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#Metoo und die Schweizer Filmbranche

Agota Lavoyer
16. September 2022

© Timo Orubolo

Allerspätestens, seit die Schauspielerin Alyssa Milano vor fünf Jahren auf Twitter dazu aufrief, unter dem Hashtag #Metoo über sexuelle Übergriffe zu berichten, ist das Thema sexualisierte Gewalt auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Immer mehr Opfer äussern sich öffentlich, Täter werden zur Verantwortung gezogen (zumindest ab und zu), Mythen werden aufgedeckt und Präventionskonzepte diskutiert. Nicht so aber in der Schweizer Filmbranche. Man munkelt, die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt habe hier noch nicht einmal begonnen. Weil es gar kein Problem mit Sexismus und sexualisierter Gewalt in der Schweizer Filmbranche gibt? Höchst unwahrscheinlich. Gemäss aktuellen Zahlen erfährt in der Schweiz jede dritte Frau sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Und es gibt keine Hinweise darauf, wieso Filmschaffende davon ausgenommen wären. Viel wahrscheinlich ist es, dass es in dieser doch sehr kleinen Szene schlicht zu risikoreich ist, sich gegen Täter auszusprechen. Zu gross die Gefahr der beruflichen Ausgrenzung.  

Dabei ist davon auszugehen, dass gerade in der Film- und Theaterbranche das Risiko, sexualisierte Gewalt zu erfahren, besonders hoch ist. Wieso? Weil Machtasymmetrien, Druck und Abhängigkeiten und fehlende Kontrollmechanismen vorherrschen und dies allesamt Faktoren sind, die sexualisierte Gewalt begünstigen. Hierbei muss man sich immer vor Augen halten: Sexuelle Belästigung ist kein misslungener Flirt und auch kein Missverständnis. Bei sexueller Belästigung geht es um Macht, die ausgenützt wird, um zu demütigen und zu diskriminieren. Wenn ein Regisseur einer Maskenbildnerin gegenüber sexuell übergriffig ist, kann sie weder weg, noch die Beziehung zu ihm abbrechen – zumindest nicht, ohne negative Konsequenzen oder einen Jobverlust zu riskieren. Das gibt dem Belästiger (noch mehr) Macht über sie und das ist höchstproblematisch. 

 

Die sexualisierte Gewalt gehört thematisiert 

Es ist an der Zeit, sexualisierte Gewalt in der Schweizer Filmbranche zu thematisieren. Denn bekanntlich verschwindet ein Problem nicht, wenn man nicht darüber spricht. Konkret heisst das: Die Themen Machtmissbrauch und Prävention sexualisierter Gewalt müssen integraler Bestandteil jeder Ausbildung werden. Externe Anlaufstellen müssen benannt werden, wohin sich Crewmitglieder vertraulich und niederschwellig wenden können, wenn sie diskriminiert, bedrängt oder belästigt werden. Es soll zudem vermehrt darauf geachtet werden, dass Filmcrews divers sind, im Speziellen in den leitenden Positionen. Denn je diverser ein Team, desto mehr Sensibilität ist meist gegenüber Diskriminierung und übergriffigem Verhalten vorhanden. Schliesslich sollen Intimacy Koordinator:innen beim Dreh von intimen Szenen verpflichtend beigezogen werden.

Nicht zuletzt tragen Filmschaffende auch eine Mitverantwortung für die in unserer Gesellschaft vorherrschenden Narrative über sexualisierte Gewalt.  Es wäre daher von grosser Wichtigkeit, dass Förderinstitutionen die eingesandten Projekte auch bezüglich sexistischer Geschlechterstereotype und Verharmlosung geschlechtsspezifischer Gewalt begutachten und problematische Darstellungen kritisch thematisieren. Damit könnte der Zementierung von diskriminierenden, täterentlastenden, gewaltverherrlichenden und sexistischen Narrativen entgegengewirkt werden. Es darf nicht mehr sein, dass sexualisierte Gewalt unter dem Deckmantel der künstlerischen Ausdrucksfreiheit verharmlost wird und deren Opfer abgewertet werden.  

 

Originaltext: Deutsch

 

Ein Haus ganz für sich

Chiara Fanetti
15 September 2022

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