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Eine Massnahme für mehr Gleichstellung

Alexandre Ducommun
07. April 2023

Geneviève Rossier ist Beirätin für Förderungen und Verleihexpertin bei Cinéforom.

Seit dem 1. Januar unterstützt Cinéforom Drehbuchprojekte, die mehrheitlich von Frauen oder Geschlechterminderheiten getragen werden, mit einem komplementären Fördersatz von 80 Prozent, anstelle der sonst geltenden 60 Prozent. Wir haben darüber mit Geneviève Rossier, Projektverantwortliche bei Cinéforom, gesprochen

Aus den Statistiken von Cinéforom geht hervor, dass es auch in anderen Bereichen starke Geschlechterungleichheiten gibt. Weshalb konzentrieren Sie sich auf die Drehbuchförderung?

Wir wollten eine Massnahme im Bereich der Zusatzförderung von Drehbüchern einführen, da es sich hier um eine automatische Förderung handelt, wie es sie nur bei Cinéforom gibt. Dank dieser Massnahme können die Mittel aus anderen Förderinstrumenten für eine Produktion automatisch zu einem fixen Prozentsatz aufgestockt werden. Natürlich achten wir darauf, dass die Projekte tragfähig sind, mit klaren Urheberrechtsverträgen und einem genauen Entwicklungsplan, doch es gibt keine Kommission und kein Auswahlverfahren. So können wir zusätzliche Ungleichheiten oder Verzerrungen seitens der Kommissionen verhindern. Die Massnahme dient auch als Botschaft an die Produzenten und Produzentinnen: «Hier gibt es Ungleichheiten. Achtet bitte bei der Auswahl eurer Projekte darauf.»

 

Plant Cinéforom in den nächsten Jahren weitere Fördermassnahmen dieser Art?

Wenn man die Statistiken pro Kategorie betrachtet, so fällt auf, dass beim Kurzfilm die Gleichstellung fast erreicht ist, beim Langfilm jedoch, auch im Bereich der Herstellung, herrscht eine grosse Ungleichheit. Wir hoffen, dass unsere Massnahme sich auch auf die Projekte im Bereich der Herstellungsförderung für Langfilme positiv auswirken wird. Die grundsätzliche Wirksamkeit werden wir bereits in den kommenden zwei Jahren feststellen können, doch ob die Massnahme auch einen Einfluss auf die Anzahl der von Frauen getragenen Projekte in der Produktionsphase hat, wird sich erst in drei bis vier Jahren zeigen. Diversität gehört zu den Hauptthemen, die Cinéforom in Zukunft vorantreiben möchte, und die Geschlechterfrage ist ein Teil davon. Wir denken aber auch über andere Anreize nach, um die Diversität in einem breiteren Rahmen zu fördern.

 

Sind Sie bei der Umsetzung dieser Massnahme auf besondere Schwierigkeiten gestossen?

Die Massnahme wurde vorgängig mit den Westschweizer Berufsverbänden, insbesondere AROPA und ARF/FDS, abgesprochen und wurde sehr gut aufgenommen. Wir möchten auch eng mit den Verbänden zusammenarbeiten, um die Filmschaffenden für diese Ungleichheiten zu sensibilisieren. Es gibt allerdings ein Problem in Bezug auf die Verteilung der Rechte in einer gemischten Gruppe von Autoren und Autorinnen. Sehr oft sind mehrere Personen an der Projektentwicklung beteiligt. Um vom zusätzlichen Fördersatz von 80 Prozent zu profitieren, muss die Mehrheit der Rechte einer oder mehreren Autorinnen zukommen. Über die genaue Verteilung der Rechte wird jedoch im Normalfall erst am Ende der Produktion entschieden. Uns ist durchaus bewusst, dass wir nicht verlangen können, dass ab dem Zeitpunkt der Einreichung keine Änderungen am Drehbuchteam mehr vorgenommen werden, doch wir würden uns eine schriftliche Zusage der Produktion gegenüber den Autoren und Autorinnen wünschen. Wir arbeiten zurzeit noch an einem System, um diese Absicht formell festzuhalten.

 

Gibt es in der Schweiz einen Dialog zwischen den verschiedenen Förderorganen, um gemeinsam gegen Geschlechterungleichheiten vorzugehen?

Eine gemeinsame Absicht, gegen diese Ungleichheiten zu kämpfen, gibt es in dieser Form nicht. Die Fakten sind bekannt, wir wissen, dass es reale Ungleichheiten gibt, und können sie durch Zahlen belegen. Deshalb haben wir diese Massnahme ergriffen. Es ist immer interessant, sich mit den anderen Fonds auszutauschen, um zu erfahren, was ihre Beobachtungen sind und wie sie reagieren. Bei CineRegio zum Beispiel sieht man, dass es in Nordeuropa zahlreiche Initiativen gibt, um gegen die Ungleichheit anzugehen, mittels Stipendien, Mentoringprogrammen oder Quoten. Solche Massnahmen fehlen in der Schweiz. Zu diesem Zweck hat Cinéforom eine Westschweizer Arbeitsgruppe für Diversität geschaffen, um diese Fragestellungen bereichsübergreifend mit Vertretern und Vertreterinnen der Berufsverbände, der regionalen Förderorgane und der Schulen zu diskutieren.

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