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Treffpunkt: Daniel Dettwiler

Teresa Vena
22. September 2023

Daniel Dettwiler im Air Studio in London © zvg

Die dritte Staffel von «Neumatt» und das Regiedebüt von Julien Wagner «September Babies» sind nur zwei seiner aktuellen Projekte. Ein Gespräch mit dem Tonmeister, der weit über die Schweiz hinaus als Referenz für die Produktion professioneller Filmmusik gilt.

Wie viel Ihres Auftragsvolumens macht Filmmusik aus?

Es ist ein grosser Teil. Wir sind in der Schweiz das einzige Studio, das sich auf Filmmusikproduktionen spezialisiert hat, die sich klanglich mit Hollywood messen können. Die Konkurrenz ist klein, und der Schweizer Markt ebenfalls. Deswegen arbeiten wir einerseits an Schweizer Film- und Serienproduktionen, aber auch an vielen Projekten aus dem Ausland.

 

Welche Tätigkeiten übernehmen Sie genau bei der Produktion von Filmmusik?

Zwischen der eigentlichen Aufnahme und ihrer finalen Mischung gibt es verschiedene Arbeitsprozesse, die auf verschiedene Fachleute aufgeteilt werden können. In der Schweiz ist das seltener der Fall als beispielsweise in Hollywood. Hier macht eine Person viel mehr selbst, weil das dafür vorgesehene Budget nicht für ein grosses Team ausreicht. Es ist allerdings rar, dass jemand für alle Posten gleich talentiert ist. Ich bin auf den Klang spezialisiert, somit werde ich meist für die Musikmischung engagiert. Je nach Budget mache ich auch das Klangkonzept vor der Aufnahme und platziere die Mikrofone.

 

Wo wird Filmmusik aufgenommen?

Bei den Aufnahmen unterscheidet man zwischen Produktionen mit einem Orchester (selten für Serien) und mit einzelnen Instrumenten oder kleineren Formationen. Bei der ersten Variante braucht es einen entsprechend grossen Raum. Die Klangqualität der Räume ist dabei entscheidend für das Resultat und kann stark variieren. Die beste Qualität bieten die grossen Tonstudios in England (wie Abbey Road oder Air Studios). In Konzertsälen machen die Lüftungsgeräusche Probleme, zudem müssen wir dann, wie auch in anderen Räumen wie Kirchen, die Aufnahmeausrüstung selbst mitbringen.

 

Welche Infrastruktur steht in der Schweiz zur Verfügung?

Über ein für Filmmusikaufnahmen geeignetes Studio verfügen wir in der Schweiz nicht. Wir hatten in Zürich das Brunnenhof Radiostudio 1. Das wurde von der Stadt Zürich aber dem Musikkonservatorium zur Verwaltung zugesprochen, obwohl sich ein Verein (Anm. d. R., «ZRCH») für den Erhalt als Aufnahmestudio für die Musikszene eingesetzt hatte. Der Raum ist klangtechnisch ein Juwel, das vermutlich nicht mehr zugänglich sein wird. Im schlimmsten Fall wird durch Umbauten und Umnutzung auch die Akustik langfristig verschlechtert. Hier, genauso wie im Fall des Provisoriums der Maag-Tonhalle, hat man das Potential der Objekte verkannt. Würde man eine ähnliche Qualität neu herstellen wollen, müsste man ein Budget von zehn Millionen aufwenden, wobei darin eine regelmässige Aufrüstung noch nicht inbegriffen wäre. Das kann sich die Szene natürlich nicht leisten. Möchte man dennoch in der Schweiz mit Orchester aufnehmen, kommt die Don Bosco-Kirche in Basel oder auch das Stadthaus Winterthur mit seinem Orchester infrage. In Deutschland und Österreich hat man sich bemüht, mit dem Teldex Studio in Berlin und der Synchronhalle in Wien, subventionierte Modelle zu schaffen, um eine entsprechende Infrastruktur zu erhalten.

 

Wo wird Schweizer Filmmusik aufgenommen ?

Grössere Projekte mit Orchester entstehen, je nach verfügbarem Budget, entweder in Osteuropa (oft Polen oder Ungarn), in der Schweiz unter Einsatz mobiler Technik oder in den Londoner Studios. Die Preisunterschiede sind beträchtlich, in Osteuropa kostet ein Tag (Orchester und Studio) zwischen 5’000 bis 10’000 Franken. In der Schweiz wären wir etwa bei 30’000 Franken und in London ist es noch teurer. Die Investition lohnt sich aber, denn ich bin mit den Aufnahmen aus Osteuropa nie glücklich. Die Räume sind schlechter, an der Akustik wurde gespart, die Instrumente sind nicht von gleich edler Qualität, und natürlich kann sich ein Studio bei so tiefen Preisen auch keine wirklich gute Ausrüstung leisten.

 

Hätten Schweizer Musiker grundsätzlich die gleichen Kompetenzen?

Anders als in der klassischen Musik spielt man Filmmusik mit einem Kopfhörer. Das ist eine Übungssache. An sich haben wir aber sehr gute Musiker wie auch Dirigenten. Da der Markt aber klein ist, besteht kein festes Filmmusikorchester, wie es Wien eins hat oder etwa London. Die Kompetenzen sind da, wir haben auch hervorragende Komponisten. Produzieren könnte man in der Schweiz auf dem höchsten Niveau, wie wir es bei «Der Räuber Hotzenplotz» gezeigt haben. Die Kosten sind allerdings auf der Höhe der englischen Studios und Orchester. Und der Nachteil ist eben, dass es hier meist aufwändiger ist, die Musiker zusammenzustellen, und das Material in den Saal zu bringen. In London reist man einfach an, und alles steht bereit. So gehen, die, die es sich leisten können, dennoch in die Nimbus umwobenen, aber nach dem höchsten Standard ausgestatteten englischen Studios. Die Komponisten müssen es aber schaffen, die Produzenten davon zu überzeugen, dass solche Aufnahmen eine gute und sinnvolle Investition sind. Matteo Pagamici und Michael Künstle sind dabei sehr erfolgreich, ihre letzten Projekte wie «Jagdzeit», «Platzspitzbaby» oder «Die Nachbarn von oben» sind in London aufgenommen und dann bei uns in der Schweiz gemischt worden.

 

Wie steht es in der Schweiz um die Finanzierung von Filmmusik?

Der Komponist bekommt von der Produktion ein fixes Budget. In der Schweiz oft zwischen 30‘000 bis 50‘000 Franken. Damit muss er sowohl die Kosten für seine kreative Arbeit als auch die für die Aufnahmen inklusive Musiker- und Studiomiete sowie die Fertigstellung der Musik decken. Klar sind die Budgets im Vergleich zu den USA in der Schweiz oder in Deutschland kleiner, doch diese kleinen Summen in der Schweiz sind ein Problem. Die Musik macht unter Umständen 50 Prozent der Wirkung eines Films aus. Diese Wichtigkeit spiegelt sich aber nicht in den 0,5 bis 1 Prozent des Gesamtbudgets, die Schweizer Produzenten bereit sind, zu investieren. Würde man 2 Prozent einsetzen, könnte man gut klingende Musik produzieren. Das «Knausern» führt oft dazu, dass Musiker Orchester mit «Samples» am Computer ersetzen. Aber könnte man ein Orchester wirklich in guter Qualität durch einen Computer ersetzen, würde Hollywood das auch machen. Es geht eben nicht. Oft braucht es in der Schweiz auch etwas Einsatz von den Komponisten, damit man trotzdem mit einem Orchester arbeiten kann. Für die Musik zu «Zwingli» haben die Baldenweg-Geschwister die Zürcher Kantonalbank als Sponsor akquiriert, um ihre Kompositionen vom Zürcher Kammerorchester einspielen zu lassen. Ich wünschte mir, dass mehr Wert auf die Filmmusik gelegt würde, damit das Niveau erhöht werden könnte.

 

Sind es also die Komponisten, die Sie als Tonmeister engagieren?

Immer. Das führt unter anderem dazu, dass ich als Tonmeister im Abspann bei der Musik und nicht beim Ton allgemein genannt werde. Damit qualifiziere ich mich auch nicht für bestimmte Auszeichnungen, die dann eher an Tonmeister gehen, die beispielsweise die Dialoge aufgenommen haben, was wiederum anders ist als in den USA.

 

Erste Erfahrungen mit Hollywood haben Sie gerade gemacht.

Für den neuen «Mission Impossible» wollte man auf die Perkussionen der Tambourengruppe Top Secret Drum Corps aus Basel zurückgreifen, die seit ihrem Auftritt beim Thronjubiläum der englischen Königin Aufsehen erregt hat. Auf der Suche nach einer Aufnahmeleitung in der Schweiz stiessen die Produzenten auf uns und wir durften diesen wichtigen Teil der Filmmusik aufnehmen.

Biografie

Daniel Dettwiler wurde 1974 geboren, er ist Musiker, Komponist und Tonmeister. 2001 schloss er sein Studium des Audiodesigns an der Hochschule für Musik in Basel ab, wo er seit 2003 als Dozent tätig ist. Seit 2013 lehrt er auch an der ZHdK. 2002 gründete er das Tonstudio «Idee und Klang», das sich auf die Produktion akustischer Musik, insbesondere Jazz und Filmmusik, spezialisiert hat. Sein Durchbruch als einer der gefragtesten Tonmeister für Filmmusikaufnahmen in der Schweiz und in Deutschland gelang ihm an der Seite des Schweizer Komponisten Niki Reiser und ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit an «Die weisse Massai» (2005). Dettwiler arbeitet eng mit der jungen Generation Schweizer Komponisten wie Michael Künstle und Matteo Pagamici, den Geschwister Baldenweg, Jakob Eisenbach oder Mirjam Schnedl zusammen

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