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Die Sicht der Politiker


31. März 2017

Adèle Thorens Goumaz, Waadtländer Nationalrätin, Grüne:
Ich freue mich, professionelle Filmschaffende zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, weil ich zur Zeit gerade stark in die SRG- und Service-­public-Debatte involviert bin und mich für eine gute, unabhängige und breite Informationspolitik in der Westschweiz engagiere. Ich hatte in den letzten Jahren wenig direkten Kontakte zur Branche. Nicht aus mangelndem Interesse, sondern aus Zeitmangel. Doch ich verfolge ihre Entwicklung aufmerksam. Unsere Demokratie ist sehr «cinégen». Das hat schon «Mais im Bundeshuus» gezeigt, wo ich Maya Graf kennenlernte, bevor ich ihre Kollegin wurde. Übrigens hat mein Vater kürzlich als Statist in Lionel Baiers neuestem Film mitgewirkt. Solche Bezüge im Alltag sind schon sehr motivierend: Das ist «unser» Kino! 
Der Film ist zudem stark als Träger von Träumen und Emotionen, von Wissen und Reflexion. Wir brauchen ihn! Produktionen aus der Romandie ermöglichen einen Blick auf die Welt, aus unserer Kultur heraus (ein Blick ist immer verortet, auch wenn er sich auf etwas Universelles richtet), sie behandeln Themen, die uns betreffen, die unser Erleben spiegeln und unsere Talente und unser Know-how zeigen. Der Erfolg von «Ma vie de Courgette» ist ein gutes Beispiel dafür.
 

Simon Bischof, Mitglied des Freiburger Grossrates, SP:
Ich habe relativ wenig Kontakt zur Filmbranche, obwohl ich die aktuellen Themen, die sie betreffen, aus der Nähe verfolge. Der Film gehört nicht zu meinen Hauptinteressen, doch der Erfolg von «Ma vie de Courgette» hat mich motiviert, dieses Jahr nach Nyon zu kommen. Es wurde viel über den Film gesprochen, er ist international erfolgreich, nun freue ich mich, seine Autoren und andere Filmschaffende zu treffen. Film ist eine Kunstgattung und zugleich ein Wirtschaftszweig; wir sind uns seiner Bedeutung bewusst. Ausserdem ist engagiertes Kino ein gutes Mittel, um eine öffentliche Debatte anzuregen.
 

Guillaume Barazzone, Stadtpräsident von Genf und CVP-Nationalrat:
Wir alle möchten und brauchen einen dynamischen Schweizer Film! Es ist wichtig, dass die Politiker die Anliegen der verschiedenen Filmberufe verstehen und die Filmschaffenden den politischen Rahmen kennen. Es wäre gut, wenn die politischen Entscheidungsträger internationale Vergleiche anstellen könnten, damit sie besser sehen, was andere Länder für die Filmförderung tun. Daraus ergäben sich vielleicht neue Ideen und wir könnten lernen, gewisse Schwierigkeiten zu umschiffen. Früher konzentrierte sich alles auf den Bund. Mit Cinéforom hat die Romandie nun eine Filmförderungsstruktur, die es im Musik- und Theaterbereich so noch immer nicht gibt. Die Einrichtung von FiSS (Filmstandort Schweiz) ist ein weiterer positiver Aspekt. Ich finde es zwar schade, dass keine Budgeterhöhung möglich war. Das würde den Schweizer Filmtalenten neue Arbeitsmöglichkeiten bringen. Politisch äusserst wichtig ist auch die politische Diskussion rund um die SRG-Gebühr. Wenn die SRG den Schweizer Film nicht mehr finanziert, wird sie niemand in diesem Ausmass ersetzen. Wer das Gegenteil behauptet, täuscht sich oder lügt.
Die Filmbranche täte gut daran, die vor mehreren Jahren lancierte Informations- und Promotionsarbeit weiterzuführen. Sie hat bereits Früchte getragen. Die Finanzierung durch die öffentliche Hand ist entscheidend, doch unsere Produzenten sollten auch ermutigt werden, die Finan­zierungsquellen über Koproduk­tionen zu diversifizieren und einen Teil der Mittel in der Privatwirtschaft zu suchen.

 

Giovanna Garghentini Python, Mitglied im Freiburger Grossrat, SP:
Das Kino spricht alle Altersgruppen und soziokulturellen Kreise an, denn es gibt Filme für jeden Geschmack. Sie sprechen gesellschaftliche Probleme an, die für unsere politische Arbeit wesentlich sind. Die Filmkunst ist unterstützungswürdig und deren Vielfalt, Offenheit und Entdeckungsfreude sind Werte, die auch das von mir präsidierte Internationale Filmfestival Freiburg vertritt.

Die Lobbyarbeit der Branche ist noch ungenügend; ich glaube, dass zahlreiche Politiker auf Bundes- und Kantonsebene zu wenig für diese Thematik sensibilisiert sind, die damit verbundenen Probleme nicht kennen oder sich gar nicht betroffen fühlen. Meines Erachtens sollten die kantonalen Ämter für Kultur aktiv werden; noch wichtiger ist jedoch der Bund, wo am meisten Mittel vorhanden sind.

Im Freiburger Grossrat hat es, seit ich dabei bin, keine filmpolitischen Diskussionen gegeben, meist sind sie in den Kulturdebatten eingeschlossen. Die Legislative stimmt sowieso global über das kantonale Budget ab. Wollte man die Filmsubventionen erhöhen, müsste man anderswo kürzen, was kompliziert ist, oder die Einnahmen erhöhen.

 

Roger Deneys, Mitglied des Genfer Grossrates, SP:
Ich bin seit langem ein totaler Filmfan. Am liebsten hätte ich selber welche gemacht, doch das hat sich nie ergeben. Ich weiss nicht immer, was im Kino läuft, interessiere mich aber sehr für die lokale Produktion. Als Cinéforom gegründet wurde, stellten sich im Grossrat viele filmpolitische Fragen. Cinéforom finde ich eine gute Sache. Es ist wichtig, die kantonalen Gelder zusammenzuführen, vor allem wenn dann Branchenvertreter und nicht Politiker die Projekte auswählen. Cinéforom hat, wie jede neue Institution, Fragen zur Transparenz und zu den Kosten aufgeworfen, doch das ist zu Beginn normal. Ich habe die jüngsten Diskussionen zur Neuorganisation der Finanzierung in der Finanzkommission aus der Nähe verfolgt. Mir macht es immer Mühe, wenn mit wenig stichhaltigen Argumenten genau dort Mittel gekürzt werden, wo sowieso wenig vorhanden sind. Ich würde dem Film klar mehr Geld zusprechen, doch wir befinden uns in einer Situation, in der die Kultursubventionen unter Druck sind. Die politische Rechte ist relativ kategorisch, was Sparmassnahmen zulasten der Kultur betrifft. Doch der Vorwand, es habe nicht genügend Geld, gilt für sie im Strassenbau und bei Steuerreduktionen offensichtlich
nicht.
 

Anita Messere, Gemeinderätin Lausanne, SVP:
Der Film ist die volksnahe Kunstform par excellence. Ich weiss, wie hart die Arbeit und wie komplex das Umfeld ist. Ich habe einige Vorbehalte gegenüber den Produktionen aus der Schweiz, doch wenn man mich auf einen interessanten Film aufmerksam macht, dann raffe mich zu einem Kinobesuch auf, weil ich eine Patriotin bin. Wir unterstützen in der Schweiz ziemlich viele Regisseure, doch leider sind nur relativ wenige Spielfilme erfolgreich. Ich glaube, dass sich Talente auch ohne grosses Budget entfalten können, doch es gibt nicht viele davon, und die Kunstschulen sind überfüllt.
 

Patrice Zürcher, Mitglied des Neuenburger Grossrates, FDP:
Ich war schon letztes Jahr an der Soirée de l’audiovisuel indépendant romand. Der Abend hat mir sehr gefallen, besonders auch die Möglichkeit, sich mit anderen Gästen auszutauschen. Das Jahr über habe ich wenig oder gar keinen Kontakt zur Branche, abgesehen von den regelmässigen Visionierungen in der Cinémathèque suisse in Lausanne oder im Kino. Klar hängen mein Interesse für den Film und meine politische Haltung zusammen. Der Film ist kreativ und zugleich ein wirkungsvolles Mittel, Bilder zu verbreiten. Daher ist es wichtig, dass der Staat gemeinsam mit der Filmindustrie zu seiner Entwicklung beiträgt. «Ma vie de Courgette» zeigt uns, dass wir Potenzial haben und alle Akteure zum Erfolg beitragen sollten.
 

Fabienne Freymond Cantone, Stadträtin von Nyon und Waadtländer Grossrätin, SP:
Ich kann auf Gemeindeebene mehr bewirken, weil an einem lokalen Festival eine direkte Verbindung zu den Produzenten und Künstlerinnen möglich ist und den Filmen punktuell Fördergelder zugesprochen werden können. Auf Kantonsebene ist der Film einer von vielen Budgetposten, und die Ratsmitglieder spielen eine untergeordnete Rolle. Ein für alle zugängliches Filmschaffen ist für mich essenziell: Es ist von grosser regionaler Bedeutung, auch dank einer Vielzahl von Filmanlässen, von Kinos und Ciné-clubs in verschiedenen Gemeinden. Das ist doch typisch schweizerisch: Man liebt das Lokalkolorit und braucht keinen Gigantismus.

▶  Originaltexte: Französisch

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