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Machtkämpfe mit Konsequenzen

Teresa Vena
03. November 2023

Die überdachte Freilichtbühne des Festivalbaus der Architekten Coop Himmelb(l)au von 2011 fasst bis zu 5000 Besucher. © BIFF 2023

Das südkoreanische Busan-Filmfestival gilt heute als wichtigste Plattform für den asiatischen Film. Es ist auch Schauplatz aktueller filmpolitischer Kontroversen.

Noch im Sommer war es nicht sicher, ob das südkoreanische Festival Anfang Oktober werde stattfinden können, denn es wird ungefähr zur Hälfte durch öffentliche Mittel finanziert. Nun kündigte aber das Kulturministerium massive Subventionskürzungen an. 2024 sollen alle 40 vom Staat geförderten Filmfestivals mit 50 Prozent der ursprünglichen Fördersumme auskommen. Das Busan International Film Festival ging man aber bereits dieses Jahr an. Offiziell will man damit auf eine bisherige exzessive Förderpolitik, Verschwendungen sowie auf kartellbildende Praktiken reagieren. Gleichzeitig wirft man dem Festival eine vermeintlich linksgerichtet politische Ausrichtung vor. Es sei «anti-kapitalistisch» und lehne sich gegen die bestehende (Präsident Yoon gehört zur konservativen Partei der Bürger) Machtordnung auf, wie es der Kulturminister Yu In-chon ausdrückt. Als Folge sind der Präsident und der Direktor des Festivals zurückgetreten. Die aktuelle Ausgabe hat eine Interimsleitung aus den eigenen Reihen umgesetzt. 

 

Politische Einflussnahme

Die Unruhe hat sich auf das Programm ausgewirkt: Es gab weniger Filme (210  statt 250), weniger Vorführungen, weniger Spielorte und weniger Gäste. Und es fiel vor allem auf, dass die Mehrzahl der koreanischen Filme inhaltlich austauschbar und reibungsfrei sind. In der Nach-Park-Ära konnte man in Korea in der Kunst fast alles sagen, dann nahm der politische Druck zu. 2014 war der Skandal enorm, als das Festival mit einer Budgetkürzung von 50 Prozent sanktioniert wurde, weil es den Dokumentarfilm «The Truth Shall Not Sink with Sewol» zeigte, der kritisch die Ereignisse um das Fährunglück, bei dem 300 Menschen zu Tode kamen, behandelt und das Fehlverhalten der damaligen Präsidentin thematisiert. Die Leitung wurde damals gestürzt. Aus Solidarität gegen diese massive politische Einflussnahme rief man international zum Boykott des Festivals auf. Dieses, 1996 gegründet, bemüht sich seit 2001 erfolgreich, seine Bedeutung als Markt für den asiatischen Film auszubauen. Doch durch das Fernbleiben vieler Fachleute stagnierte die Entwicklung, und in der aktuellen Situation bleibt die Lage angespannt. 

 

Bedeutung fürs europäische Kino

Für den nicht-asiatischen Film hat das Festival bisher keine Marktbedeutung. Dieser Bereich des Programms dient in erster Linie dem Austausch. Die European Film Promotion (EFP) unterstützt seit 25 Jahren in Busan vor Ort mit Sichtbarkeit europäische Filmschaffende und Produktionsfirmen, die ins offizielle Programm aufgenommen werden. Dieses Jahr repräsentiert der Schweizer Produzent Thomas Reichlin von Alva Film Elene Naverianis «Blackbird Blackbird Blackberry». Letztes Jahr begleitete Carmen Jaquier ihren Film «Foudre». Swiss Films beteiligte sich an den Reisekosten.

Seit den Anfängen des Festivals macht die nicht-asiatische Abteilung etwa die Hälfte der Filmauswahl aus, doch «sie dient als Schaufenster für unser einheimisches Publikum», sagt Programmleiter Pak Dosin. «Die Entdeckung neuer Talente überlassen wir den anderen Festivals», ergänzt Pak. Er zeigt sich beeindruckt vom jungen europäischen Autorenfilm. Ermutigend sei, dass viele junge Frauen nachrückten, aber auch die Förderpolitik zugunsten des Nachwuchses. Der Autorenfilm habe es in Korea zurzeit schwer. Das liegt an den allgemeinen Kürzungen in der Kulturförderung, aber auch daran, dass sich die Produktion auf Serien und Koproduktionen mit Onlineplattformen verschoben habe. «Alle wollen dort arbeiten, für den Autorenfilm fehlen deswegen die Fachkräfte», so Pak weiter.

Eine Investitionspflicht für Netflix braucht das Land nicht (bis 2028 will Netflix 2,5 Milliarden US-Dollar investieren, doppelt so viel wie insgesamt seit 2016). Südkorea pflegt nach den USA die intensivste Beziehung zum Unternehmen. Das gilt auch für das Busan-Filmfestival, das neueste Produktionen in einer Wettbewerbssektion exklusiv präsentiert. Interesse zeigt Netflix auch am Nachwuchs, so kündigte das Unternehmen an, künftig die KAFA (Korean Academy of Film Arts) als Sponsor finanziell zu unterstützen. 

Zurecht machen sich einige Sorgen um die wachsende Monopolstellung der Onlineplattform. Den koreanischen Filmmarkt beeinflusst Netflix inhaltlich und strukturell stark. Produktionsfirmen fühlen sich entmachtet und in Bezug auf die finanzielle Auswertung übervorteilt. Es wird eine Herausforderung der Filmpolitik sein, dem entgegenzuhalten.

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