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Am Rande dabei: die Schweizer

Kathrin Halter
25. Juli 2016

Zweite Runde von «Alliance for Development»: Die Plattform an den Industry Days hilft ausgewählten Projekten bei der Stoffentwicklung und bringt mögliche Partner zusammen. 

Von Kathrin Halter

Anschluss finden, Kontakte knüpfen, euro­päische Produzenten und Förderer aus dem Ausland treffen: Darauf sind Schweizer Filmschaffende seit dem Ende des Media-Abkommens besonders angewiesen. Das Furchtgespenst heisst, trotz Media-Ersatzmassnahmen, immer noch Isolation in Europa, ein Mangel an Austausch, durchlöchterte Netzwerke und handfeste Nachteile bei der Vermittlung, der Distribution, dem Verkauf von Schweizer Filmen ins Ausland. Hinzu kommt jetzt noch der Brexit, der es für die Schweiz, so vermutet es nicht nur Corinna Marschall vom Media Desk Schweiz, «wirklich nicht vereinfachen wird». Umso wichtiger also auch professionell arrangierte Zusammentreffen. 

Eine solche Gelegenheit bietet «Alliance for Development», organisiert von den Industry Days in Zusammenarbeit mit den drei natio­nalen Förderinstitutionen Centre natio­nal du cinéma et de l’image animée (CNC, Frankreich), Ministero dei beni e delle attività culturali e del turismo (MiBACT, Italien) und der deutschen Filmförderungsanstalt (FFA). Das Bundesamt für Kultur unterstützt die Plattform via Media-Ersatzmassnahmen. 

Worum geht es? Während dreier Tage stellen insgesamt zwölf Teams (Produktion und Regie) ihre Projekte vor und diskutieren diese mit Geldgebern, europäischen Produzenten, Verleihern, Kinobetreibern und Word Sales. Die Projekte sind noch in einem frühen Entwicklungsstadium, oft existiert erst ein Treatment. Neun Projekte stammen aus Deutschland, Frankreich oder Italien und wurden durch die bilateralen Projektentwicklungsfonds zwischen den drei Ländern gefördert, drei Projekte stammen aus der Schweiz. Das ist neu: Beim Pilotprojekt letztes Jahr waren noch keine Schweizer dabei. Was zeichnet die zweite Ausgabe sonst noch aus und was bringt die Veranstaltung den Teilnehmern? 

Das Pitching 

Leiterin der Industry Days, Nadia Dresti, begreift «Alliance for Development» primär als Diskussionsplattform, nicht als Koproduzetentreffen – davon gebe es schon genügend, sagt sie. In individuell arrangierten Treffen erhalten die Teilnehmer von Geldgebern, Verleihern oder Kinobetreibern ein Feed­back und können so nicht zuletzt das sogenannte «Marktpotential» ihrer Projekte testen. Wo­möglich finden sich auch neue Partner für Koproduktion oder Auswertung. Zuviele Projekte würden realisiert, die zu wenig gut entwickelt worden sind, sprich: auf unausgereiften Drehbüchern basieren, so Dresti. Dabei liesse sich im frühen Stadium noch vieles verbessern oder ganz neu aufgleisen. Das wäre umso wichtiger, als immer mehr Filme entstehen, die schliesslich weder im Kino laufen noch auf VoD angeboten werden. Ironischerweise erinnert nicht zuletzt das Filmfestival Locarno selber an diesen Umstand: Mehrmals haben Filme den Wettbewerb gewonnen, die bei uns anschliessend gar nicht im Kino zu sehen waren.  

Aber macht es Sinn, beim Treatment schon an die Distribution zu denken? Und kann man das überhaupt? Corinna Marschall dazu: «Wir legen Wert darauf, dass sich unsere Antragsteller schon früh über die potentielle Auswertung und das Publikum Gedanken machen. Es geht nicht darum, dass ein Film zum Blockbuster umgeschrieben wird. Man kann sich auch darüber Gedanken machen, wie man ein bestimmtes Nischenpublikum erreicht.» Auch Ideen für das Casting oder Unterstützung bei der Locationsuche können sich aus den Gesprächen ergeben, so Peter Dinges von der FFA in «Blickpunkt Film». 

Der Fonds und das Fehlen der Schweiz

Die Nachbarländer haben in den letzten Jahren bilaterale Ko-Developmentfonds aufgebaut. So stehen dem Deutsch-Französischen Projektentwicklungsfonds seit 1. September 2015 200ʼ000 Euro für die Entwicklung neuer Projekte zur Verfügung (FFA und CNN beteiligen sich zur Hälfte). Für «Alliance for Development» wurden denn auch lauter europäische Projekte ausgewählt, die von den drei Fonds gefördert (und in Locarno weiterent­wickelt) werden.

Da ist die Schweiz weniger gut aufgestellt: Unser Land beteiligt sich an keinem solchen Fonds – und hat seit kurzem bekanntlich auch keine Treatmentförderung mehr. Immerhin kommt vom BAK, im Rahmen der Media-­Ersatzmassnahmen, seit 2014 die Entwicklungsförderung in der Höhe von circa einer Million Franken pro Jahr. Nadia Dresti wie Corinna Marschall hoffen denn auch, dass sich die Schweiz dereinst ebenfalls an einem solchen Fonds beteiligt. 

Die drei Schweizer Teilnehmer wurden vom Media Desk Schweiz in Absprache mit dem BAK aus einem Pool von Projekten ausgewählt, die für eine Projektentwicklungs­förderung im Rahmen der Ersatzmassnahmen  eingegeben haben. Das sind Projekte für majoritäre (Ko-)Produktionen, die ein Treatment oder Drehbuch haben, noch mindestens acht Monate vor Drehstart sind und sich für eine internationale Auswertung eignen. Die ausgewählten Projekte mussten noch auf der Suche nach einem Koproduzenten in Frankreich, Deutschland oder Italien sein. Das Auswahlverfahren werde nächstes Jahr allenfalls noch verfeinert. 

Der private Charakter von Locarno

Einer der Eingeladenen aus der Schweiz ist Tolga Dilsiz, Mitglied des Filmkollektivs 8horses und Produzent von «Taub» (Arbeitstitel), dem neuen Film von Tobias Nölle. Was erwartet Dilsiz von der Plattform? Man möchte vor allem Leute kennenlernen, nicht gleich Verträge abschliessen, so Dilsiz. Für Feedbacks und Anregungen seien sie immer offen, «Austausch tut immer gut». So war das Team schon an verschiedenen Film­anlässen, auf dem «CineMart» in Rotterdam, an der Berlinale oder in Cannes. Mit Pandora Film hat «Taub» bereits einen renommierten Koproduzenten aus Deutschland, Schweizer Produzent ist Hugofilm (Chris­tof ­Neracher). Man halte die Türe immer offen für mögliche Koproduzenten, sagt Dilsiz, wenn es für das Projekt Sinn macht. Gleichzeitig behält man sich beim Film­kollektiv 8horses vor, Autorenfilme in grösst­möglicher kreativer Freiheit zu entwickeln. Bevor man «nach draussen» gehe, so Dilsiz, wird ein Drehbuch zuerst innerhalb des Kollektivs diskutiert, eine weitere Besonderheit ihrer Arbeitsweise. Von «Taub», einem «poetischen Actionthriller» über einen Polizisten, der sein Gehör verliert, existiert ein fortgeschrittenes Treatment. Um die Projektentwicklung auszu­finanzieren, hat man bei den Media Ersatzmassnahmen eingereicht. Unterstützt wurde «Taub» bisher von der Zürcher Filmstiftung. 

Dass Nölle und Dilsiz an die Industry Days eingeladen wurden, hat sie sehr gefreut – Locarno nutze man sowieso immer. Obwohl international bestens vernetzt und gut be­sucht, habe Locarno im Vergleich zu den gros­sen Festivals einen viel privateren, intimeren Charakter. Hier sei es eben viel einfacher, Leute zu treffen – auch weil die Terminkalender nicht so voll sind. Allerdings haben dies noch lange nicht alle begriffen: Sie habe nie verstanden, weshalb die Schweizer Verbände ihre Sitzungen ausgerechnet während des Festivals abhalten, sagt Nadia Dresti. «Da könnte man Leute aus der ganzen Welt treffen – und die Schweizer bleiben untereinander. Das ist verrückt!» Überhaupt empfielt die Leiterin der Industry Days, mehr zu reisen und an Festivals Kontakte zu knüpfen. 

 

Die Schweizer Teilnehmer bei «Alliance for Development»:
Aude Py (Regie) und Britta Rindelaub (Produzentin Alva Film) mit «Les ombres rouges»
Dodo Hunziker (Regie) und Urs Schnell (Produzent DokLab) mit «BuraNEST»
Tobias Nölle (Buch und Regie) und Tolga Dilsiz (Produzent 8horses) mit «Taub» (Arbeitstitel)

6.- 8. August, Hotel Belvedere, Locarno. Auf Einladung. 

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