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Filmclubs: Kultur nach Mass

Laurine Chiarini
11. Februar 2021

Welche Rolle spielen Filmclubs in einer Zeit, in der wir einfacher denn je von zu Hause aus auf Tausende von Filmen zugreifen können? Um ihr Weiterbestehen zu sichern, müssen sie sich an Bedürfnisse des Publikums anpassen.

Streaming ist kein Ersatz für das Gemeinschaftserlebnis im Kino und beunruhigt die Filmclubs deshalb nicht über die Massen. Anders sieht es mit der Coronakrise aus, deren Tragweite für die Kinos hängt stark von deren Struktur ab: Ein Kino wie das Oblò in Lausanne, das vor allem auf Freiwillige setzt und geringe Fixkosten hat, wird wahrscheinlich nicht untergehen. Für einen Verein wie den CityClub hingegen, der sich zu mehr als zwei Dritteln über Eintrittsgelder finanziert, «könnte die Situation sehr schwierig werden, wenn die Schliessung noch länger andauert und keine ausreichenden Unterstützungsgelder fliessen», erklärt Nicolas Wittwer besorgt.

Während die Besucherzahlen in den Schweizer Independent-Kinos seit Jahren rückläufig sind, sieht es für die Zukunft der Filmclubs gut aus: Der Filmclub der Universität Genf erfreut sich seit 2018 zunehmenden Interesses und zählte vor der Pandemie 100 bis 200 Besucherinnen und Besucher pro Vorführung, unter ihnen rund die Hälfte Nicht-Mitglieder. Auch das CityClub in Pully bei Lausanne hat seine Besucherzahlen seit 2011 laufend gesteigert. 

 

Altersgerechte Angebote

Filmclubs sind ein wesentlicher Bestandteil der Kinokultur. In der Schweiz gibt es sie seit den 30er-Jahren. Heutzutage sind sie meist an lokale Gemeinschaften wie Universitäten oder Pfarreien gebunden oder richten sich, wie die Zauberlaterne oder Ciné-Seniors, an eine spezielle Altersgruppe.

Eines der Merkmale dieser Filmclubs ist die Begleitung des Publikums, die virtuell nur schwer umzusetzen ist. Vor jeder der neun jährlichen Vorführungen der Zauberlaterne erhalten die jungen Mitglieder eine Zeitschrift mit Informationen zum Film. Zudem gibt es vor jedem Film eine interaktive Einführung, um den Kindern das Kino auf spielerische und didaktische Weise näherzubringen. Bei Ciné-Seniors wird das Programm in Zusammenarbeit mit jedem Partnerkino ausgearbeitet, und die Vorführungen finden nachmittags statt. Nach den Filmen, die zuweilen vom Regisseur oder der Regisseurin präsentiert oder mit einer Diskussionsrunde ergänzt werden, gibt es immer einen Imbiss. So bietet Ciné-Seniors weit mehr als nur einen Kinobesuch: «Begegnungen und Geselligkeit stehen bei Ciné-Seniors im Vordergrund, denn wir wollen auch Leute zusammenbringen», sagt Véronique Garcia, Programmverantwortliche bei Pro Senectute.

 

Kenne dein Publikum

Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Filmclubs ist die Anpassung des Programms an das Publikum. Dies setzt voraus, dass man sein Publikum gut kennt, wie Nicolas Wittwer, Kommunikationsverantwortlicher bei CityClub in Pully, bestätigt: «Gewisse Clubmitglieder sind uns seit Jahren treu, wir kennen sie also gut. Wir nehmen die Rückmeldungen der Zuschauerinnen und Zuschauer ernst und versuchen, sie bei der Programmgestaltung zu berücksichtigen.» Das Kino, das hauptsächlich von Leuten aus der Umgebung besucht wird, hat es verstanden, sich anzupassen: Es bietet unter anderem ein Seniorenprogramm und einen Club für Kinder ab drei Jahren an. Zudem organisiert es in seinen Räumlichkeiten auch Konzerte, um das Angebot zu erweitern und ein jüngeres Publikum anzusprechen.

Je weiter ein Filmclub von den grossen Ballungszentren entfernt ist, desto breiter muss sein Programm im Allgemeinen sein, um allen gerecht zu werden. Als einziges Kino der Vallée de Joux im Waadtländer Jura bietet das La Bobine in Le Sentier sieben verschiedene Sektionen für verschiedene Altersgruppen und zu unterschiedlichen Themen an. Die Umgebung beeinflusst also das Programm: Im internatio­nalen Genf hat jeder der neun Filmclubs der Cinémas du Grütli seinen eigenen Themenbereich und sein eigenes Publikum. So gibt es einen italienischen und einen israelitischen Filmclub sowie einen Filmclub des Universitätsspitals. Diese hochspezialisierten Clubs zeigen Filme, die anderswo nicht zu finden sind – auch nicht via Streaming – und vereinen Menschen mit gemeinsamen Interessen.

 

Nach dem Sturm

Bis zur hypothetischen Rückkehr zum Normalzustand haben die Filmclubs sich organisiert. Das CityClub bietet derzeit Filme über die Online-Plattform Vimeo und Konzerte im Livestream an, sowie eine Playlist der Musikerinnen und Musiker, die im Saal gespielt haben. Die Zauberlaterne bietet ihren Mitgliedern den interaktiven Animationsfilm «Die Katze, die einen Film machen wollte», einen Comic-Strip und digitale Spiele. Die von Januar bis März geplanten Vorführungen finden online statt. Andere Filmclubs von Zürich bis Genf haben ihre Türen geschlossen, bis der Sturm vorüber ist.

Alles ist nun eine Frage der Zeit: Es geht nicht so sehr darum, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer wiederkommen werden. Experten sind sich einig, dass dies der Fall sein wird. Die grosse Frage ist vielmehr, wann und in welchem Zustand die Schweizer Kinos ihre Türen wieder öffnen können.

▶  Originaltext: Französisch

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