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Damit die Urheber nicht leer ausgehen


03. Januar 2018

Der Revisionsentwurf zum Urheberrechtsgesetz versucht, sich einer Realität anzupassen, die sich unvermeidlich schneller entwickelt als der politische Prozess.

Von Pascaline Sordet

Der Bundesrat will das Urheberrecht modernisieren.  Im November hat er im Hinblick auf die Parlamentsdebatte im kommenden Jahr einen zweiten Revisionsentwurf veröffentlicht. Die Notwendigkeit des grossen Unterfangens, mit dem sich Kommissionen in Arbeitsgruppen seit fünf Jahren befassen, wird von niemandem bestritten. Mit Ausnahme der Nutzer sind alle beunruhigt über die Piraterie und über das Ungleichgewicht zwischen der zunehmenden Online-Nutzung und den geringen Erträgen, die für die Kulturschaffenden daraus resultieren.
 

Entwurf geht nicht weit genug

Der bundesrätliche Text geht das erste dieser beiden Probleme konkret an, will aber die Konsumentinnen und Konsumenten keines­falls kriminalisieren. Der Bundesrat setzt auf die Selbstregulierung und arbeitet mit den Internet-Service-Providern zusammen, die künftig urheberrechtsverletzende Inhalte auf ihren Servern rasch entfernen müssen. Ausserdem müssen sie sicherstellen, dass beanstandete und von ihnen entfernte Inhalte (Take Down) auch entfernt bleiben (Stay Down). Das ist ein Schritt in die richtige Richtung; gegen die grossen Piraterie-Plattformen ausländischer Internet-Provider hilft das aber nicht.

Was die Urheberrechtsvergütung betrifft, so geht der Revisionsentwurf nicht weit genug, wie Swisscopyright, der Verbund der Verwertungsgenossenschaften, betont: «Das Hauptproblem der Digitalisierung für die Urheber bleibt weiterhin ungelöst. Die Wertschöpfung finanziert eine mächtige Internetindustrie dank Erträgen aus Werbung und Nutzungsdaten. Die Wertschöpfung geht aber an den Kulturschaffenden und Inhaltsproduzenten ganz vorbei.» Dieses Problem hat sowohl für die Musik als auch für den audiovisuellen Bereich gesetzgeberisch Priorität. Der Bundesrat versichert jedoch, für die Urheberinnen und Urheber in der Schweiz sei das Problem etwas weniger schlimm als an anderen Orten der Welt, denn die Betreiber von VoD-Plattformen in der Schweiz bezahlten freiwillig  Urheberrechtsvergütungen.
 

Die Lücke in der Wertschöpfung

Das Problem des Value Gap – die Wertschöpfung fliesst nicht bis zu den Urhebern, also bis zum Drehbuchautor, zur Regisseurin oder zum Produzenten – zeigt sich besonders deutlich bei Unternehmen, die sich in erster Linie als Vermittler sehen. «Lange behaupteten sie, keine Verantwortung zu tragen, sondern nur als Plattformen zu dienen zwischen jenen, die produzieren, und jenen, die konsumieren. Dabei ist es klar, dass YouTube editorisch tätig ist. Dasselbe gilt für die sozialen ­Netzwerke: Auch sie sind keine «Durchlaufrohre», argumentiert Jürg Ruchti, Direktor der SSA. Andere Stimmen kontern, dass gerade wegen der Nichtentschädigung der Urheber  die Unentgeltlichkeit erhalten bleiben und deswegen die Innovation gedeihen könne. Allerdings erzielen die Riesen der Digitalindustrie nicht Gewinn aus dem Handel mit den kulturellen Inhalten; ihr eigentliches Ziel sind die Daten der Nutzerinnen und Nutzer, beziehungsweise der Werbemarkt. «Amazon bietet  VoD nicht an, um damit Geld zu verdienen, sondern um die Leute auf ihre kommerzielle Website zu locken». Eine Logik, die nicht neu ist, hat doch der Journalismus lange von Kleinannoncen und Inseraten gelebt.
 

Firmensitz oder Territorium

Was die SSA erhoffte und die Verwertungsgesellschaften in ganz Europa verlangen, ist ein Vergütungsanspruch, der erstens vertraglich nicht abgetreten werden kann, der zweitens nicht vom  Sitz des Unternehmens abhängig ist, sondern von Territorium, auf dem die Inhalte angeboten werden, und der drittens zusätzlich zu den bestehenden Rechtsansprüchen gilt. Diese grundlegende Veränderung würde der internationalen Natur des digitalen Angebots und einer Harmonisierung auf europäischer Ebene Rechnung tragen. Das dürfte «einen besseren Umlauf von Werken und Vergütungen innerhalb unseres Kontinents ermöglichen und die Vormacht von US-Angeboten bekämpfen, die alle anderen Produktionen bedrängen», sagt der Direktor der SSA. In anderen Geschäftsbereichen beugen sich die Unternehmen den nationalen Bestimmungen, wo immer sie tätig sind – von der Warenkennzeichnung bis zur Mehrwertsteuer. Weshalb gilt dies nicht für Online-Anbieter?

Obwohl somit das Vergütungsrecht als noch unzureichend beurteilt werden muss, bekräftigt der Bundesratsentwurf die Praxis in der Schweiz und will sie gesetzlich fixieren, damit alle auf dem Schweizer Markt tätigen Betreiber von VoD-Plattformen eine Vergütung bezahlen müssen, die direkt den Urheberinnen und Urhebern zukommt. Das ist ein Schritt nach vorn, und Swisscopyright unterstützt den vom Bundesrat vorgelegten Kompromiss. Die Fortsetzung folgt im Parlament im kommenden Jahr.

 

Die Schweizer Musterschüler

Schweizer Unternehmen, die Filme auf Abruf anbieten, haben mit den Ur­hebern bereits Lösungen gefunden.

Die SRG war in der Schweiz das erste Unternehmen, das auf ihrer Website das frei zugängliche Streaming von Filmen anbot. Mit ihr handelte die SSA ab 2004 die ersten Verträge für VoD aus, für die Radiodokumentationen sogar noch ein bisschen früher. Für sein lineares Angebot hatte das Fernsehen bereits Urheberrechtsvergütungen bezahlt.

LeKino.ch, eine unabhängige Schweizer Plattform der Gruppe EuroVOD, hatte  mit der SSA  ebenfalls über die Abgabe einer Urheberrechtsvergütung auf Grund der Anzahl Schweizer Filme im Angebot verhandelt. Als Beispiel: Von den 6.50 Franken für die Filmmiete werden zuerst Spesen für den Zahlungsverkehr und die MwSt. abgezogen, dann die Urheberrechtsvergütungen. Das restliche Geld wird dann zwischen der Plattform und den Rechteinhabern, das heisst den Verleihern und Produzenten, aufgeteilt.

Auch artfilm.ch bietet seit der Umwandlung in eine VoD-Plattform Schweizer Filme im Streaming an. 2009 hat artfilm.ch mit Suissimage und SSA für Filmrechte, und für Musik mit SUISA,  Vergütungsverträge für Urheber vereinbart. Bei diesem ausschliesslich schweizerischen Katalog gehen 6% der Bruttoeinnahmen über die SSA an die Urheber und 2,2% via die SUISA an die Komponisten.

Jürg Ruchti bestätigt zudem, dass die SSA bald mit sämtlichen Schweizer Internetbetreibern  Verträge abschliessen wird. Dabei soll der gesamte Markt abgedeckt werden – unabhängige Plattformen, nicht-lineares Angebot der Fernsehsender und Kabelbetreiber also –, auch wenn Ruchti nicht über laufende Verhandlungen reden kann. Der Bereich sei noch jung, es gebe enorm viele Akteure unterschiedlichster Grösse. «Manchmal entdeckt man eine Plattform erst, nachdem sie lanciert wurde und weiss gar nicht, woher die Filme kommen. Die Komplexität hinter dem Sichtbaren wächst, das Angebot scheint sich aus mehreren Katalogen zusammenzusetzen.»

Wo es in einem Land keine Kollektivverwertung der Urheberrechte gibt, ist der Produzent für die Bezahlung von Vergütungen zuständig; je nach Vertrag ein bestimmter Prozentsatz pro Kauf oder eine einmalige Zahlung. Unser System der Rechtewahrnehmung  ist nicht die Regel; es stammt aus den lateinischen Ländern Frankreich, Italien, Spanien. In Deutschland und Österreich existiert das so nicht. «Die Urheber müssen also sehr aufmerksam sein, wenn sie den Vertrag mit dem Produzenten unterzeichnen». 

  Originaltext: Französisch

Bild: Nicolas Cage in «Adaptation» von Spike Jonze

 

 

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