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Das Ende der punktuellen Beiträge

Pascaline Sordet
25. Juli 2016

Die Finanzhilfen für einmalige Projekte gibt es nicht mehr. Die Kürzung des Bundesamts für Kultur betrifft auch die Filmfestivals, die damit Spezialanlässe finanziert haben – aber es betrifft nicht alle gleichermassen.

Von Pascaline Sordet

Ende Juni gab das Bundesamt für Kultur bekannt, es werde in den nächsten vier Jahren neun Filmfestivals weiterhin unterstützen. Der Tonfall ist positiv, die Mitteilung kündigt eine Erhöhung der Jahresbeiträge um 3% an, was in Zeiten der Finanzengpässe bemerkenswert ist. Betrachtet man jedoch die Gesamtheit der Subventionen an die Festivals und die vorgesehenen Kürzungen des Gesamtbudgets des Bundes, so bleiben die Unsicherheiten bestehen. Die Leistungsvereinbarungen sind nicht die einzige Quelle, die die Festivals beim Bund anzapfen können: In den letzten Jahren profitierten sie auch von Finanz­hilfen für einmalige Projekte. Zum Beispiel konnten die Kurzfilmtage Winterthur damit den «Producers’ Day» und das Neuenburger Festival des Fantastischen Films das Symposium «Imaging the Future» finanzieren. Nun müssen diese beiden Anlässe andere Finanzierungsquellen finden, denn seit 1. Juli gibt es dieses Förderinstrument nicht mehr.

Ivo Kummer teilt mit, der Bundesrat habe im Rahmen seines Stabilisierungsprogramms beschlossen, gewisse Unterstützungen zu streichen. Diejenige für einmalige Projekte der Festivals habe nicht in die neuen Leistungsvereinbarungen integriert werden können, da die Mittel des BAK beschränkt seien. Der Bund muss nämlich in Zukunft 1 Milliarde Franken pro Jahr einsparen, und da kommt auch der Kulturbereich nicht ungeschoren davon. In einem Interview mit der Zeitung 24heures Anfang Jahr sagte die BAK-Direktorin Isabelle Chassot, dass trotz der relativ stabilen Situation «für mehrere Bereiche innerhalb des BAK keine Erhöhung möglich war. Aufgrund der linearen Kürzung werden sie sogar einen leichten Rückgang hinnehmen müssen.» Und weiter: «Wenn man noch mehr Einsparungen von uns verlangt, soll man uns sagen, worauf wir verzichten müssen.» Die Finanzlage ist keinesfalls dramatisch, doch zeichnet sich momentan sicher kein Trend nach oben ab.

Eine Anlaufstelle schliesst

Nicht alle Festivals beanspruchten die einmaligen Finanzhilfen, dennoch wird diese Anlaufstelle einigen fehlen. Das NIFFF hat sich als einziges Festival in der Presse dazu geäussert und darauf hingewiesen, dass die zusätzliche Unterstützung während vieler Jahre die Organisation von Parallelveranstaltungen ermöglichte und dass sich trotz der zugesicherten Subvention von 150ʼ000 Franken pro Jahr nach Abzug der einmaligen Finanzbei­träge unter dem Strich eine Reduktion der Gesamtsubvention ergibt. Cyrille Dos Ghali, Administrativdirektor des Festivals, versteht den Entscheid der Sektion Film nicht: «Wir hatten ein sehr bescheidenes Gesuch eingereicht und baten lediglich um den Einschluss der einmaligen Finanzhilfen in die neue Vereinbarung sowie um eine leichte Erhöhung. Wir wollen keinen Konkurrenzkampf mit den anderen Festivals, doch wir fragen uns, welche Kriterien gelten: Niedrigere Besucherzahlen? Schwaches Echo in der Presse? Weniger Ausstrahlung? Und wie misst man das? Der Entscheid entbehrt jeglicher objektiven Grundlage.»

Ivo Kummer bestreitet nicht, dass sich die Lage für einige verschlechtert: «Die Filmfestivals, die eine Leistungsvereinbarung mit dem BAK haben, erhielten 2016 Finanzhilfen für ein einmaliges Projekt in Höhe von insgesamt 125ʼ615 Franken (der Betrag schwankt von Jahr zu Jahr). Unter dem Strich beträgt die Differenz zwischen 2016 und 2017 minus 28ʼ615 Franken, wenn man die einmaligen Finanzspritzen mitrechnet.» Remo Longhi, der administrative Leiter der Kurzfilmtage Winterthur, ist diplomatisch und ist vorerst dankbar, dass die Leistungsvereinbarung seinem Festival jährlich 20ʼ000 Franken mehr zuspricht. «Doch wenn man die lineare Kürzung und die Streichung der Finanzhilfen für einmalige Projekte mitrechnet, gibt es praktisch keine Änderung», fügt er hinzu. Die berüchtigte lineare Kürzung betrifft alle Bundesämter und entspricht einer Reduktion von 3% auf sämtliche Unterstützungsbeiträge. So wird Winterthur von den angekündigten 160ʼ000 Franken nur 155ʼ200 Franken erhalten.

Gleichbehandlung für alle?

Für die wichtigsten Festivals ist die Streichung der punktuellen Beiträge nicht wirklich ein Problem. Locarno habe gar nie darum ersucht, sagt der Geschäftsleiter Mario Timbal. «In Anbetracht der Finanzlage des Bundes zeugt eine Zusage von über 1,5 Millionen von insgesamt 3 Millionen von grossem Vertrauen», sagt er. Auch wenn die gewünschte Erhöhung nicht gewährt wurde, erhält das Filmfestival Locarno allein schon fast die Hälfte der Bundessubventionen für Festivals. Was die Parallelprogramme betrifft – insbesondere jene, die sich an die Branchenleute richten – so machen hier die Media-Ersatzmassnahmen den Unterschied aus: «Locarno erhielt für seine Industry-Anlässe Geld von Media. Das BAK zahlt diese Beiträge nun via Media Desk weiter.» Das sind zusätzliche Bundesgelder für das Festival aus einem Budget, das mit Mitteln gespeist wird, die nicht mehr ins europäische Programm fliessen und die nicht in der Leistungsvereinbarung integriert sind.

Doch im Fall von Visions du Réel sind die Beiträge der Ersatzmassnahmen Bestandteil der Leistungsvereinbarungen. «Wer weiss weshalb?», seufzt Philippe Clivaz. Er ist dankbar für die Unterstützung durch das BAK, doch der Geschäftsleiter des Festivals in Nyon sieht das Problem darin, dass nicht alle gleich behandelt werden. Er zieht daraus keine Schlüsse, weist jedoch auf die Ambivalenz eines Systems hin, das zwar seine Finanzhilfen aufeinander abstimmt– «was lobenswert ist» – hinsichtlich der Details aber undurchsichtig bleibt.

Mehr Transparenz, weniger Flexibilität

Doch nicht alle teilen diese gemischten Gefühle. Die Direktorin der Solothurner Filmtage, Seraina Rohrer, freut sich über die vereinheitlichten Vereinbarungen: «Ich finde es gut, dass die Finanzspritzen für Einzelprojekte, die jedes Jahr wiederholt werden, in die Leistungsvereinbarungen integriert werden. Das macht die Unterstützungsbeiträge transparenter.» Die Subvention für die Solothurner Filmtage wurde übrigens nicht erhöht, doch das Festival erhielt substanzielle Zusatzbeiträge für das Jubiläumsjahr 2015 sowie für ein Transmedia-Projekt, das auch von Pro Helvetia unterstützt wurde.

Die Festivaldirektorin weist allerdings darauf hin, dass die Vereinbarungen unverändert für vier Jahre gelten, während Sonderanlässen nicht immer eine so langfristige Planung erlauben, zumal sich die Technologie und der Verleih sehr rasch verändern, was bei Branchentreffen immer wieder mal thematisiert werden muss: «Für diese Entwicklungen wären beschränkte punktuelle Unterstützungen schon sehr nützlich.» Die Antwort auf diesen Einwand ist in Bern noch hängig, da unklar ist, ob für die Festivals in die Kasse der digitalen Kultur oder in jene für Kulturanlässe gegriffen werden kann: «Diese Frage können wir noch nicht beantworten», sagt Ivo Kummer, «denn das BAK ist immer noch damit beschäftigt, diesen Unterstützungsmechanismus richtig aufzugleisen.»

Der Verein «Conférence des festivals» hat nicht offiziell Stellung bezogen, sondern das Bundesamt per Mail um eine transparentere Kommunikation gebeten. Philippe Clivaz, der diesen Verband präsidiert, findet es problematisch, bei den Leistungsvereinbarungen von einer Erhöhung zu sprechen: «Die Filmbranche ist der Ansicht, dass es nicht genügend Geld für den Film gibt; wenn nun das BAK eine Erhöhung für die Festivals ankündigt, wird es unter den Produzenten und Verbänden niemanden geben, der das Begehren der Festivals nach einer Realerhöhung unterstützt.»

Der Entscheid, die Beiträge für einmalige Projekte zu streichen, wurde schon im Januar bekannt gegeben. Mehrere Festivals befürchteten damals, ihre Finanzierung werde nun schwieriger werden, und jetzt, da die Ergebnisse der Leistungsvereinbarungen bekannt sind, kommen Fragen auf. Mario Timbal erhofft sich «mehr Klarheit in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Festivals», und Cyrille Dos Ghali möchte einen vollständigen Überblick über die Subventionen, die den Festivals in den letzten Jahren ausbezahlt wurden. Die Pressemitteilung erwähnt die Streichung der punktuellen Finanzhilfen nirgends, daher ist es nicht falsch, in Bezug auf die Vereinbarungen von einer Erhöhung zu sprechen. Eine grosszügige Auslegung könnte sein: Wenn beim Bundesbudget gesamthaft gespart werden muss, so kann eine Stärkung der Festivals über Leistungsvereinbarungen ein Weg sein, deren Finanzierung zumindest bis 2020 zu sichern.

 

 

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