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In Treatment?


06. Juni 2016

Eigentlich herrscht ja in der Branche Einigkeit darüber, dass der Schweizer Spielfilm eine zarte Pflanze ist, die noch viel Wasser braucht, um es mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen zu können. Wasser gleich gute Drehbücher. Diese wiederum sollen auf guten Treatments basieren. Ein «Treatment» ist in diesem Zusammenhang keine Behandlung beim Psychotherapeuten, sondern ein Text von zehn bis zwanzig Seiten, der die Grundlage eines Spielfilm-Drehbuchs bildet. Die Ansprüche der Fördergremien an solche Treatments sind in den letzten Jahrzehnten stets gestiegen. Die Schweizer Drehbuchgruppe SCENARIO formuliert das so: «Beim Schreiben eines Treatments werden Struktur, Thema, Plot und Figuren einer Filmgeschichte weitgehend definiert. Das Erarbeiten eines solchen Treatments ist oft die schwierigste und arbeitsintensivste Phase der gesamten Drehbuchentwicklung.»
Nur logisch also, dass Bundesrat Didier Burkhalter vor fünf Jahren verkündete, das Bundesamt für Kultur werde künftig Spielfilm-Treatments finanziell unterstützen: «Die Erarbeitung der Geschichte, die uns ein Film erzählen will, soll dadurch gefördert werden. Denn eine gute, packende Geschichte ist das Fundament für einen guten Film. Darum ist es wichtig, verstärkt in gute Geschichten zu investieren». 
Dieser Entscheid schien zwingend: Erstens kann gerade in der ersten Entwicklungsphase eines Drehbuchs mit wenig Fördergeldern viel bewirkt werden, denn die zu investierenden Summen sind winzig im Vergleich zu den Herstellungskosten eines Films. Zweitens ermöglichte diese Treament-Förderung den vom Bundesamt ausgewählten Kommissionen, schon im Anfangsstadium mitzuentscheiden, welche Ideen und Themen überhaupt erst zu Filmstoffen ausgearbeitet werden.
Dennoch hat das Bundesamt für Kultur diese Förderung nun wieder beerdigt. Nach nur gerade drei Jahren. Mit der entwaffnend ehrlichen Begründung, das Lesen der eingereichten Dossiers verursache einen zu grossen Arbeitsaufwand.
Das Bundesamt verteidigt diesen Entscheid mit dem Verweis auf kantonale Förderungen – die es aber nicht in allen Kantonen gibt – sowie Stiftungen wie Migros Kulturprozent. Gerade letztere aber wollte ihre Ideenförderung für Drehbücher eigentlich einstellen – weil man eben davon ausging, der Bund habe dies übernommen. 
Wer also soll in Zukunft die Treatment-Arbeit finanzieren? Zwar gibt es mit Succès Cinema ein erfolgsabhängiges staatliches Förderinstrument. Doch erstens können solche Gelder erst ein Jahr nach der Auswertung eines Films abgerufen werden. Zweitens gibt es nun mal keine Autorenkarriere ohne Flop. Selbst Billy Wilder hat «Kiss Me, Stupid» gedreht. Und für uns Normalsterbliche gilt erst recht: Ab und zu schreibt man halt auch mal einen Film, den kaum einer sehen will, der also kaum Succès Cinema-Gelder generiert. So fehlt gerade am Anfang der Drehbuchentwicklung oft das Geld für seriöse Arbeit. 
Letztlich wird mit dem Abschaffen der staatlichen Treat­mentförderung das Bewässern der Schweizer Drehbuchpflanzen auf noch mehr und kleinere Gieskannen verteilt – jede darf ein paar Tropfen beisteuern. Das Honorar meines letzten Spielfilm-Drehbuchs zum Beispiel setzte sich zusammen aus Beiträgen von nicht weniger als vier Förderinstitutionen. Dass die Kommissionen all dieser Giesskannen unabhängig voneinander urteilen, macht das Finanzieren eines Drehbuchs noch zusätzlich komplex. Rechnet man die abschlägigen Bescheide hinzu, habe ich ein halbes Dutzend Förderanträge geschrieben – wohlgemerkt nur für die Finanzierung eines Drehbuchs, nicht etwa des eigentlichen Filmes. Eine fast schon absurd ineffiziente Arbeitsweise. Versucht man Nicht-Branchenmitgliedern den Sinn solcher Prozesse zu erklären, blicken sie einen in der Regel verständnislos an.  
Da drängt sich doch die Frage auf: Wie wichtig ist dem Bundesamt für Kultur der Schweizer Film? Kann seine Sektion Film tatsächlich nicht genügend Mittel zur Verfügung stellen, um ein paar Dutzend zusätzliche Dossiers pro Quartal zu bewerten? Das ist doch im Grunde lächerlich. Wie soll die Schweizer Filmpflanze unter solchen Umständen wachsen und gedeihen?   

Jann Preuss, Drehbuchautor und Regisseur
Mitglied der Drehbuchgruppe SCENARIO

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