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Treffpunkt: Dieter Fahrer

Kathrin Halter
31. Mai 2022

© Solothurner Filmtage

Wie kann die Zugänglichkeit filmischer Werke nach dem Tod von Rechtein­haber:innen oder der Auflösung von Produktionsfirmen gesichert werden? Wie können Urheber- und Nutzungsrechte übertragen werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Projektgruppe rund um den Filmemacher und Produzenten Dieter Fahrer. Wir haben mit ihm ­darüber gesprochen, was eine intelligente Nachlassregelung ausmacht und weshalb sie so wichtig ist.   

Was hat Sie bewogen, sich mit Übertragung von Urheber- und Nutzungsrechten zu befassen? Gab es einen bestimmten Anlass? 

Nach dem Tod meines Geschäftspartners Res Balzli 2019 fanden wir an verschiedenen Orten einen überbordenden Nachlass. Als wir uns da durcharbeiteten, erklärte mir meine Tochter so freundlich wie bestimmt, dass sie sich dereinst nach meinem Tod nicht dasselbe antun möchte. Ein berechtigter Wunsch. Man tut seinen Kindern keinen Gefallen, wenn man seinen filmischen Nachlass nicht rechtzeitig regelt, da damit viele komplexe rechtliche Fragen verbunden sind, die längst nicht alle interessieren. Es braucht Fachwissen und gibt viel Arbeit. 

Ich kümmerte mich also um die Nutzungsrechte an Filmen von Balzli&Fahrer – und begann mich grundsätzlich mit der Thematik zu befassen. Ich habe dann ein Projekt angerissen, bei dem insbesondere Salome Horber von Suissimage, aber auch die Kinemathek Lichtspiel, die Cinémathèque suisse, Leute aus den Filmverbänden und das BAK mitwirkten. Daraus entstand ein Panel an den letzten Solothurner Filmtagen und eine hilfreiche Checkliste zur Übertragung von Nutzungsrechten (siehe Box). 

 

Wohin haben Sie denn die Rechte der Firma Balzli&Fahrer übertragen?

Bei einigen Filmen habe ich die Rechte an die Autor:innen übertragen, das geht ganz einfach, mit Hilfe eines Formulars von Suissimage. Die Nutzungsrechte der von mir realisierten Filme, sowie jener von Felix Tissi, gehen per Ende 2022 an die Kinemathek Lichtspiel. Wichtig ist vor allem, dass die Rechte beieinander bleiben. So war es im Fall von Peter Liechti: Res Balzli besass die Rechte an drei seiner frühen Filme, so haben wir nach Peters Tod 2014 die Urheber-Nutzungsrechte an die Liechti Filmproduktion übertragen, die von Peters Erbin, Jolanda Gsponer, als Gesamtkunstwerk betreut wird, denn wir fanden es unsinnig, wenn in einem so geschlossenen Werk die Rechte fragmentiert bleiben. Bleiben die Rechte beieinander, ist auch der Zugriff viel einfacher – das Ziel soll ja sein, dass die Filme zugänglich bleiben. Im Alltag von Filmarchiven, Kinos oder Festivals kommt es aber immer wieder vor, dass Filme blockiert sind, weil die Rechtslage nicht restlos geklärt werden konnte. 

 

Was geschieht nach dem Tod von Filmschaffenden, die die Nutzungsrechte an ihren Filme nicht übertragen haben?

Diese gehen dann einfach an die Erben weiter. Das betrifft aktuell vor allem jene Generation von Autoren-Produzent:innen, denen ich angehöre.  

Zu einem Problem wird das generell bei verzweigten Erbfolgen mit mehreren Kindern oder anderen Erb:innen, wenn diese vielleicht in verschiedenen Ländern leben, von der Materie keine Ahnung haben oder nicht auffindbar sind. Die Rechte fragmentieren sich damit sehr schnell. Gelegentlich gibt es auch Rechtsstreitigkeiten unter den Nachkommen. Denkbar ist auch, dass ein Erbe oder eine Erbin findet, das Werk solle nicht mehr gezeigt werden. 

 

Besonders Filmarchive bieten sich an für die Rechteübertragung. Weshalb habt ihr euch fürs Lichtspiel entschieden? 

Ein grosser Teil unserer Archivbestände, auch physisches Material wie Plakate, sind bereits dort; zudem wurden die meisten Filme von Bern aus produziert. Da hat sich das Lichtspiel aufgedrängt. Es gibt da auch ein grosses Know-How, besonders bei der Digitalisierung. Auch die räumliche Nähe kann mitspielen bei der Wahl. Für die Filme von Alain Tanner wurde ein Verein gegründet, an dem auch die Cinémathèque beteiligt ist. Marcel Hoehn von T&C-Film wiederum hat sämtliche Nutzungsrechte dem Verleih Frenetic Films übertragen. 

Kinematheken sind übrigens auch sehr an Drehbüchern interessiert, an Unterlagen zur Finanzierung oder an Verträgen. Was ebenfalls für Archive spricht: diese sind in der Regel Mitglieder der FIAF, der internationalen Vereinigung der Kinematheken, die einen Ethik-Codex befolgt und genau festlegt, wie mit den Materialien umgegangen wird. Auch wir haben einiges der Cinémathèque suisse hinterlassen; Kopien aller BAK-geförderten Filme müssen dort ja sowieso hinterlegt werden. 

 

Werden Nutzungsrechte zu Lebzeiten übertragen, müssen vertragliche Verpflichtungen beachtet werden. Das betrifft auch internationale Koproduktionen... 

Das wird in den Koproduktionsverträgen einigermassen klar geregelt. Dort wird ja festgelegt, wer wie viel erhält, wenn einer der Partner den Film zum Beispiel ans Fernsehen verkauft. Dazu kommen bei vielen Filmen auch Verleihverträge, World Sales-Verträge etc. Es gibt also Rechteabtretungen, die man genau anschauen muss.  

 

Das betrifft auch Musik-Lizenzen oder Lizenzen von Archivmaterialien etwa in Dokumentarfilmen wie Fotos oder Filmausschnitte? 

Ja, wobei diese sogar oft nur für eine begrenzte Zeit oder eine begrenzte Region gelten. Das alles aufzuarbeiten und zu regeln ist teils sehr mühsam, gerade bei älteren Filmen. Fehlen Lizenzen, kann das teuer werden. Und die Problematik verschärft sich im digitalen Raum, weil die Verbreitung fast unkontrollierbar wird. Deshalb empfehle ich: Je früher man mit der Aufarbeitung beginnt, desto einfacher ist es. Am besten legt man beim Abschluss eines Projekts gleich eine Akte an mit allen Verträgen des Projekts.  

 

Kann es schwerfallen, die Rechte an den eigenen Filmen abzutreten?

Tatsächlich ist mir bei der Arbeit an diesem Projekt aufgefallen, dass viele Mühe damit haben. Filme sind wie eigene Kinder… Dabei sollten Filme, die mit Hilfe der öffentlichen Hand entstanden sind, auch öffentlich zugänglich bleiben. Mit älteren Filmen, wenn man von ein paar Klassikern absieht, ist meist nur noch sehr wenig Geld zu verdienen. Doch unsere Filme sind Teil des historischen Horizonts unseres Landes. Da kann man schon erwarten, dass Filmproduzent:innen sich mal ein paar Tage Zeit nehmen, um alles aufzuarbeiten.   

 

Originaltext: Deutsch

 

Mehr zum Thema

Ein praktisches Merkblatt von Suissimage informiert übersichtlich über alle zu regelnden Punkte bei der «Übertragung von Nutzungsrechten an Filmen zu Lebzeiten oder von Todes wegen». Dieses findet sich auf den Webseiten von Suissimage, der Filmverbände und auch – mit weiteren Materialien – auf der Seite von Balzli & Fahrer. An den letzten Solothurner Filmtagen fand zudem ein Panel zum Thema statt, der Podcast ist auf der Website des Festivals abrufbar. 

Dieter Fahrer wurde 1958 in Bern geboren. 1979 bis 1981 Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie, München. Ab 1981 Arbeiten als freier Fotograf, ab 1983 Mitarbeit als Aufnahme- und Produktionsleiter, Kameraassistent, Kameramann bei Spiel- und Dokumentarfilmen. 1988-96 Compagnon bei Balzli & Cie in Nidau. Ab 1997 Geschäftsführung der Balzli & Fahrer GmbH, Bern. 

www.balzli-fahrer.ch

 

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