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Vor der nächsten Kulturbotschaft

Daniel Waser
19. Juni 2021

Aktuell wird über eine Reorganisation der nationalen Film­förderung – möglicherweise ein «Centre suisse de l’audiovisuel» – nachgedacht. Der Zeitpunkt dafür ist ideal. 

Langsam lichtet sich der Corona-Nebel und wir sehen Entwicklungen bestätigt, welche sich schon länger angekündigt hatten und durch die Pandemie beschleunigt wurden: Veränderung des Publikumsverhaltens, neue Kooperationen in der Produktionskette, Rückzug ins Nationale. Die letzten anderthalb Jahre legten die globalen Verflechtungen der Branche offen, erhöhten das Interesse an Resilienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette, lenkten die Aufmerksamkeit auf die prekären Verhältnisse der Kulturschaffenden. Dies muss und wird Auswirkungen auf die Fördermodelle der öffentlichen Hand haben. Angestossen durch den Nostradamus Report 2021* wird im Rahmen der Studie «Public Film Funding at a Crossroads» zurzeit europaweit diskutiert, wie auf die Veränderungen des Ökosystems Film nach der Pandemie zu reagieren sei. 

 

Filmförderung unter Druck

Es sind nicht grundsätzlich die Streamingdienste, welche das Kino und die unabhängige audiovisuelle Produktion bedrängen, sondern die Vielfalt der möglichen Freizeitaktivitäten. Die Qualitätsansprüche des Publikums nehmen weiter zu. In der Positionierung eines Filmes geht es immer mehr darum, was das Publikum wo erleben will. Dies bedeutet keineswegs, dass «nach dem Geschmack des Publikums» produziert und die eigene künstlerische oder produktionelle Vision verleugnet werden soll. Sondern die verschiedenen ExpertInnen aus Drehbuch, Regie, Produktion oder Vermarktung müssen möglichst frühzeitig gemeinsam Strategien entwickeln, um eine Chance zu haben – und die Förderung sollte zeitgemässe Businessmodelle aktiv ermöglichen.

Aktuell wird über die Notwendigkeit einer Reorganisation der nationalen Filmförderung – möglicherweise ein «Centre suisse de l’audiovisuel» – nachgedacht. Dabei kann ein «mehr vom selben» nicht zielführend sein. Europaweit wird Filmförderung in den Budgetdiskussionen der nächsten Jahre stark unter Druck kommen. Es ist mit einem Rückgang der Fördermittel insbesondere in jenen Ländern zu rechnen, wo sich die öffentliche Hand während der Pandemie erheblich verschuldet hat. Aus dieser Situation könnten kleinere Länder, welche vergleichsweise unbeschadet durch die Krise gekommen sind, die Chance nutzen und national einen Innovationsschub im audiovisuellen Bereich auslösen.

Die Konzepte der Schweizer Filmförderung wurden seit den 70er-Jahren nicht wesentlich weiterentwickelt, obwohl sich die Welt dramatisch verändert hat. Filmförderung muss agiler werden und rascher reagieren können. Mit einem klug aufgebauten, wirkungsorientierten Fördermodell könnten auch Entwicklungen antizipiert werden. Dazu sind flexible Strukturen notwendig, wie sie innerhalb der Fesseln einer Bundesverwaltung systembedingt wahrscheinlich nur schwer umsetzbar sind. An der Schwelle zur nächsten Kulturbotschaft 2025-2028 ist nun der ideale Zeitpunkt, Ideen zur Ausgestaltung eines «Centre suisse de l’audiovisuel» (CSA) zu entwickeln und mit allen AkteurInnen aus Kultur, Politik, Gesellschaft und Verwaltung zu diskutieren. Wobei «CSA» vorerst als Metapher für einen neuen Ansatz steht und noch nichts über die Okrganisations- und Rechtsform (innerhalb oder ausserhalb der Bundesverwaltung) aussagt.

Bei der Frage, welche Wirkung eine Förderung erzielt, geht es nicht nur um wirtschaftliche Parameter. Das Kernziel für den Einsatz öffentlicher Mittel muss weiterhin «Schutz und Entwicklung des eigenen Kulturraums» bleiben, doch die globalen Entwicklungen in Produktion und Distribution erfordern dazu neue kohärente Antworten an Politik und Publikum. In der Entwicklungshilfe wurden überzeugende Wirkungsmodelle entwickelt, welche insbesondere nichtmonetäre Erfolgsfaktoren benennen. Diese Denkansätze könnten auch die kulturpolitische Diskussion inspirieren.

 

Dringend notwenige Reform

Der notwendige Prozess muss jetzt lanciert werden. Das Zeitfenster für Innovationen, für neue Business- und damit Fördermodelle wird sich rasch wieder schliessen. Nur wenn die Branche deutlich artikuliert, in welche Richtung sie sich die Entwicklung vorstellt, dazu einen überzeugenden Plan verfolgt und Verbündete sucht, wird die dringend notwendige Reform gelingen. Dabei sollten sich die Diskussionen zuerst ergebnisoffen um wirkungsorientierte Strategien drehen statt direkt auf die Form zu zielen, gemäss dem Prinzip aus dem Produktdesgin «Form follows Function». 

Daniel Waser, Anwalt, Inhaber von «Stiftungsplus»

*Der «Nostradamus Report» wird jährlich vom Göteborg Film Festival publiziert. 

 

▶  Originaltext: Deutsch

 

 

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