MENU Schliessen

Untitled – Ein Nachruf auf den Kameramann Attila Boa

Kurt Mayer
27. Februar 2023

Attila Boa auf dem Set von «Untitled» von Regisseur Michael Glawogger © Michael Glawogger

Der Schweizer Kameramann Attila Boa ist gestorben. Filmmacher und Produzent Kurt Mayer widmet Boa, der in Österreich gelebt und gearbeitet hat, einen Nachruf. 

Wie die Windhexen der Wüste den Wind, verstand er das Licht für die Verbreitung seiner Eindrücke und Phantasien zu nützen. Attila Boa 1966 in Bern geboren, Sohn eines ungarischen Vaters und einer Deutschen, war bis 2005 Kameraassistent von Wolfgang Thaler bei den Filmen Ulrich Seidls und später als Kameramann bei allen grossen Filmen von Michael Glawogger dabei, zuletzt bei «Untitled», wofür er 2017 den Deutschen Kamerapreis für Dokumentarfilm erhielt. Glawogger starb bei den Dreharbeiten 2014 an Malaria in Monrovia. Das war für Attila eine große Zäsur, viele Sinnfragen danach und keine Bereitschaft mehr, «jeden Scheiss» zu machen.

Ich erinnere mich an eine aus dem Nest gefallene Krähe, gerettet vor unserem Haus und von ihm und seiner Frau Dominique liebevoll betreut bis sie flügge war. Ich erinnere mich an lange Tage vor Notre Dame und in eisiger Kälte im tief verschneiten Moskauer Gorki-Park für den Film «Planet der Spatzen». «Winterreise» war unser letztes grosses gemeinsames Projekt. Die Eselsfrauen von Oberdrosen, der Einbruch der Pandemie, «Kontinent der Vertreibung» waren die letzten Sujets, an denen ich mit ihm arbeiten durfte. Ich denke an seine geliebte Aaton-Minima, für Jean-Luc Godard in Grenoble entwickelt. An Attilas Widerständigkeit gegen die glatte Perfektion vieler Industrieprodukte – ganz der französischen Filmkultur und Lebensart verpflichtet.

Kennengelernt habe ich ihn 1999, als er mich bei der technischen Vorbereitung einer Fahrt durch das grosse Sandmeer der ägyptischen Wüste unterstützte. Aufmerksamkeit und Phantasie, Handwerk und Ordnungssinn. Schon damals beeindruckte mich seine Sorgfalt in der Konstruktion projizierbarer Wirklichkeit. Später erfuhr ich seinen Respekt vor dem Leben der Menschen, denen wir uns mit der Kamera nähern konnten. Er war Humanist, klug ohne geschwätzig zu sein oder andere herabzusetzen. Dem Zauber des Blicks verpflichtet, den er zu generieren verstand, nimmt er uns mit auf bewegende Reisen. Zufall war ein Geschenk der Geduld, mit Empathie erfasst und festgehalten. Beliebigkeit war im zuwider. «Die Einstellung ist die Einstellung», ein Satz der Filmwissenschaftlerin Gertrude Koch, bestätigt sich in Attila Boas Filmarbeit auf beeindruckende Weise.

Zuletzt hatte er sich mit seiner Frau auf einen Hof im niederösterreichischen Waldviertel zurückgezogen - gestimmt auf den Wechsel der Jahreszeiten, auf ein Leben mit Bienen, Hühnern und Füchsen, das nicht fremdbestimmt war. Attila Boa starb nach schwerer Krankheit am 7. 2. 2023.

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife