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«Lex Netflix» – Stand der Dinge

Pascaline Sordet
17. Mai 2021

Saal des Nationalrats (© Parlamentsdienste 3003 Bern)

Die Branche hofft, dass eine Investitionspflicht von 4% sich positiv auf ihre internationale Konkurrenzfähigkeit auswirken, den Export beleben und Koproduktionen begünstigen wird. Im gegnerischen Lager befürchten Privatsender der Gruppe CH Media wie 3+, TV24 oder S1, von der Steuer erstickt zu werden, die sie als «Subventionspflicht» einstufen.   

Februar 2020

Nach Monaten der Vorarbeiten, Beratungen und Änderungen verabschiedet der Bundesrat die Kulturbotschaft 2021-2024. Im Filmbereich legt der Text den Akzent auf den digitalen Wandel: Er enthält eine Verpflichtung für Unternehmen, die Filme online anbieten, nach dem Beispiel der national­en Fernsehsender ins unabhängige Schweizer Kino zu investieren. Diese Verpflichtung gilt für den gesamten Markt, auch für Kanäle mit Sitz im Ausland, die auf eine Schweizer Öffentlichkeit zielen. Der Investitionsbetrag wird auf 4% der in der Schweiz erzielten Bruttoeinnahmen festgesetzt. Ausserdem müssen die Online-Plattformen mindestens 30% europäische Filme anbieten.

 

Juli 2020

Die Vorlage befindet sich inzwischen in der Hand der parlamentarischen Kammern. Nach gründlicher interner Diskussion unter Beteiligung verschiedener AkteurInnen der Schweizer Kultur beschliesst die Kommission für Wissenschaft, Erziehung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) die Verabschiedung des Texts. Mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen empfiehlt sie dem Nationalrat, den Gesetzesänderungen mit wenigen kleineren Korrekturen zuzustimmen. Die Kommission folgt dem Bundesrat darin, die Investitionspflicht auf 4% festzulegen.

 

September 2020

Was alle inzwischen «Lex Netflix» nennen, wird vom Nationalrat angenommen, allerdings wird die verlangte Investition gegen die Empfehlung seiner eigenen Kommission auf 1% gesenkt. Das Parlament stimmt schliess­lich mit 97 zu 91 Stimmen bei 3 Enthaltungen, also einer reichlich knappen Mehrheit, für diese Reduktion.

Die Mehrheit findet, eine Abgabe von 4% sei im internationalen Vergleich zu hoch (zum Vergleich: Frankreich und Italien ziehen 25% in Erwägung, Spanien und Portugal 5%) und würde sich negativ auf die Preise für die VerbraucherInnen auswirken. Die Minderheit hält dagegen: Diese Abgaben haben in anderen europäischen Ländern keine Erhöhung der Abonnementkosten bewirkt.

Die Mehrheit setzt zudem durch, dass die anrechenbaren Investitionen sich nicht nur auf den unabhängigen Film, sondern auch auf Eigenproduktionen beziehen. Im Gegenzug will sie verhindern, dass Werbeausgaben angerechnet werden können. Zu guter Letzt sollen Filmanbieter wie Swisscom oder UPC von der Pflicht ausgenommen werden. Auch hier haben die Parlamentarier des Nationalrats gegen die Empfehlung ihrer Kommission entschieden.

 

Februar 2021

Andere Töne aus dem Ständerat: Seine Kommission für Wissenschaft, Erziehung und Kultur (WBK-S) beschliesst mit 8 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung, seinem Rat eine Abgabe von 4% vorzuschlagen. Sie folgt damit entgegen der Volkskammer dem Bundesrat. Mit 9 zu 4 Stimmen schlägt die Kommission ausserdem vor, auf eine Ersatzabgabe zu verzichten, mit der die Unternehmen die 4% in einen bestehenden Fond einzahlen statt eigene Inhalte schaffen könnten.

Die Kommission beschliesst einstimmig, nicht nur Auftragsprojekte anzurechnen sondern – gemäss einem Vorschlag einer Nationalratsminderheit – auch Werbeausgaben für den Schweizer Film (bis zu einem Betrag von ­500ʼ000 Franken jährlich).

Ebenfalls einstimmig spricht sich die Kommission gegen den Entscheid des Nationalrats aus, die Plattformen von der Investitionspflicht auszunehmen. Sie schlägt jedoch eine Präzisierung vor, derzufolge nur die aus dem Filmangebot erzielten Bruttoeinnahmen ausschlaggebend sind, ein Punkt, der im Herbst für Verwirrung gesorgt hatte.

 

April 2021

Die WBK-S schliesst ihre Beratung der «Lex Netflix» ab. Sie bleibt bei ihrer Ablehnung einer in einen Fonds zu zahlenden Abgabe, um Direktinvestitionen zu fördern. Sie schlägt zudem vor, dass das zuständige Bundesamt Unternehmen, die ihre Investitionsauflagen nicht erfüllen, dazu verpflichten kann, die fällige Summe einer anerkannten Filmförderinstitution zukommen zulassen. Dies würde es den Plattformen, die nicht auf direktem Weg investieren können oder wollen, ermöglichen, die den 4% entsprechende Summe an Cinéforom, die Zürcher Filmstiftung oder auch den TPF (Teleproduktions-Fonds) zu entrichten.

 

Sommersitzung 2021 (31. Mai – 18. Juni)

Nun obliegt es dem Ständerat, die verschiedenen Vorschläge wie auch die Empfehlungen seiner Kommission gegeneinander abzuwägen, um zu einer Verabschiedung des Textes zu kommen. Sollten die beiden Kammern sich nicht einigen, was angesichts der im Lauf von eineinhalb Jahren geäusserten Positionen höchstwahrscheinlich der Fall sein wird, geht die «Lex Netflix» wieder an den Nationalrat und wird solange zu einem Hin und Her zwischen den beiden Kammern führen, bis ein Kompromiss gefunden ist. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.   

 

▶  Originaltext: Französisch

 

 

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