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Die digitalen Lücken der Filmgeschichte

Kathrin Halter
21. September 2020

«Messidor» (1979) von Alain Tanner, neu dank filmo digitalisiert, ist jetzt online verfügbar.

Filme, die mit Hilfe des Bundes gefördert wurden, müssen nach ihrer Auswertung zugänglich bleiben, so steht es im ­Entwurf der neuen Filmförderkonzepte. Dagegen gibt es Widerstand – und es bleiben Fragen offen.

Vielleicht bleibt von der bundesrätlichen Verpflichtung zuletzt das bestehen: Eine von der Cinémathèque suisse betriebene Datenbank, die darüber informiert, wo Schweizer Filme online verfügbar sind – und die direkt mit den entsprechenden Plattformen verlinkt. Oder wie es Ivo Kummer umschreibt: «Eine Art filmhistorisches Lexikon des Schweizer Films, angesiedelt bei der Cinémathèque, das wie Filmo operiert und die Verlinkung bei der verschiedenen Anbietern leistet». Gegen ein solches Angebot hätte wohl kaum jemand etwas einzuwenden. Aber geht es in den neuen Bestimmungen nicht um mehr?

Ab 2021 gelten das neue Filmgesetz und die neuen Filmförderkonzepte, die seit über einem Jahr  im Entwurf vorliegen. Der betreffende Absatz in Artikel 65a lautet so: «Filme, deren Herstellung mit einer Finanzhilfe des Bundes gefördert wurden, müssen nach ihrer kommerziellen Auswertung der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Das BAK kann zu diesem Zweck nichtexklusive Lizenzen abschliessen».

Ende Mai haben die drei Produzentenverbände und der ARF ihre Vernehmlassungsantwort an die Sektion Film geschickt. In einem gemeinsamen Brief schlagen diese vor, die Bestimmung in Art. 65a «vorerst ersatzlos zu streichen». An sich sei es nachvollziehbar, dass Filme der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei älteren Filmen könne dies, anders als bei neueren, jedoch ein Problem darstellen. Vor einer Regelung brauche es zuerst jene – vom BAK sowieso vorgesehene – Evaluation in vier Jahren.


Erst etwa ab 2028 gilt die Pflicht

Schärfer kritisiert der ARF/FDS in einem Brief ans BAK die Vorlage. Er schreibt von einer «Kompetenzüberschreitung» seitens des BAK: «Es kann nicht Bundesaufgabe sein, die Zugänglichkeit der Filme für die Öffentlichkeit sicherzustellen. Schon gar nicht, durch ein eigenmächtiges Erteilen von Lizenzen. Dazu ist der Bund nicht befugt, da er ja Filme nur mit einem Teilbetrag unterstützt und somit keinerlei Rechte auf den Film als Ganzes beanspruchen kann.» Der Bund könne höchstens eine Hilfestellung leisten. Die Veröffentlichung oder Sichtbarmachung von Filmen müsse bei den UrheberInnen bzw. den Rechteinhaber­Innen bleiben.

Auf diese Kritik angesprochen, beschwichtigt Ivo Kummer: Dass der Bund quasi Lizenzen behändige oder Zwangsenteignungen vornehme, sei sicher nie die Idee der Vorlage; das sei tatsächlich nicht Aufgabe des BAK. Zudem müsse zwischen zukünftigen und älteren Filmen unterschieden werden: Die Bestimmung gilt ja erst für jene Filme, die ab Januar 2021 gefördert werden – Filme also, die voraussichtlich etwa 2023 oder 2024 im Kino laufen und frühestens 2028, fünf Jahre nach ihrer gewerblichen Nutzung, verfügbar sein müssen. In welcher Form das geschehe, sei den Produzenten oder Rechteinhabern überlassen. Was eine Regelung für ältere Filme anbelangt, sollen Gespräche mit der Branche klären, die  ab 2021 beginnen sollen. Klar sei nur, dass auch ältere Titel dereinst verfügbar sein sollten. Die Formulierung im Entwurf wird nicht abgeändert. Darüber hat Ivo Kummer schon am Präsidententreffen mit den Produzentenverbänden vor der Sommerpause informiert.


Neue Aufgabe für die Cinémathèque?

Auch Laurent Steiert erwartet keine Massen-Lizensierung in den nächsten Jahren. Das BAK werde in den seltensten Fällen nichtexklusive Lizenzen abschliessen, deswegen sei es fehl am Platz, von Zwangslizenzen zu reden, so Laurent Steiert. Die Grundlage der Verordnung stehe im Filmgesetz, das mit seiner Kann-­Formulierung eigentlich ein «Vorschlag» sei. (Tatsächlich heisst es im Filmgesetz: «Nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Veröffentlichung können sie (d.h. die Filme, Anm. der Red) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden».)

Dennoch brauche es eine Auflage, so Laurent Steiert, damit sich etwas verbessere. Die jetzige Situation sei jedenfalls unbefriedigend. So hat eine interne Auswertung des BAK gezeigt, dass nur knapp die Hälfte von rund 100 Filmen aus den Jahren 2000 bis 2011 auf Plattformen im In- und Ausland verfügbar waren; ausgewertet wurden die Top-10 der erfolgreichsten Kinofilme sowie Filme, die den Schweizer Filmpreis gewonnen haben.

Worin aber könnte die Rolle des BAK bestehen, das bekanntlich keine eigene Plattform betreiben will? Hier kommt wieder die Idee mit der Cinémathèque suisse ins Spiel, die vom Bund durch die Leistungsvereinbarung beauftragt werden könnte, besagte Datenbank zu realisieren. Weiter mag sich auch Laurent Steiert nicht festlegen. Es sei «fahrlässig», aufgrund unsicherer Daten Prognosen zu machen. Das ist nachvollziehbar: Die Dinge entwickeln sich international derzeit so schnell, dass niemand voraussehen kann, wie viele zum Beispiel der unabhängigen, kultur­affinen Schweizer VoD-Plattformen in acht Jahren noch existieren werden.

 

▶  Originaltext: Deutsch

Jean-Luc Godards «Le Livre de l’image» als Ausstellung

Mitteilung Visions du Réel / SiP
08 Juni 2020

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Medienmitteilung / Regards Neufs
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