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Duo Maxima

Kathrin Halter
20. September 2016

Letzte Woche waren sie noch gemeinsam auf Segeltörn. Jetzt sitzen Brigitte Hofer und ­Cornelia Seitler wieder in ihrer Produk­tionsfirma, der Maximage im Filmhaus an der Zürcher Neugasse. Es ist ein heiss­schwüler Augusttag, wir reden über die Vergangenheit.

Da gibt es viel zu erzählen: Nächstes Jahr existiert Maximage seit zwanzig Jahren. Das alleine macht die Produzentinnen eigentlich schon zu erfolgreichen Unternehmerinnen in einem Land, in dem Produktionsfirmen mittlerweile so schnell entstehen und wieder verschwinden, dass kaum jemand mehr den Überblick behält. Hinzu kommt, dass die Frauen medial sehr präsent waren im letzten Jahr: Beim diesjährigen Schweizer Filmpreis haben die Produzentinnen die wichtigsten Auszeichnungen des Abends abgeholt, für «Köpek» von Esen Isik den Preis für den besten Spielfilm und die beste Darstellerin, für «Above And Below» den Preis für den besten Dokumentarfilm und den besten Schnitt; im Mai kamen für den Dokumentarfilm von Nicolas Steiner noch zwei Lolas hinzu. 

Zwanzig Jahre also. Was hat die beiden Frauen einst zusammengebracht, und wie sind sie überhaupt zum Film gekommen? 
 

Robert Boner, ein Filmvater

Brigitte Hofer, in Luzern aufgewachsen, ist ausgebildete Krankenschwester. Schnell zog es sie hin zum Theater und zum Film: Nach Regieassistenzen am Schauspielhaus in Dortmund arbeitete sie eine Zeitlang als Aufnahme­leiterin in der Werbung. Prägend wurde Robert Boner, der Westschweizer Produzent, den sie in Paris kennenlernte, wo sie ein Jahr lang Filmwissenschaft studierte. Ihn bezeichnet sie als ihren «Filmvater», die Produktions­assistenz in seiner Firma Cinémanufacture, zuerst in Paris, danach in Lau­sanne, als ihre wichtigste Schule. Durch Robert habe sie auch die Branche und die Filmpolitik kennengelernt, sagt Hofer – Boner war massgeblich an der Entwicklung von Succès Cinéma beteiligt. Vor der Gründung von Max­image 1997 arbeitete Hofer noch als Produktionsassistentin bei Ruedi Santschi (Triluna Film) – auch er ein ausgezeichneter Lehrer. Und, so Hofer, ein Kontrastprogramm zu Robert Boner, der risikofreudiger war.

Cornelia Seitler wiederum, gebürtige Thurgauerin aus Arbon am Bodensee, liess sich zuerst zur Primarlehrerin ausbilden und kam nach einem Grundstudium in Germanistik und Psychologie zum Film. Vor der Firmengründung arbeitete sie sieben Jahre lang in der Branche: so unter anderem als Produktions­assistentin bei Limbo Film ­(Lu­ciano Gloor) und dann bei Thelma Film von Pierre-Alain Meier. Es folgten Weiterbildungen, Anstellungen im Verleih bei Rialto Film und bei Praesens sowie im Weltvertrieb von Christa Saredi. 


Was beim Überleben half

Kennengelernt haben sich die Frauen 1992 in Cannes. Sie begegneten sich auf der Strasse, die einzigen Frauen in einer Gruppe von Berufskollegen, und interessierten sich augenblicklich lebhaft füreinander – Seitler erzählt davon fast wie vom Beginn einer Liebesgeschichte (nein, ein Liebespaar sind sie nicht). Aus der Begegnung entstand eine Freundschaft, man traf sich dann in Zürich. 

1997 schliesslich war es soweit: Auf Initia­tive von Brigitte Hofer hin wurde Maximage gegründet. Glück half über den schwierigen Anfang hinweg: Mit «Zeit der Titanen» (2001) von Edgar Hagen und «Gambling, Gods and LSD» (2002) von Peter Mettler stehen gleich zwei gewichtige Kinofilme am Anfang ihrer Filmo­graphie. Mit Mettler entwickelte sich eine bis heute andauernde Langzeitbeziehung, ebenso mit Stefan Schwietert (vier Dokumentarfilme). Mit Esen Isik und Nicolas Steiner sind ebenfalls neue Projekte in Arbeit. 

Die ersten drei Jahre waren hart: Um durchzukommen, arbeitete Hofer am Wochen­ende jeweils als Krankenschwester; Seitler half bei anderen Produktionen aus. Die günstige Infrastruktur und der langjährige Verzicht auf Angestellte halfen beim Überleben. Die Wende kam mit «Swiss Love», einer Spielfilminstallation (Regie: Fulvio Bernasconi) für die Expo 2002, ein 2,4 Mio-Projekt im Auftrag der Rentenanstalt. Danach ging es aufwärts. «Trotzdem wissen wir alle paar Jahre wieder mal nicht, ob es uns im nächsten Jahr noch gibt», so Hofer. 
 

Ausprobieren lassen, mit Umwegen 

Die Produzentinnen demonstrieren Teamgeist, das sieht man bei ihren Auftritten an Preisverleihungen und Festivals bis hin zur Homepage von Maximage, wo ein animiertes Frauenpaar durch die Rubriken tanzt. 

Wie aber teilt man sich die Arbeit auf? Und wie ergänzen sie sich dabei, auch charakterlich? Beim Gespräch übernimmt Seitler oft den Lead; Hofer hört mehr zu. Dabei spürt man eine tiefe Vertrautheit, der Umgang untereinander wirkt so ungezwungen wie entspannt, es wird auch viel gelacht. Seitler ist mehr für Struktur und Ordnung zuständig, sagt sie, Hofer bringt Ruhe und Ausgeglichenheit ein. In den Grundfragen ergänzen sie sich auf jeden Fall sehr gut, sind sich beide einig. Krach gibt es dennoch ab und an, auch wenn man sich dann meist schnell wieder findet. Hofer: «Es ist nicht nur befruchtend, miteinander zu arbeiten, es braucht auch mehr Energie». 

Raum zu schaffen, ausprobieren zu lassen, über Umwege Spannendes zu ermöglichen, das ist es, was Hofer an ihrem Beruf gefällt. «Manchmal muss man jemanden auch in eine Sackgasse laufen lassen, damit ein neuer Weg möglich wird», fügt Seitler an. Hinzu komme die Vielseitigkeit des Berufs: Man muss verhandeln und rechnen können, viel von Recht verstehen, verschiedene Sprachen brauchen. Sich mit verschiedensten Themen auseinandersetzen, mit Leuten sowieso.  
 

Federführend ist nur eine

Ob sie sich auf ein Projekt einlassen wollen, entscheiden sie jeweils gemeinsam. Federführend, wie es in Produzentensprache heisst, ist jedoch immer nur eine von beiden – in «Looking Like My Mother», dem ungewöhnlichen, auch ungewöhnlich berührenden Dokumentarfilm von Dominique Margot über ihre depressive Mutter, war es zum Beispiel Brigitte Hofer. Die jeweils andere bleibt jedoch informiert und könnte laut Seitler jederzeit übernehmen; im Daueraustausch ist man sowieso. In der langen Drehbuchphase von «Looking Like My Mother» zum Beispiel haben sich beide mit eingebracht.

Und wie geht es weiter mit dem Duo Max­image? Sind noch Wünsche offen, über das Jubiläum hinaus? Zur Zeit arbeiten sie an diversen Spielfilmen mit jüngeren Filmemacherinnen aus der ganzen Schweiz. Sie möchte noch weniger Kompromisse eingehen, sagt Seitler, Projekte noch radikaler umsetzen. Und, fügt Hofer an, mit einem solchen Film einmal ein grosses Publikum erreichen. 

Die Hartnäckigkeit, die es dafür braucht, haben sie ja.

Kathrin Halter

«Looking Like My Mother» kommt am 29. September in die Deutschschweizer Kinos. 

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