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Der Film als Sprungbrett


20. September 2016

Filme sind ein Sprungbrett par excellence für das Nachdenken über Recht, Unrecht und das Recht. Die Filmreihe «Recht im Film» an der Universität Freiburg, une perle rare, rückt uns dies ins Bewusstsein und ist in vielerlei Hinsicht so ergiebig, dass sich ein Blick darauf lohnt. Nachahmung erlaubt – ja erwünscht!

Im kommenden Frühlingssemester wird die Filmreihe zum fünften Mal in Serie durchgeführt, seit letztem Jahr wird sie zudem von einer thematischen Klammer zusammengehalten. 2015 war das Thema «Demokratie», 2016 «Freiheit», im kommenden Jahr wird es «Revolution» sein. 

Auch der Ausbildungsgang «Bilingue plus – Recht», eine studien- und berufsbezogene Sprachausbildung für angehende Juristen, beteiligt sich an der Filmreihe. In dem zweijährigen Kurs wird ein Dossier erarbeitet, das thematisch um Sprungbrett-Filme kreist: Erstens wird, wie man das etwa bei der Roman­analyse tut, nach Werkzeug und Wirkung gefragt. Zweitens bieten die Filme aber auch ganz einfach Einblick ins Leben, das ja immer «rechtshaltig» ist. So sind die Filme auch Quelle, Fundus, Anschauungsmaterial – nie aber plattes Abbild der Welt: Immer werden sie auch als Artefakte gewürdigt. Das ist Vermittlung durch Filme, allerdings nicht durch solche, die in didaktischer oder mit PR-Absicht gemacht wurden. Dieser doppelte Zugang – zum Film als Kunstwerk einerseits, zum Film als Einblick in die sogenannte Wirklichkeit andererseits – soll die angehenden Juristinnen und Juristen zum Nachdenken und letztlich auch zu einem erweiterten Verständnis so umfassender Begriffe wie etwa dem der Freiheit führen.

Studiengänge sollen in Handlungswissen münden, auf das Ziel der Arbeitsmarktfähigkeit der Absolventen ausgerichtet sein. Hemds­ärmlig ausgedrückt: Theorie und Praxis sollen näher zusammenrücken. Wissen taugt nur dann, wenn es Hochschulabgänger dazu befähigt, professionell zu handeln. Die Juris­prudenz ist eine argumentative Wissenschaft und orientiert sich ihrem Wesen nach an ab­­strakten Begriffen – etwa an Rechten, Pflichten, Identität, Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit. 

Was aber heisst denn Freiheit eigentlich? Wie zeigt sie sich? Wann und wo? Wo endet die Freiheit einer Iranerin, deren Scheidungsklage vom Gericht abgewiesen wird? Wo beschneidet ihr Freiheitsstreben die Freiheit anderer, etwa die ihrer elfjährigen Tochter? Nein, Ashgar Farhadis «A separation» (2011) beantwortet diese Fragen nicht, sondern schiebt gleich mehrere Dutzend weiterer Fragen nach. So ist es mit jedem der ausgewählten Filme zum Thema Freiheit: Was hiess in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in der Schweiz freie Partnerwahl – für Homosexuelle («Der Kreis», 2014)? Wie frei war eine Französin in den Siebzigerjahren, sich für oder gegen das Austragen eines Kindes zu entscheiden, wie gross die Freiheit des Erzeugers, diesen Entscheid mitzugestalten («La loi», 2014)? Wie frei sind Sterbenskranke, ihr Sterben abzukürzen («The farewell party», 2015)? Was heisst Freiheit im Gazastreifen – für Palästinenser («The Law In These Parts», 2011)? In diesem vielleicht beklemmendsten Film der diesjährigen Reihe wird Hebräisch gesprochen; die Untertitel sind englisch, die Fachlichkeit beachtlich – all das macht ihn anstrengend, schwer verständlich. Und gerade dieser Film hat vielleicht am klarsten – wenn auch keineswegs sprachlich klar – transportiert, was Rechtsprechung heisst und wie weit Gerechtigkeit und Recht auseinanderliegen können. Wie frei ist der Einzelne, darüber zu urteilen? Er ist zum Beispiel so frei, leichthin zu sagen, es kümmere ihn nicht, ob die israelischen Gerichte gerecht entschieden hätten, darüber müssten dereinst die Historiker befinden. Diese anstössige Freiheit nimmt sich einer der in diesem Dokumentarfilm Interviewten; er war während langer Jahre eine Schlüsselfigur in der israelischen Militärjustiz. Auch in «Electroboy» (2014), einem völlig anders gearteten Film über das schier grenzenlose Leben des Florian Burkhardt, ist Freiheit keineswegs nur positiv. 

«Ich glaube, dass die heutige Welt mehr Fragen als Antworten braucht, denn Antworten halten einen davon ab, selber nachzudenken», gab der iranische Regisseur Ashgar Farhadi zu bedenken. Dem gibt es nichts beizufügen – ausser vielleicht dies: Wir sollten nicht aufhören, diese fragende Haltung einzunehmen. Filme sind ein guter Ausgangs- und Bezugspunkt für das Fragen. Das gilt natürlich nicht nur für Themen des Rechts, sondern für jeden Lebensbereich, pour les choses de la vie.
 

Katrin Burkhalter (Dr. phil.), Lektorin für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Freiburg/Schweiz sowie Dozentin für Kom­munikation-Deutsch an der Hochschule Luzern Wirtschaft. 

«Recht im Film» ist ein Programm, das von Prof. Walter Stoffel (Lehrstuhl für Wirtschaftsrecht und internationales Privatrecht, Universität Freiburg) in Zusammenarbeit mit Lucie Bader, Medienwissenschafterin und Verlegerin von Cinébulletin, organisiert wird. 

 

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