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Wem gehören die Rechte an Alain Tanners Filmen?

Laure Gabus
03. Januar 2020

«Light Years Away» von Alain Tanner gewann 1981 die Goldene Palme in Cannes.

1981 erhielt Alain Tanners «Light Years Away» in Cannes den Spezialpreis der Jury. Vor drei Jahren wurde die Vereinigung «Association Alain Tanner» gegründet, um die zwanzig Langfilme, die Tanner zwischen 1969 und 2004 drehte, zu sichern, zu digitalisieren und wieder vorführen zu können. Dabei gab es eine böse Überraschung: Niemand wusste, wem die Verwertungsrechte an der französisch-schweizerischen Koproduktion «Light Years Away» gehören. Durch den Konkurs bzw. die Geschäftsaufgabe der Rechteinhaber war  eine undurchsichtige Situation entstanden.

Der Präsident des Vereins, Gérard Ruey, machte sich daran, die Situation zu entwirren: «Mit Hilfe einer spezialisierten Anwältin konnten wir die rechtliche Kette vollständig rekonstruieren. Heute besitzen wir Kopien der digitalisierten Verträge», erklärt er. «In Frankreich müssen Produktionsfirmen die Verträge beim Centre National du Cinéma (CNC) hinterlegen. Das ist nur in wenigen Ländern so und hat den grossen Vorteil, dass man die Filme und die dazugehörigen Rechte jederzeit wiederfindet.»

«Light Years Away» ist eine Koproduktion der SRG, der schweizerischen Slotint und von Phénix Productions und Les Productions Audiovisuelles (LPA) auf französischer Seite. Keine dieser drei Firmen existiert heute noch. Was geschah also mit den Rechten, insbesondere mit den Verwertungsrechten für die Schweiz? Slotint hat sie der Firma DNA Films SA übertragen. In Frankreich besitzt heute The French Connexion die Rechte am Film und den Zugriff auf die Negative. Gérard Ruey kontaktierte beide, bisher mit wenig Erfolg: «Obwohl sie die Verwertungsrechte behalten würden, ziehen sich die Gespräche nun schon seit drei Jahren hin».

 

Eine Vielzahl von Firmen

Alain Tanner besitzt die Rechte an den meisten seiner Filme selbst, durch seine Gesellschaft Filmograph SA. Bei gewissen Koproduktionen ist dies leider nicht der Fall, wie «Le Milieu du Monde» (1974), «Jonas qui aura 25 ans en l'an 2000» (1976) und «Messidor» (1978). Diese Filme wurden von den Schweizern Yves Peyrot und Yves Gasser von Citel Films produziert, zusammen mit der französischen Actions Films. Citel Films hat ihre Tätigkeit eingestellt, und Actions Films hat Konkurs gemacht und einen Teil ihres Katalogs an Jupiter Films verkauft, eine Firma mit Sitz in Paris unter der Leitung von Yann Roeloffs. Interessant ist, dass die Beteiligten im Wesentlichen dieselben sind: Yves Peyrot war mit seiner anderen Firma Slotint Minderheits-Koproduzent von «Light Years Away», und DNA Films SA wird gemäss Gérard Ruey von den gleichen Personen betrieben wie Jupiter Films SA.

Die Online-Edition filmo, die Schweizer Kinoklassiker im digitalen Raum sichtbarer machen will, hat vor Kurzem mit den Rechte­inhabern Jupiter Films und DNA Films eine Vereinbarung getroffen zur Restaurierung von «Jonas qui aura 25 ans en l'an 2000» und «Messidor». Doch an wen gehen dann die Einnahmen aus künftigen Vorführungen? «Die Situation ist klar, die Rechte gehören uns», erklärt Yann Roeloffs. Gérard Ruey ist anderer Meinung: Seinen Nachforschungen zufolge besitzt Gaumont die Rechte an «Messidor» – was wir jedoch nicht überprüfen konnten.

So sind «Jonas» und «Messidor» im Online-Katalog von filmo zu finden, nicht aber «Le Milieu du Monde». «Diesen Film werden wir zu gegebener Zeit digitalisieren», meint Yann Roeloffs. Gérard Ruey hofft darauf und ist inzwischen mit Jupiter Films im Gespräch, um die Negative zurückzuerhalten und wieder der Cinémathèque Suisse in Lausanne zuzuführen.

 

Stillschweigende Verlängerung 

Alain Tanner hatte die weltweiten Verwertungsrechte damals für dreissig Jahre an seinen Produzenten veräussert, mit stillschweigender Verlängerung. Dass eine Autorin oder ein Autor die Rechte an die Produktionsfirma verkauft, ist üblich; die stillschweigende Verlängerung allerdings nicht, und dort liegt das Problem. «Die Verwertungsrechte an «Jonas» und «Messidor» wurden 2006 bzw. 2008 verlängert und können erst 2036 bzw. 2038 wieder erneuert werden. Das ist eine lange Zeit, und der Autor kann keinerlei Druck ausüben, um seine Werke wieder in Umlauf zu bringen», erklärt Gérard Ruey.

Leider ist dies kein Einzelfall. «Die Problematik des Wiederverkaufs von Verwertungsrechten wird es immer geben. Wenn man es mit Leuten zu tun hat, die man kennt, findet man meist eine Lösung. Schwierig wird es mit obskuren Firmen, die nur Kataloge verwalten und sich in keiner Weise für die Werke der Autorinnen und Autoren interessieren. Man sollte niemals einen Vertrag mit stillschweigender Verlängerung unterschreiben. Zum Glück ist dies heute nicht mehr üblich», so Gérard Ruey.

Eine weitere Möglichkeit zur besseren Nachverfolgung wäre eine Pflicht, die Verträge in einem öffentlichen Register zu hinterlegen, wie es in Frankreich der Fall ist. «Wir haben versucht, mit Produzentinnen und Produzenten über eine solche Lösung zu sprechen, doch die meisten Produktionsfirmen stehen ihr skeptisch gegenüber. In der Schweiz werden Verträge gerne geheim gehalten», erklärt Gérard Ruey. «Eine Möglichkeit wäre, sie nicht öffentlich zu machen, aber zumindest ein Register zu führen – Suissimage wäre dazu bestens geeignet.»

 

▶  Originaltext: Französisch

 

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