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Anreize schaffen

Teresa Vena
12. Januar 2024

Simulation der Wiener Studios. © hq7studios/artfabrik

Anfang 2023 reformierte Österreich sein Anreizmodell für Filminvestitionen. Wie erfolgversprechend sind solche Massnahmen überhaupt? 

Es hat für eine gewisse Aufregung gesorgt, als an der letzten Berlinale Österreichs neue Fördergefässe Fisa+ (für TV- und Streaming-Projekte) und ÖFI+ (für Kinofilme) vorgestellt wurden. Fortan können in- wie ausländischen Produktionen, die sich verpflichten, eine Mindestanzahl von Drehtagen in Österreich zu absolvieren, Zuschüsse von bis zu 35 Prozent erhalten.

Über die letzten zehn Jahre hinweg haben sich die europäischen Länder mit der Anpassung ihrer Anreizsysteme für Investitionen in den Filmsektor überschlagen. Die aktuelle Studie zur Zukunft der öffentlichen Filmförderung in Europa des schwedischen Instituts Film i Väst nennt es einen «Krieg» oder, etwas freundlicher, ein «Rennen». Wer bietet die besten Konditionen, um nicht nur ausländische Firmen anzuziehen, sondern auch um heimische daran zu hindern, abzuwandern?

 

Steueranreize

Zuschüsse von bis zu 35 Prozent, wie in Österreich, liegen an der oberen Grenze. Die meisten anderen Länder geben zwischen 20 und 30 Prozent (Die Kanaren sind mit 50 Prozent Ausreisser). Realisiert werden die finanziellen Vorteile überwiegend in Form von Steuererleichterungen. In der Regel handelt es sich um drei Grundmechanismen steuerlicher Anreize. 

Steuervergünstigungen, englisch unter dem Begriff «Tax Shelter» laufend, richten sich an Firmen oder Personen, die üblicherweise nicht aus dem Filmsektor stammen. Sie sind aber kapitalkräftig und sollen zur Kulturförderung animiert werden, indem ihre Investitionen zu einem festgelegten Prozentsatz von ihrem versteuerbaren Einkommen abgezogen werden können. Ein ähnliches Prinzip sind die Steuergutschriften, «Tax Refund», die sich an Produktionsfirmen richten. Ein Prozentsatz der Herstellungskosten wird zurückerstattet und mit der Steuerschuld des Produzenten verrechnet. Als drittes Mittel kann ein errechneter Anteil der Produktionskosten in Form von direkten Zuschüssen, «Cash Rebates», den Produzenten ausbezahlt werden. Bezugsberechtigt sind immer nur Personen oder Firmen mit Sitz im jeweiligen Land, und als Basis dienen immer die Kosten, die vor Ort entstanden. 

Das System funktioniert deswegen, weil man davon ausgeht, dass die Produktionen auf dem Territorium mehr investieren, als der Staat mit seinen direkten und indirekten Zuschüssen ausgibt. Wie auch der Bericht «Steuerliche Anreize und ihre Auswirkung auf die Produktion von Filmen und audiovisuellen Werken in Europa» von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle von 2014 zeigt, lassen sich die reinen Gewinne für ein Land nicht genau und nicht immer pekuniär definieren. Trotzdem geht man von einem Plus an Steuereinnahmen von 20 bis 25 Prozent aus, gepaart mit einer Senkung der Kosten für Sozialleistungen, da der Beschäftigungsgrad ansteigt.

Gerade für hochpreisige Länder, wie auch die Schweiz, gilt es, mit solchen Massnahmen den eigenen Markt zu schützen und die Abwanderung von Fachwissen und Kapital zu verhindern. Teilerfolge konnten mit der Einführung der Filmstandortförderung (FiSS) erzielt werden. Um ausländische Produktionen anzulocken, reichen aber die auf 20 Prozent (für minoritäre Koproduktionen 40 Prozent) angelegten Zuschüsse offensichtlich nicht. 

 

Steigerung des Produktionsvolumen

Die österreichischen Bemühungen sollen sich schon nach einem Jahr ausgezahlt haben. Das Produktionsvolumen (gemäss Wirtschaftsministerium haben 32 Projekte 26 Millionen Zuschüsse erhalten und 261 Millionen umgesetzt) sei markant gestiegen und die Auslastung der örtlichen Infrastruktur sei dermassen gewachsen, dass man zuversichtlich auf die Inbetriebnahme der neu gebauten Studioanlage in Wien blicke, erklärt Arie Bohrer, Leiter der «FILM in AUSTRIA», der österreichweiten Film Commission. HQ7 heisst die Anlage, die aus zwei ungefähr 6500 und 3200 Quadratmeter grossen Studios besteht. Ihre Grösse ist online in Fuss statt Metern angegeben, was  die Aussage von Bohrer bekräftigt, dass sich, nach Deutschland, vor allem Unternehmen aus den USA und Grossbritannien für den Standort Wien und Koproduktionen mit Österreich («Kafka», «The Followers», «Vienna Blood») interessierten. Auch konnte man erreichen, dass heimische Produktionen weniger auf ungarische oder tschechische Studios auswichen. 

Erwartet werden neben den materiellen auch immaterielle Vorteile: Durch das Wachstum der Gesamtbranche vermehrt sich das Wissen aus Erfahrung und vergrössern sich die Möglichkeiten beruflicher Qualifikation. Durch Synergien mit anderen Märkten lässt es sich auch dem Fachkräftemangel begegnen. Wichtig ist dann aber auch, dass die eigenen Kapazitäten in Bezug auf Infrastruktur und Fachkräfte dem Bestreben nach Wachstum entsprechen müssen. Entsteht eine Marktverknappung, steigen die Kosten wieder. 

Man kann es seltsam finden, dass die Staaten Filmpolitik über Steuernachlässe betreiben wollen. In der Schweiz ist der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Beherbergungsbranche eine interessante Parallele. Dem neu gegründeten Verband Cinéconomie sollten sich jedenfalls nach diesem Schema mehr Möglichkeiten bieten, um für den Film als Wirtschafts-, Tourismus- und Kulturbranche aktiv zu werden.

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