdenken darüber, wie wir all jene gewinnen können, die von einer solchen Verschlimmbesserung mitbetroffen sein könnten. Denn der Angriff auf die SRG ist nicht nur politisch-ideologischer Art, er resultiert vielmehr aus einer wirtschaftlichen Aushöhlung des ganzen bestehenden Mediensystems.
 

Von unseren Erfahrungen profitieren

Das Filmschaffen befindet sich also vor einer grundlegenden Weichenstellung für seine berufspolitische Zukunft. Wir haben uns ein für die Arbeit förderliches Umfeld geschaffen, das heute politisch und ökonomisch in Frage gestellt wird. Die Filmschaffenden müssen –  davon bin ich überzeugt – in diesem Abwehrkampf eine wesentliche Rolle spielen. Wir haben Erfahrungen mit einem Förder­system, in dem die beteiligten Medienakteure (die Produktionsfirmen) privat sind, während die Mittel der Förderung aus öffentlichen oder halböffentlichen Quellen stammen. Dieses Fördersystem, das zunächst mühsam erarbeitet werden musste, sich unterdessen aber bewährt und als segensreich herausgestellt hat, müssen wir über unser Fach hinaus und namentlich dem gesamten Medienbereich verständlich machen. 

Wir sollten den Schweizer Medienschaffenden vorschlagen, von unseren Erfahrungen zu profitieren. Weder aus Altruismus noch  gönnerhaft, vielmehr weil sich heute in einem Umfeld, wo die Demokratie nicht nur Federn lassen muss, schlimmer noch: ihr ganze Glieder amputiert werden sollen, weder das Fernsehen noch der Film einzeln verteidigen lassen. Denn alles steht hier in einem Zusammenhang.

Die Krise zeigt sich deutlich ausgeprägter in der welschen als in der deutschen Schweiz, doch es wirken hier wie dort die gleichen Kräfte. Die Besitzer in der Deutschschweiz, denen die wichtigsten Medien der Westschweiz gehören, applizieren überall gleiche Rezepte auf gleiche Probleme. Der Rückgang der Abonnemente, der Einbruch der Werbe­erträge und die Plage des Gratiswesens machen keinen Halt vor Sprachgrenzen.

Es ist umso wichtiger, unsere Erfahrungen zu propagieren, als sogar gewerkschaftlich organisierte Journalisten hierzulande nicht gewohnt sind, ihre eigene Sache zu verteidigen. Medien sind nicht – wie das Kino – in einem Spannungsfeld der Solidarität und Konkurrenz von Autoren entstanden. Doch ich meine, unsere Formel könnte die Journalisten durchaus überzeugen: Wir haben Einrichtungen geschaffen, die den Einfluss der Finanzierungsbeiträge so filtern, dass sie einerseits ihren Zweck erreichen – also wirtschaftliche Hilfe sind –, ohne aber auf die Inhalte oder den verlegerischen Kurs Einfluss zu haben. Diese Erfahrung interessiert Medienschaffende in höchstem Masse.
 

Im Interesse des ganzen Landes

Allerdings: die Sache ist höchst dringlich. Über die Initiative «No Billag» wird spätestens 2018 abgestimmt werden, also schon in einem Jahr. Um eine Kampagne dieses Kalibers gewinnen zu können, müssen wir uns sofort ins Zeug legen. 

Das Milieu des Journalismus ist nicht leicht zu beeinflussen. Gerade die seriösen Journalisten sind Leute, die sich von keinerlei Interessen beeinflussen lassen wollen. Es muss ihnen bewusst gemacht werden, dass es hier nicht darum geht, sich für sich selber, sondern sich für Interessen des ganzen Landes zu wehren.Wir kommen noch zu einem weiteren Paradox. Die Angriffe auf die Presseorgane und die SRG kommen aus einer Ecke der politischen Arena, die den Patriotismus auf die Fahnen geschrieben hat. Man muss den Widerspruch herausstreichen: die SRG zu schwächen ist keineswegs patriotisch, denn es würden in erster Line die ausländischen Kanäle davon profitieren. Über 300 Millionen Franken Schweizer Werbegelder jährlich sind an ausländische Werbefenster verlorengegangen – eingeworben und verwaltet von Akteuren dieser politischen Gruppierung, die sich angesichts einer solchen finanziellen Fluchtbewegung über ihre Motive ernstlich Fragen zu stellen hätte. 
 

«Medien für alle»

Konfrontiert mit dieser Situation, waren es die Filmschaffenden, die zur Verteidigung der Medien ein nationales Netzwerk geschaffen haben: «Medien für alle». Seit einem Jahr existiert eine neue Allianz zwischen den drei Medien­gewerkschaften und den Berufsverbänden des Schweizer Filmschaffens. Wir sehen uns vor der Aufgabe, in allen politischen Parteien Verbündete zu gewinnen. In der Rechten wie der Linken gibt es viele Menschen, die wegen des vorhersehbaren Niedergangs der Schweizer Medienlandschaft zutiefst beun­ruhigt sind. Einer Erosion, die an den Abbruch von Packeis erinnert. Wir stehen vor zwei Jahren eines intensiven Kampfs, in dem die Filmschaffenden sich ihrer Haut wehren müssen, aber auch jener vieler anderer – eine in jeder Hinsicht nie dagewesene Situation.

▶  Originaltext: Französisch.

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