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Die Schweizer Produzentin des europäischen Autorenkinos

Teresa Vena
06. April 2023

© Gian-Marco Gastelberg

Am 24. März wurde der Schweizer Filmpreis 2023 verliehen. Neben den Auszeichnungen für einzelne Filme und einzelne Gewerke ging der Ehrenpreis in diesem Jahr an die Produzentin Ruth Waldburger. Wir stellten ihr im Nachgang dazu ein paar Fragen.

Der Beruf des Produzenten und der Produzentin bedarf sicherlich genügend Entschlossenheit. Davon besitzt Ruth Waldburger ohne Zweifel genug. Direkt ist sie auch in unserem Interview, als sie gleich zu Beginn den Hinweis gibt, sinngemäss, dass mittlerweile eine Vielzahl an Interviews mit ihr geführt worden seien, die bereits alles sagen würden und man sich nur noch daran bedienen bräuchte. Waldburger stand uns aber dennoch zur Verfügung.

 

In jeder Laudatio über Sie und in jeder Biografie von Ihnen wird Ihre Beteiligung an «Johnny Suede» und der «Entdeckung» von Brad Pitt als wichtiges Ereignis in Ihrer Karriere erwähnt. Wie markant war diese Episode tatsächlich für Sie?

Das wird von den Journalisten hochgepuscht, nicht von mir. Für diesen Erstlingsfilm habe ich mit Brad Pitt gedreht, als er noch nicht bekannt war. Er hatte bis dahin in einer Jeans-Werbung mitgewirkt und erst danach in «Thelma & Louise». Gemeinsam mit dem Regisseur sah ich mir die Aufnahmen des Vorsprechens in L.A.an, an dem er mit dreissig anderen jungen Menschen teilgenommen hatte. Daraus haben wir Pitt ausgewählt, weil er für uns klar die Figur verkörperte, die der Film brauchte.

 

Was waren stattdessen besondere frühe Begegnungen und Erfahrungen, die Sie gemacht haben und die sie vielleicht geprägt haben?

Ich habe vor diesem Film bereits «Nouvelle vague» (1990) von Jean-Luc Godard mit Alain Delon und «Le pas suspendu de la cicogne» (1991) vom Theo Angelopoulos mit Jeanne Moreau und Marcello Mastroianni koproduziert. Im Vergleich dazu war «Johnny Suede» für mich an sich nicht derart aussergewöhnlich. Der Film ist nur für die Menschen wichtig, nicht für mich.

 

Was hat sie motiviert, am Beruf der Produzentin festzuhalten? Haben dabei auch bestimmte Begegnungen eine Rolle gespielt?

Das war mein Leben. Über meine Arbeit auf dem Filmset wurde mir klar, dass die einzige Position, die mich interessiert, die der Produzentin ist. Deswegen wollte ich das werden. Motiviert war ich. Es hat mich nicht jemand anderes erhellt.

 

Sie werden aber vermutlich auch schöne Erfahrungen gemacht haben, die Sie insbesondere haben weitermachen lassen?

Einen Film zu produzieren, ist harte Arbeit. Da hat man schöne Erlebnisse, aber immer auch Probleme. Das muss man mit Leidenschaft machen. Man muss die richtigen Filme auswählen. Das schönste Erlebnis ist es, wenn der Film dann im Kino ist.

 

Wenn es aber nur harte Arbeit gewesen wäre, hätten Sie es vermutlich nicht so lange gemacht.

Warum nicht? Natürlich. Es ist ja nicht nur harte Arbeit. Es ist eine schwierige Arbeit. Es gibt doch Menschen, die eine schwierige Arbeit machen und trotzdem Spass daran haben. Ich wüsste nicht, wieso das eine das andere ausschliessen würde.

 

Was hat Ihnen denn besonders Spass an der Arbeit gemacht?

Das einzige, was ich im Film machen wollte, ist der Beruf der Produzentin. Das ist der interessanteste. Sie ist für den Film von Anfang bis Ende verantwortlich. Sie liest das Drehbuch, übernimmt die Verantwortung für die Finanzierung, für die Löhne, stellt alle Mitarbeiter ein, kümmert sich, dass alles funktioniert, ist bei der Dekorsuche und den Kostümen dabei sowie dann beim Schnitt.

 

Man stellt Ihnen oft die Frage, wie es gewesen sei, als Frau in einem eher von Männern besetzten Berufsfeld zu agieren. War das für Sie tatsächlich als Herausforderung spürbar?

Das war überhaupt nicht so. Das ist ein Mythos. Es gab schon zu dem Zeitpunkt als ich begann viele Frauen als Produzentinnen. Meine Tochter ist aktuell in einer Weiterbildung für Produzenten. Dort sind zwölf Frauen und zwei Männer. In unseren Teams sind in der Zwischenzeit meist mehr Frauen als Männer auf dem Set.

 

Sie waren viel an internationalen Koproduktionen beteiligt. War das eine Herausforderung als Schweizerin?

Nicht, sofern mir bewusst ist. Ich bin in der Schweiz und mache Koproduktionen mit Frankreich und Italien. Durch die gemeinsame Sprache ist es naheliegend, mit diesen Ländern zu koproduzieren. Es geht nur um den Film selbst, um seinen Inhalt. Es spielt keine Rolle, woher er kommt und wen ihn dreht.

 

Als Sie mit Ihrer Karriere begannen, sah der Schweizer Film etwas anders aus als heute. Was würden Sie sagen, sind die Herausforderungen heute in der Produktion des Schweizer Films?

Ich finde, dem Schweizer Film geht es gut. Wir haben gute Filmförderungen. Wir sind in einer sehr guten Lage von der Schweiz heraus, Filme zu produzieren. Ich habe auch Filme produziert, die 100 Prozent Schweizer Filme sind, wie «Schwesterlein», der zu einem grossen Erfolg wurde. Wir waren im Wettbewerb der Berlinale, der Film wurde in viele Länder verkauft. Ich sehe also keine Nachteile für den Schweizer Film, ausser, dass wir nicht mehr im MEDIA-Programm sind.

 

Was hat es mit der vermehrt ausformulierten Sorge um einen Fachkräftemangel in der Schweiz Filmbranche auf sich, aus Ihrer Sicht?

Ja, das stimmt, es gibt einen Technikermangel. Das liegt daran, dass immer mehr produziert wird, auch Filmserien, die mehr Drehtage haben. Wir müssen unbedingt mehr Techniker und Technikerinnen ausbilden.

 

Mussten Sie deswegen auch schon einen Dreh verschieben?

Wir bemühen uns rechtzeitig um Ersatz, damit wir dann drehen, wenn die Schauspieler Zeit haben und wir das Geld haben.

 

Vor über zwanzig Jahren haben Sie auch eine Verleihfirma gegründet. Ist diese aus einer bestimmten Notwendigkeit heraus entstanden?

Es gab damals noch zu wenig Verleiher. Jetzt gibt es zu viele und immer mehr. Damals war es zu der Zeit, in der wir Komödien gemacht haben und wir dachten, wir könnten sie selbst ins Kino bringen. Der Vorteil war, dass wir nahe an den Filmen dran war. Ich hatte auch erfahrene Leute, auf die ich zurückgreifen konnte. Heute ist die Situation anders. Es ist sicher besser, wenn man einen guten Verleih hat, der nur das macht und seine Arbeit gut kann.

 

 

 

 

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