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Bei Cinéforom werden keine Drehbücher mehr bewertet

Pascaline Sordet
14. November 2017

Der Stiftungsrat von Cinéforom hat entschieden, das Verfahren bei der Drehbuch- und Entwicklungsförderung zu ändern. Ab Januar werden die Projekte nicht mehr von der Auswahlkommission begutachtet. 

Von Pascaline Sordet
 

Redigieren eines Dossiers und eines Be­schriebs, Erstellen eines Budgetentwurfs, Eingabe nach dem Zeitplan der Kommissionen und Abwarten des Entscheids: Ab Januar ist Schluss mit diesen vertrauten Vorgängen bei der Drehbuch- und Entwicklungsförderung von Cinéforom. Die Stiftung hat entschieden, das Verfahren zu ändern und die Projekte auf Grund einer Automatik zu unterstützen, die zu Investitionen anregen soll. Das heisst, ein Produzent, der eine Drehbuchförderung wünscht, wird einen Betrag aus einem seiner Förderguthaben (Succès Cinéma, Succès Passage Antenne, Succès Zürich oder Cinéforom-Guthaben) investieren müssen, den die Stiftung dann verdoppeln wird – ohne dass diese Einfluss nimmt auf die weitere Entwicklung der Arbeiten. Die Obergrenze liegt im Spielfilmbereich bei 30ʼ000 Franken pro Projekt.
 

Gründe für die Umstellung

Ein Grund dafür ist die Arbeitsüberlastung bei den meisten Förderinstanzen wegen der vielen Gesuche. «Wir haben uns überlegt, wie wir die Professionalisierung der Branche verbessern und die Autoren, Regisseurinnen und Produzenten dazu bringen könnten, verantwortungsvolle Entscheide zu treffen, statt einfach ein Projekt zu lancieren und die Meinung der Auswahlkommission abzuwarten», sagt Gérard Ruey, Generalsekretär von Cinéforom. Würde man in der Schweiz wie in manchen europäischen Ländern stärker auf Automatik setzen, könnte dies der Entwicklung der Branche nützen, vermutet er. «Das hätte ich vor einigen Jahren noch nicht gesagt, doch vielleicht haben wir damals den rein kulturellen und kreativen Aspekt zu stark gewichtet und die Branchenstruktur zu wenig berücksichtigt.»

Die automatische Förderung gibt es bei Cinéforom bereits – unter der Bezeichnung «komplementäre Förderung» («Soutien complementaire»). Diese stockt die Beträge auf, die im Rahmen des Pacte de l’audiovisuel vom BAK oder von der SRG zugesagt wurden. Übrigens hatten die bestehenden Verfahren, an die sich das neue anlehnt, immer schon erfolgsabhängige Komponenten. Die Debatte rund um die Vorteile der automatischen gegenüber der selektiven Förderung dreht sich im Kreis: «Die Autoren reagieren eher ängstlich, weil ihres Erachtens die automatische Förderung den Produzenten zu viel Einfluss verschafft. Doch die beiden Berufsstände sind keine Gegner, sie brauchen sich gegenseitig!».
 

Blitzkonsultation

Bevor das Projekt dem Stiftungsrat vorgelegt wurde, konsultierte Cinéforom zwei Verbände, die sie als Branchenreferenz betrachtet: Fonction:Cinéma und AROPA. Beide sprachen sich Ende August für die Änderung aus. In AROPA sind alle Personen vereint, die in der Vergangenheit Förderbeiträge von Cinéforom erhalten haben, also Produzenten oder Autoren-Produzenten. Der neu gewählte Vorstand* stimmte ohne Konsultation der Mitglieder über den Änderungsvorschlag ab. Sie wurden erst im Nachhinein informiert. «Wir haben diese Änderung nicht leichtfertig akzeptiert, denn sie erschwert unsere Situation eher», sagt Joëlle Bertossa, Produzentin und Ko-Präsidentin von AROPA. «Sie vermindert die Zahl der Eigenproduktionen und die Arbeitslast der Kommissionen.» Als Produzentin findet sie es logisch, die Rolle der Produzenten bei der Filmfinanzierung zu stärken, da diese die finanzielle Verantwortung für das Projekt tragen.

Kurz vor der Abstimmung Anfang Oktober schrieb eine Gruppe von Branchenvertretern dem Stiftungsrat von Cinéforom und dem Vorstand von AROPA einen Brief, der von 95 Persönlichkeiten unterzeichnet wurde und Besorgnis über diese Änderung ausdrückte. Die Unterzeichnenden forderten eine Verschiebung der Abstimmung und eine breitere Vernehmlassung in der Branche. Sie wiesen insbesondere darauf hin, wie schwierig es für junge Produzentinnen und Produzenten ist, wenn der Zugang zu den Förderbeiträgen nicht auf Grund der Qualität der einzelnen Projekte, sondern nur auf Grund früherer Erfolge der Produktionsfirma möglich ist. «Zu Beginn tauchen immer Unsicherheiten und Fragen auf, erst später erweist sich die Branche jeweils als bemerkenswert anpassungsfähig», sagt Gérard Ruey. Wer ein erstes Projekt produzieren möchte, wird von Cinéforom und AROPA darauf verwiesen, dass man sich ja nach wie vor an das BAK, an die SRG oder an das Migros-Kulturprozent wenden kann. Das Sekretariat von Cinéforom wird den neuen Mechanismus in einem ersten Zwischenbericht vermutlich per Ende 2018 evaluieren und wenn nötig Anpassungen vornehmen. Schätzungen auf der Basis der Zahlen von 2012 bis 2016 zeigen, dass eine automatische Förderung 193 statt 140 Projekte unterstützt hätte, verteilt auf 74 statt auf 61 verschiedene Firmen.

* Gemäss den Statuten müssen im Vorstand von AROPA Mitglieder nationaler Verbände einen Sitz haben. Vertreten sind heute: Fonction: Cinéma, ARF/FDS, GARP, SFP, STFG und die IG.

 

Ziele:

Beschleunigung Die Produzenten brauchen nicht mehr auf die Antwort der Kommission zu warten, bis sie mit der Pro­jekt­entwicklung beginnen können.

Anregung Die Produzentinnen, die ihre Fonds mobilisieren, werden belohnt, denn je mehr sie investieren, desto mehr erhalten sie.

Zusammenarbeit Das Tandem Autor-Produzent wird stärker, wenn die Kommissionen keine Neufassungen des Drehbuchs verlangen können und dies nicht mehr als Ausrede für den Verzicht auf ein hinkendes Projekt dienen kann.

Sicherheit Die Arbeit der Autoren wird auf transparente Weise vergütet, da die Produzentinnen nicht mehr als 15% des Entwicklungsbudgets für Löhne und allgemeine Auslagen einsetzen dürfen.

Organisation Ein junger Autor dürfte ein Interesse haben, in eine bestehende Firma einzutreten, statt eine eigene Produktionsfirma aufbauen zu müssen.

 

Unbeantwortete Fragen:

Animation Kurzfilme erhalten nur von Succès Festival Gutschriften, was die Animationsfilmer in eine schwierige Lage bringt, umso mehr, als ihre Projekte aufwendige Entwicklungsphasen erfordern.

Erfolg Sind mehrere Filme gleichzeitig erfolgreich, sinken die Gutschriften von Succès Cinéma, manchmal bis auf 40% des vorgesehenen Betrags, was die verfügbaren Ressourcen der Produzenten und deren Planung beeinflusst.

Verfügbarkeit Es wäre wünschenswert, den Zugang zum Förderungsfond während des laufenden Jahres zu ermöglichen, beispielsweise über ein Akonto-System, das die Eintritte für das ganze Jahr antizipiert.

Explosion Wenn die Produzentinnen viel in die Filmentwicklung investieren, könnten die Cinéforom-Guthaben gesprengt werden.

Unternehmen Ein Produzent, der zum Zeitpunkt der Gründung seiner Produktionsfirma noch keine Förderguthaben hat, kann sich bei der Projektentwicklung nicht mehr an Cinéforom wenden.

Gutschriften Succès Passage Antenne ist von der Zukunft des Pacte de l’audiovisuel und somit von der SRG abhängig, deren weiteres Schicksal an der Abstimmung vom 4. März geklärt wird.

 

  Originaltext: Französisch

 

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