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«Das war keine Nacht-und-Neben-Aktion»


06. Juni 2016

Ivo Kummer über die A/B-Kommissionen, die Forderung nach ausländischen Experten und die Abschaffung der Treatment-Förderung. 

Das Gespräch führte Kathrin Halter

 

Weshalb wird das bisherige Rotationsmodell abgelöst?
Zunächst: Ein System zu finden, das alle glücklich macht, gibt es nicht. Bei den guten wie bei den schlechten Projekten sind die Expertisen kein Problem, schwierig wird es im Mittelfeld, wo sich die meisten Projekte befinden. 

Das Rotationssystem versuchten wir um­zusetzen. «Interface» hat in der Evaluation der Filmförderkonzepte 2012-2015 das Prinzip gewürdigt;  es wäre eigentlich das demokratischste Modell, kann aber nicht konsequent umgesetzt werden. Dass die konsequente Umsetzung nicht gelang, liegt an unserem Milizsystem mit Berufsleuten, die manchmal verhindert sind – und wenn sie selber eingeben, in den Ausstand treten müssen. Wir sind ja verpflichtet, die Ausstandsregeln rigoros anzuwenden. Zudem darf man nicht vergessen: Für eine volle Rotation ist die Anzahl Experten beim BAK mit 44 Leuten vergleichsweise klein. Beim Cinéforom sind es über achtzig Leute, die rotieren!

Sie hätten sich für 2016-2019 eigentlich ein Satellitensystem gewünscht? 
Das Satellitensystem mit zwei fixen und drei wechselnden Kommissionsmitgliedern wäre sicher praktikabler als das Rotationsmodell. Es wurde von der Branche aber nicht als gut befunden, weil die zwei fixen Experten gegenüber den drei Rotierenden viel stärker positioniert wären. Dann kam von den Verbänden eine neue Idee auf: eine A- und B-Kommission mit festen Mitgliedern. Da weiss man, wer dabei ist und bei welcher der beiden Kommissionen man eingeben – oder erneut eingeben – möchte. Dieses Prinzip wurde aufgenommen, aber die Dauer des Einsitzes in den Kommissionen von vier auf zwei Jahre verkürzt . 

Worin liegt denn der Nachteil des neuen Systems? Könnte es zu «Copinage» kommen? 
Nein, zu Copinage nicht. Ein System mit Berufsleuten in den Kommissionen kann zu einem Interessenkonflikt führen, für solche Fälle gibt es die Ausstandregel. Auch in den A/B-Kommissionen wird es zu vermehrten Ausständen kommen, etwa wenn jemand selber eine Eingabe macht oder nicht kommen kann. Man kann ja nicht in der eigenen Kommission eingeben, um dann nur beim eigenen Gesuch  in den Ausstand zu treten. Dies führt dazu, dass fixe Mitglieder, gerade Produzenten, nur zweimal statt viermal im Jahr eingeben können, weshalb sie sich etwas benachteiligt fühlen. Aber man kann nicht alles haben. 
Ich vermute, die A/B-Kommissionen werden wie bis anhin funktionieren: mit Mitgliedern, die rotieren und solchen, die bleiben; gewissermassen ein halbes Rotations- und ein halbes A/B-System.

Für die feste Zusammensetzung einer Kommission sprechen Kontinuität und grössere Verbindlichkeit, oder?
Ja, das spricht dafür. Dagegen spricht, dass eine «Ligne editoriale» entstehen könnte, und das will man auch nicht.

Ist es nach wie vor schwierig, genügend kompetente Leute zu finden, die zugleich Zeit und Lust auf die Kommissionsarbeit haben?
Wir berücksichtigen grundsätzlich Leute, die von den professionellen Verbänden vorgeschlagen werden. Wenn diese «Pfeifen» vorschlagen, gibt es eben ein Pfeifkonzert! Im Ernst: Es sind sehr kompetente Leute. Die Arbeit ist im übrigen keine Freiwilligenarbeit. Die Evaluation der Gesuchsdossiers kann ein paar Tausend Franken an Honorar pro Expertensitzung einspielen. Die Mitglieder stellen wir aufgrund ihrer Verfügbarkeit zusammen – sowie nach den Ansprüchen einer ausserparlamentarischen Kommission. Eine Zweijahresplanung ist allerdings schwierig. Wir müssen schauen, dass wir pro Sitzung immer fünf respektive drei Expertinnen und Experten finden, die allen Ansprüchen genügen. 

Weshalb werden keine Experten aus dem Ausland beigezogen?
Bei den Media-Ersatzmassnahmen haben wir nur ausländische Experten. Was die natio­nalen Projekte betrifft: Zwei- und dreisprachige Experten, die zugleich auch noch Produzenten, Regisseure oder Autoren sind, sind im europäischen Raum nur schwer zu finden. Ausser man würde die Projekte nach Sprachkompetenzen aufteilen, sodass jemand die deutschsprachigen, jemand die französisch- und jemand die italienischsprachigen Projekte liest. Das ermöglicht aber keinen Quervergleich mehr, es würde quasi nach Quote entschieden. Das wäre eine ganz andere Filmförderung als unsere, die auf Vielfalt und auf Durchlässigkeit zwischen den Sprachregionen beruht, die Stärke unserer Kultur. Wenn man diese opfern möchte, ist das ein politischer Entscheid. 

Die Zürcher Filmstiftung zieht ebenfalls ausländische Experten bei.... 
Zürich hat es einfacher, weil sie, mit fast ausschliesslich deutschsprachigen Projekten, Experten aus Deutschland beiziehen können. Wir aber müssen die ganze Schweiz abbilden! 

Man könnte übersetzen lassen?
Ich wäre gespannt, wie die Drehbuchautoren auf Übersetzungen reagieren... Es geht ja meist um Herstellungsbeiträge für lange Spiel- und Dokumentarfilme, wo Drehbücher und Dialoge ausschlaggebend sind. 

Wurde die Treatment-Förderung wegen der Flut an Gesuchen abgeschafft?
Das ist  eine Massnahme. Wir hatten die Aufgabe, im Rahmen des Stabilisierungsprogrammes des Bundes Einsparungen vorzuschlagen. Statt linear zu kürzen, haben wir bei der selektiven Treatmentförderung angesetzt. Wir wissen zwar, wie wichtig die Treatment-­Arbeit ist. Treatments haben uns bei der Eintretensprüfung stark beschäftigt. Der administrative Aufwand und die dadurch ausgelösten Kosten stehen in keinem Verhältnis zu den ausbezahlten Beträgen von 5ʼ000 respektive 10ʼ000 Franken. 

Die Streichung ist also eine Notlösung? Drehbuchförderung wäre eigentlich erklärtermassen wichtig. 
Treatment ist nicht gleich Drehbuch. Es war keine Nacht-und-Nebel-Aktion. Wir haben die Massnahme in den Verbänden und mit den regionalen Förderern diskutiert.  Ein Produzent kann nach wie vor Succès-Cinéma Gutschriften aus der erfolgsabhängigen Filmförderung des Bundes für Treatments verwenden. Und der Bund investiert insgesamt ja bereits 1,2 Millionen Franken in die Drehbucharbeit, das darf man nicht vergessen. 

Ist die Stimmung in der Branche eigentlich oft schlechtgelaunt? Wie erleben Sie das?
Nein, das nicht. Aber wir werden immer wieder mit denselben Fragen und Anliegen konfrontiert. Nach vielen Diskussionen möchte ich nun umsetzen, mit der Arbeit beginnen. «Liefern statt lafern». Das macht mich manchmal ungeduldig. 

 

 

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