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Artikel

« Auch arrivierte Filmschaffende drehen immer wieder Kurzfilme »


01. Oktober 2015

John Canciani, directeur artistique des Journées internationales du court métrage de Winterthour, nous parle de la force du documentaire, du talent de conteur des Romands et du passage du court au long métrage.

 

John Canciani, künstlerischer Leiter der Kurzfilmtage Winterthur, über die Stärke des Dokumentarischen, die Romands als Geschichtenerzähler und den Sprung vom Kurz- zum Langfilm. 

Das Gespräch führte Kathrin Halter

 

Was fällt Ihnen in den letzten Jahren beim Schweizer Wettbewerb auf ?

Es werden seit einigen Jahren mehr Dokumentationen eingereicht. Zugleich fällt uns auf, dass diese oft mutiger sind als Kurzspielfilme; auch das, was wir als relevant empfinden, findet sich häufiger im Dokumentarischen. Diese Stärke widerspiegelt sich in unserer Auswahl: Schätzungsweise ein Drittel der Wettbewerbsbeiträge sind Dokumentarfilme oder werden als solche empfunden. 

Wie erklären Sie sich das ? 

Die Schweiz ist im Dokumentarfilm bekanntlich stark, es gibt diese lange Tradition. Das beginnt schon in den Filmschulen, wo – besonders an der HEAD und bei der Studienrichtung Video an der HSLU – die hybriden, experimentelleren Formen zwischen Dokumentar- und Spielfilm gepflegt werden. Auch in der Kunstszene gibt es seit einigen Jahren immer mehr Leute, die mit dokumentarischen Techniken arbeiten. Es interessiert uns, wenn sich Kunst und Film vermischen, vereinzelt zeigen wir auch installative Arbeiten, die eigentlich für die Black Box entstanden sind. Im Kinosaal, mit seinem Zwang zum Schauen, können diese sehr gewinnen, weil sie intensiver wirken, cineastisch werden. 

Stimmt der oft geäusserte Eindruck, dass Westschweizer im Spielfilm stärker sind ? 

Tatsächlich sind Filme aus der Romandie, proportional gesehen, im Wettbewerb stärker vertreten; seit ein paar Jahren schon stellen diese etwa die Hälfte der Beiträge. 
Man hat schon den Eindruck, dass die Romands oft die besseren Geschichten­erzähler sind, auch im Kurzfilm. Das hat zum einen mit den Dialogen zu tun; vielleicht klingt das Französische für unser Empfinden auch besser. Im deutschsprachigen (Kurz-)Spielfilm wirken die Dialoge oft wie geschrieben, wie Theater-Dialoge mit Kunstpausen, was im schlechten Fall künstlich oder hölzern klingt. Ich vermisse oft natürliche Übergänge bei den Dialogen, Überschneidungen, dass die Figuren auch einmal durcheinander reden. Vielleicht sind auch die Dialekte im Schweizerdeutsch ein Problem. Manchmal klingen Dialoge wie Patchwork, wenn Schauspieler auf ihrem Dialekt beharren. Das empfinde ich eher als limitierend statt bereichernd.

Könnte das auch mit der Ausbildung an den  Filmhochschulen zu tun haben? 

Ich habe den Eindruck, dass sich Romands, gerade auch die Filmstudenten, in Filmgeschichte besser auskennen, zumindest wenn’s um das Autorenkino geht. Handkehrum können die Bezüge und Einflüsse – von der Nouvelle Vague bis zu den Dardenne-Brüdern – auch zu offensichtlich werden. 
Filme aus Deutschschweizer Filmhochschulen, insbesondere aus der ZHdK, wirken hingegen oft wie Visitenkarten, sie sind technisch und handwerklich versiert, solide und sehr professionell produziert, auch fernsehtauglicher. Sie nehmen also, könnte man sagen, die vom Bund geforderte «Berufsbefähigung» ernster; Filmhochschulen in der Romandie sind da allenfalls freigeistiger und stärker vom Denken einer ehemaligen Kunstgewerbeschule geprägt. 

Der Sprung vom Kurzfilm zum Langfilm ist gross. Jeder möchte schliesslich, wenn er kann, lieber Langfilme drehen – so das Klischee. Stammen die meisten Kurzfilme deshalb von Jungen und von Filmschulabsolventen?

Nein, es gibt auch Filmschaffende wie Eileen Hofer, Jonas Meier oder Corina Schwingruber Ilić, die immer wieder nach Winterthur zurückkehren. Eileen Hofer hat aus einer Figur ihres Langfilms «Horizontes», der bald im Kino läuft, einen Kurzfilm gemacht. Auch Ursula Meier dreht weiterhin Kurzfilme, wenn auch teils auf Anfrage. 
Leute wie Peter Volkart, der sich ein Leben lang dem Kurzfilm verschrieben hat, bleiben zwar eine Ausnahme. Dennoch beobachten wir, dass die – wie es scheint immer länger werdende – Zeit zwischen zwei Langfilmen vermehrt genutzt wird, um Kurzfilme zu drehen. Die Leute wollen ja arbeiten. Uns ist auch aufgefallen, dass Leute, die mehrere Kurzfilme gedreht haben, das Format auch später immer wieder nutzen – diese Entwicklung hat zugenommen. Auch der Experimental- und Kunstfilm entsteht mehrheitlich im Kurzfilmformat.

Kurzfilme haben es extrem schwierig in der Kinoauswertung. Gibt es andere Vertriebsmöglichkeiten ?

Einzelne Programm- und Arthouse­kinos wie die Cinématte in Bern, das Riffraff in Zürich oder das Filmfoyer Winterthur sind durchaus bereit, Kurzfilme zu programmieren, sei es als Vorfilm, als Best-Of eines Festivals oder auch mal als Programmblock, doch das sind Ausnahmen. Auch das Fernsehen tut sich schwer – man spricht ja bezeichnenderweise von «Füllern», oder dann laufen die Filme gleich um ein Uhr morgens. 
Das Netz wiederum, so scheint mir, wird überbewertet. Viele Kurzfilme funktionieren dort sehr gut, doch nicht alle sind dafür prädestiniert: Filme von Basil da Cunja zum Beispiel gewinnen sicher nicht auf dem Computer, dafür sind sie zu zart. Auch stimmen häufig die Bildformate nicht. Die Frage ist auch, wie man die Filme findet. Und da schon das Geschäft mit Langfilmen auf VoD-Plattformen nicht gut läuft, wäre es ein Wunder, wenn es mit Kurzfilmen anders wäre: Zwar haben alle Ideen, aber niemand hat Geld fürs Marketing. 
So bleiben die (Kurzfilm-)Festivals immer noch der wichtigste Ort für die Auswertung. 

 

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