Ab dem 30. September 2023 geht die Plattform «filmkids+» online. Interview mit Simone Häberling, Produzentin von Presence Production GmbH und Geschäftsführerin des Vereins filmkids.ch.

Aus welchem Bedürfnis heraus wurde die Plattform gegründet? 

 

Kinder und Jugendliche sind gerne und oft auf Online-Plattformen unterwegs und seit Corona noch stärker als zuvor. Gleichzeitig bergen Social-Media-Plattformen Risiken wie «Fake News», «Cybermobbing» und eine zu intensive Mediennutzung. Für uns als Produktionsfirma, die sich auf Inhalte für Kinder und Jugendliche spezialisiert, sind die Social-Media-Plattformen als Auswertungsort ungeeignet. Denn die Technikriesen ändern ihre Formate und Vorgaben laufend und ein «Storytelling» kann sich nicht richtig entwickeln, da die Nutzer und Nutzerinnen von Inhalt zu Inhalt huschen und nur oberflächlich darauf schauen. Das hat sich bei der Auswertung unserer Jugendserie «Becoming Momo» gezeigt. Für unsere neue Jugendserie «Lost in Paradise» braucht es deshalb einen neuen Weg. Bei der Erarbeitung einer Strategie für die Stärkung des Kinderfilms in der Schweiz stellte die AG Kinderfilm fest, dass es keine Plattform gibt, die sich ausschliesslich dem Kinder- und Jugendfilm widmet und dass dies eine der Massnahmen zur Stärkung des Kinderfilms sein könnte. Gleichzeitig wollte der Verein «filmkids.ch» die über 500 Filme von Kindern und Jugendlichen, die in den letzten Jahren im Rahmen des Vereins entstanden sind, nicht mehr auf YouTube und damit auf eine Social-Media-Plattform stellen. Gemeinsam entstand deshalb die Idee, eine neue Plattform mit ausschliesslich Inhalt für Kinder und Jugendliche zu bauen.

 

Filmstill aus «Lost in Paradise»

 

An wen richtet sich die Plattform? 

Die Plattform richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren, die sich für Filme und Games interessieren. Natürlich können auch Erwachsene die Filme anschauen, aber aufgebaut ist alles für die junge Zielgruppe. Die Jugend soll damit einen eigenen virtuellen Ort bekommen. Dieser soll die kulturelle Teilhabe fördern, die Kinder ermutigen, sich mit Film auseinanderzusetzen und sie in Bezug auf das Medium befähigen. Zudem soll es auch dazu führen, dass sie langfristig eine Beziehung zum Schweizer Film aufbauen. Nach wie vor finden viele Kinder Filme, in denen Mundart gesprochen wird, komisch, erleben aber gerade die Filme von anderen Kindern als sehr natürlich, die auf Mundart sind. Langfristig wollen wir damit eine Stärkung der Schweizer Filmkultur erreichen.

 

Was bietet «filmkids+» genau? 

Die Plattform hat vier Bereiche: Film, Filmwissen, Games und einen Chat. Neben den vielen Kurzfilmen, die von Kindern und Jugendlichen selber gemacht wurden im Rahmen von «filmkids»-Kursen, zeigt die Plattform auch professionellen Inhalt für die Zielgruppe wie Produktionen der Presence Production. Zudem werden wir nach und nach auch alle Trailers zu Schweizer Kinderfilmen und Serien zusammenstellen, mit Links, wo sie geschaut werden können, wenn wir sie rechtlich nicht selber «streamen» können. Interessierte Produktionsfirmen können sich gerne bei uns melden. So soll eine Sammlung der Schweizer Kinder- und Jugendproduktionen zusammenkommen.

Im Bereich Filmwissen stellen wir Informationen, Vorlagen und Tipps zu allen möglichen Themen rund ums Filmemachen und Schauspiel zusammen. Da finden sich zum Beispiel «Behind the Scenes», Informationen zu Filmberufen mit Links zum SSFV und es können Kinder«Castings» ausgeschrieben werden.

Im Bereich Games arbeiten wir mit der Swiss Game Developers Association zusammen und stellen Schweizer Games für Kinder und Jugendliche vor. Zudem stellen wir das auf ETH Forschung basierte Programm Cand.li vor, mit dem Kinder und Jugendliche selber einfache Games erstellen können.

Der Chat-Bereich ist nur Kindern und Jugendlichen zugänglich. Dazu muss ein Konto erstellt werden und wir kontrollieren die Altersangaben bei jeder Anmeldung. Im Chat können sich Gleichgesinnte vernetzen und austauschen. Kinder können neue Freunde finden, mit Kindern, die weiter weg wohnen, in Kontakt bleiben und eigenen Inhalt miteinander teilen. Wir lesen die Chats stichprobeweise mit und schauen, dass kein unangemessenes Verhalten aufkommt. So ist dieser Chat ein sicherer Rahmen, in dem sich die Kinder frei bewegen und unterhalten können.

 

Welche Höhepunkte sind darauf zu finden?

Einer der Höhepunkte wird der Start unserer neuen Dokumentarserie «Lost in Paradise» von Ralph Etter und Sira Topic sein, die am 4.11.23 online geht. Die fünfteilige Serie dokumentiert das Schicksal von fünf jungen Menschen auf ihrer oft langwierigen und frustrierenden Lehrstellensuche.

Ein weiterer Höhepunkt ist der besonders gestaltete «Avatar Creator», der von den Künstlern und Künstlerinnen Jordi Bucher und Sira Topic gestaltet wurde. Hier können sich die Kinder und Jugendlichen kreativ ein Alter Ego erstellen und natürlich jederzeit wieder verändern.

Beispiele von Avataren bei «filmkids+»

 

Wie ist der Zugang zur Plattform geregelt?

Ein grosser Teil des Inhalts ist gratis und für alle zugänglich und jeweils mit einer Altersempfehlung versehen. Dazu kommt ein kostenpflichtiger, wenn auch sehr günstiger Premium-Bereich für 10.- CHF pro Jahr. Der Community- und Chat-Bereich ist nur für Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren zugänglich. Hierfür muss ein Konto erstellt werden und das Alter wird anhand einer Ausweiskopie überprüft.

 

Besteht eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen oder ist eine geplant? 

Es bestehen bereits Zusammenarbeiten mit SGDA (Swiss Game Developers Association), Swiss Games Garden, Cand.li, dem Kreativmagazin Kiludo, SSFV und Glaus&Gut Casting. Weitere Zusammenarbeiten wir mit der Zauberlaterne, den Schweizer Jugendfilmtagen und weiteren Institutionen sind angedacht. Auch der Ausbau in andere Landessprachen wünschen wir uns sehr. Wir sind für Kooperationsanfragen offen, Interessierte können sich gerne melden.

 

Wie wird die Plattform finanziert? 

Die Plattform wurde mit Unterstützung des Bundesamts für Kultur und der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich im Rahmen des Programms «Transformationsprojekte» der Covid-Finanzhilfen ermöglicht. Für den weiteren Ausbau des Inhalts werden wir neue Finanzierungen suchen. Der Unterhalt soll durch die Premium-Abos und den neu gegründeten Gönnerverein von «filmkids.ch» finanziert werden.