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Jean-Charles Pellaud, der Filmemacher der Anderen nimmt Abschied

Alexandre Ducommun
19. Dezember 2022

Jean-Charles Pellaud © zvg

Der Walliser Regisseur Jean-Charles Pellaud (1936-2022) ist am 24. Oktober diskret von uns gegangen. Er hinterlässt ein reichhaltiges Werk, das hauptsächlich dokumentarisch ist und sich entschieden für die Stimmen der Ärmsten einsetzt. Ein Porträt.

Nach seinem Filmstudium an der École des Arts décoratifs in Genf wurde Jean-Charles Pellaud Assistent des Regisseurs Michel Soutter, mit dem er insbesondere für «La Lune avec les dents» (1966) zusammenarbeitete. Parallel dazu war er mehrere Jahre bei der Télévision Suisse Romande (TSR) angestellt. Obwohl ihn die Fernsehprogramme begeisterten, passte ihm der Arbeitsrhythmus nicht. Als ihn eines Tages eine Person, die er für einen Dokumentarfilm interviewt hatte, auf der Strasse anspricht, er aber diese nicht erkennt, wird sich Jean-Charles Pellaud der Kluft zwischen seinen Themen und ihm bewusst. Daraufhin kehrte er dem TSR den Rücken, um sich auf persönlichere Projekte zu konzentrieren.

Zum Markenzeichen des Regisseurs wurden seine Bemühungen, Geduld zu beweisen und sich Zeit für den Aufbau starker Beziehungen zu den Menschen, die er filmt, zu nehmen. Pellaud widmete sich Themen, die ihm am Herzen lagen: Lebensweg eines drogenabhängigen Freundes («Le film de ma vie», 1996), Volkskampf gegen die WTO («David gegen Goliath», 1998) oder, in jüngerer Zeit, Verteidigung der Bergbauern («L'illégal», 2020). Auf diese Weise baute er seit den 1990er Jahren eine reichhaltige Filmografie auf, die er mit bekannten und herzerwärmenden Gesichtern füllte.

Unabhängig von den behandelten Themen stellte der Filmemacher seine Kamera immer in den Dienst von Stimmen, die abgewertet wurden oder unverstanden blieben. Der gebürtige Walliser hatte zwar eine für Bergbewohner typische harte Schale, war aber dennoch ein scharfer Beobachter des Alltags und besonders sensibel für die sozialen Probleme, die ihn umgaben. «Er war ein authentischer Charakter. Ein bisschen rau, das stimmt, manchmal wild», sagt Léon Meynet, ein langjähriger Freund. «Man musste sich ihm behutsam nähern, da er von den Themen, die er bearbeitete, bei lebendigem Leib gehäutet wurde. Er war wütend, ja, wie viele von uns». Diese Wut entmutigte den unermüdlichen Filmemacher, der über 100 Filme gedreht hat, nicht und machte ihn auch nicht ungeduldig, sieht man auf seinen letzten Spielfilm «L'illégal» (2020), bei dem die Dreharbeiten über ein Jahrzehnt dauerte, während der er ein freundschaftliches Verhältnis zur Familie von Bergbauern aufbaute. «Zehn Jahre können lang erscheinen. Aber wenn man leidenschaftlich ist, gibt es keine Geduld», gesteht er Oriane Binggeli in einem seiner letzten Medienauftritte für Rhône FM im Mai 2021. «Ich baue ein Vertrauensverhältnis zu den Menschen auf, die ich filme, und ich zeige nur das, was sie zeigen wollen.» Denkt man Jean-Charles Pellaud, wird man sich ein leidenschaftliches und aufrichtiges Herz in einem Körper von hieratischer Ruhe erinnern.

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