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Die Vermittlerin

Kathrin Halter
17. Mai 2021

Gabriella de Gara (© SRF/ Oscar Alessio)

Man kennt Gabriella de Gara als überaus herzliche Frau, eigentlich immer aufgeräumt und nie schlecht gelaunt, und wenn sie mal kritische Fragen stellt, dann so, dass sich bestimmt niemand brüskiert fühlt. Nun hat die gebürtige Bündnerin aus dem Tessin seit einem guten Jahr einen Job, der zwar Renommee mit sich bringt, neben Sachkenntnis aber auch einiges an Unerschrockenheit und Frustrationstoleranz verlangt: Seit Herbst 2020 ist de Gara, als Nachfolgerin von Lilian Räber, Projektverantwortliche für den Zürcher Tatort und damit zuständig für die Folgen ab Teil 3 (Anfang 2020 stiess sie, interimistisch, zum Tatort-Team). Damit koordiniert sie nicht nur die ganze Produktion von der Stoffentwicklung bis zur Postproduktion; sie vertritt auch gegen aussen jenes Prestige-Projekt, das unter dauernder Beobachtung steht und in den Medien immer wieder höchst kontrovers diskutiert wird.  

Zwar ist die stark kritisierte zweite Zürcher Folge noch nicht unter ihr entstanden. Der Erwartungsdruck, es künftig besser zu machen, ist allerdings gross; das kommt auch de Gara zu spüren. Sie selber findet die fast durchgehende Kritik an den Drehbüchern teilweise ungerecht und einseitig, da werde zum Beispiel die Rolle von Regie und Schnitt unterschätzt. Das Grundkonzept – das Kommissarinnen-Team, der neue Schauplatz – findet sie nach wie vor sehr überzeugend. Man bewerte nun im Team Erkenntnisse und analysiere, was verbessert werden kann. Auch sie selber hat dazu klare Ideen. So will man künftig zum Beispiel die Anzahl der Stoffe erhöhen, die gleichzeitig entwickelt werden. 

Ihre neue Aufgabe bei SRF umfasst im übrigen mehr als die Tatort-Betreuung. Seit Sommer 2019 arbeitete sie im Mandat für ein Serienprojekt von SRF, seit Januar 2020 gehört sie fest zum Team. Zwei Tage in der Woche arbeitet sie (wenn nicht gerade Homeoffice angesagt ist) in der neuen Kulturabteilung von SRF in Basel, zwei Tage in Lugano, wo sie mit ihrem Mann, der 14-jährigen Tochter und dem 11-jährigen Sohn lebt. Nebenbei engagiert sie sich auch noch als Vizepräsidentin beim Jugendfilmfestival Castellinaria. 

Am besten gefällt de Gara die Zusammenarbeit im Team, mit Bettina Alber etwa, der Projektleiterin Serien oder mit Tamara Mattle, Leiterin Kinokoproduktionen. De Gara kennt beide aus ihrer früheren Arbeit bei RSI, wo sie zuletzt Bereichsleiterin Fiktion war. Doch der Reihe nach.

 

Karriere bei RSI 

Aufgewachsen ist Gabriella de Gara zwei­sprachig im Tessin und in der Deutschschweiz. Ihre Mutter ist Bündnerin, ihr Vater, ein Architekt, Sohn italienischer Einwanderer. Als Gabriella zwei war, zog die Familie von Chur nach Zug, als sie sechs war, ins Tessin. In einem Zwischenjahr nach dem Gymnasium reiste sie dank des Austauschprogramms Up with People als Teil der international besetzten Musical-Truppe ein Jahr lang durch die USA, Kanada und Europa, bevor sie ab zwanzig in Zürich Anglistik und Filmwissenschaft studierte. Nach dem Studium (u.a. bei der ersten Zürcher Filmprofessorin Christine Noll Brinck­mann) dockte sie auch beruflich beim Film an, zuerst als Assistentin einer Ausstellung über das Bollywood-Kino, dann drei Jahre lang als Mitarbeiterin beim Filmverleih Frenetic. 

Allerdings fehlte ihr zunehmend das Tessin, und so zog sie mit dreissig mit ihrem späteren Mann, einem Mathematiker, in den Heimatkanton zurück. Dort wurde bei RSI im Personalbüro bald eine Stelle in der Administration frei. Schon nach vier Jahren konnte de Gara 2008 in die Spiefilm-Redaktion wechseln, 2012 wurde sie Bereichsleiterin Fiktion. 

Die  Zusammenarbeit mit der Branche, das strategische und politische Verhandeln lagen ihr sehr, sagt de Gara. Trotzdem wünschte sie sich nach zwölf Jahren bei RSI einen Wechsel und kündigte Ende 2016, um unabhängige Produzentin zu werden. Amka Films wurde für sie das neue berufliche Zuhause, auch dank vertrauter Produzentinnen: Tiziana Soudani und Michela Pini kannte sie von RSI, mit Michela verbindet sie auch eine Freundschaft, Tiziana war zugleich Mentorin und Vorbild; ihr früher Tod im Januar 2020 war ein schmerzhafter Einschnitt. 

 

Verhandlungsgeschick 

Unter den Filmen, die de Gara bei Amka Films produzierte, ist ihr «Love Me Tender» von Klaudia Reynicke besonders wichtig. Befragt nach der Zusammenarbeit mit de Gara (schon Reynickes Erstling «Il nido» entstand mit ihr als Produzentin), bezeichnet die Regisseurin diese als sehr engagiert, als zugleich intuitiv und reflektiert. Besonders hilfreich fand sie die immer sehr konstruktive Kritik. Bei den nicht seltenen Konflikten zwischen Produktion und Autorschaft höre de Gara grundsätzlich beiden Seiten gleich gut zu, wobei ihr dann oft ein Ausgleich gelinge. 

Diese Eigenschaft dürfte noch oft willkommen sein.  


Gabriella de Gara ist Mitglied des Vorstands von Cinébulletin


▶  Originaltext: Deutsch

 

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