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Artikel

Ein Tier mit zwanzig Köpfen


01. Oktober 2015

Comment éviter les discussions infructueuses sur le plateau ? Et quand les différends artistiques ont-ils au contraire leur raison d’être ? Une table ronde s’est penchée sur la « Communication sur le plateau ».


Wie vermeidet man unfruchtbare Diskussionen am Set? Und wann sind künstlerische Konflikte wichtig?
Ein Podium debattierte über «Kommunikation am Filmset».


Von Kathrin Halter

Klaus Kinski, das geniale Monster, greift Werner Herzog zähnebleckend an den Hals, dieser weicht zurück und lacht dabei, oder täuscht das bloss ? Ist das Ganze publikumswirksame Selbstinszenierung für den Setfotografen oder eine Momentaufnahme, die den tatsächlichen, legendär gewordenen Machtkampf bei den Dreharbeiten von «Fitzcarraldo» (1982) sichtbar macht? Das Bild wirkt ikonisch, eine Metapher für die Fehden und Bösartigkeiten, die sich zuweilen auf dem Set abspielen. 
Mit dieser Aufnahme hat Zürich für den Film einen Filmtalk über «Kommunikation am Filmset» beworben. Es ist bezeichnend, dass es kein Bild aus einer Schweizer Filmproduktion war. Man fragt sich: Gibt es solch drastische Konfliktbilder überhaupt? 
An der Podiumsdiskussion ging es denn auch immer wieder um kulturelle Unterschiede, besonders zwischen der Schweiz und Deutschland. Ein Fazit der Runde: Dreharbeiten in der Schweiz sind weniger hierarchisch organisiert als in Deutschland. Das scheint aber nicht etwa zu mehr Zufriedenheit zu führen, sondern paradoxerweise eher zu mehr schlechter Laune. Diese jedenfalls wurde geradezu zu einem Schweizer Phänomen erklärt, zum Beispiel von Manuel Flurin Hendry: «Es gibt hier Leute, die den Mund aufmachen, wenn sie ihn halten sollten, eine Form von Gemotze und Gemaule, die weder den Film noch die Arbeit besser macht. Ich habe das in Deutschland oder Österreich nie so erlebt.» Delia Mayer wiederum findet, private Probleme gehörten nicht auf das Set; in Deutschland seien Mitarbeiter diesbezüglich professioneller, auch weil man es sich angesichts der grösseren Konkurrenz schlicht nicht erlauben könne, die Gruppendynamik mit solch «negativen Emotionen» zu beeinflussen. Auch Michael Steiger attestiert Mitarbeitern in internationalen Produktionen ein professionelleres Verhalten. Die «Riesenunterschiede» führt er gerade darauf zurück, dass es in Deutschland mehr Zuständigkeiten gäbe, die Leute auch mehr ausgelastet seien: «Meine Erfahrung: Bei internationalen Produktionen ist es easy, weil man sich weniger behaupten muss, die Atmosphäre ist freundlich und professionell.» 

Die Regie hat Recht

Nun gibt es natürlich kreative Konflikte, die produktiv und nötig sind und auch genutzt werden, gerade in der Schauspielführung. Leidenschaftliche Auseinandersetzungen der Sache wegen. Über Geschmack lässt sich allerdings nicht diskutieren, warf Hendry ein. Vor allem, müsste man ergänzen: Nicht mit jeder und jedem. Und überhaupt: Was hat Basisdemo­kratie im Film verloren? 
Es brauche da eben ein Grundvertrauen, von Seite des Regisseurs zudem eine Überzeugungskraft mit den Mitteln der Rhetorik. Nicolò Settegrana sieht das ähnlich: «Es ist ganz einfach: Die Regie hat Recht. Dort liegt schliesslich die ganze Verantwortung.» Und wenn einmal etwas schief läuft, dann führe er diese Auseinandersetzung sicher nicht in Anwesenheit von Schauspielern. 
Es ging da in der Debatte plötzlich auch um den alten Gegensatz von Moral versus Kunst: Menschenfreundlichkeit ist bekanntlich keine Voraussetzung für Erfolg, Nettigkeit und Kunst bedingen sich nicht gegenseitig – obwohl Hendry wie Mayer «das Regieren mit Angst und Terror» dann doch grässlich finden.

Humor löst vieles

Die Gruppendynamik am Set beschrieb Delia Mayer einmal schön als «Tier mit zwanzig Köpfen, bei dem sich alle gegenseitig beeinflussen und anstecken mit ihren Gefühlen und Fehlern».
W
ie aber geht man mit schwierigen Mitarbeitern um und wie mit «Miese­petern» und «faulen Eiern» (so Moderatorin Gabriela DʼHondt)? Wie vermeidet man unproduktive Debatten und wie setzt man professionelle(-re)s Verhalten durch? 
Hendry empfahl klare Kommunikation und eine leise Stimme, um wirklich gehört zu werden. Und Humor, diese «mächtigste Entspannungswaffe». 
Mayer bevorzugt alles, was Leichtigkeit, Ruhe und Intimität auf dem Set ermöglicht, eine Art Schutzraum für Schauspieler, der vieles möglich macht. 
Gerlinde Ladera, die Konfliktexpertin, empfiehlt den stets respektvollen Umgang, eine präzise, sachliche und «gewaltfreie» Kommunikation. Und dafür, bockige Mitarbeiter auch mal kurz auf die Seite zu nehmen, um etwas unter vier Augen zu klären. 
Steiger schliesslich erinnerte an «eine der wichtigsten Produzentenaufgaben», das kluge Zusammenstellen des Teams: «Leute zu engagieren, die es nicht miteinander können, ist fahrlässig.»

 

Am Filmset werden dauernd Entscheidungen getroffen. Doch was tun, wenn man sich nicht einig wird? 
Der 44. Zürcher Filmtalk vom 8. September im Kino Xenix beschäftigte sich mit dem Thema «Kommunikation am Filmset», eingeladen hat­te Zürich für den Film. Teil­­­­­­nehmer des Podiums waren Schauspielerin Delia Mayer («Tat­ort»), Konfliktexpertin Gerlinde Lade­ra, Kameramann Nicolò Sette­grana, Regisseur Manuel Flurin Hendry («Strähl») sowie Produzent Michael Steiger (C-Films), es mode­rierte Gabriela DʼHondt.

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