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Sie wollen es nochmals wissen


30. Oktober 2015

L’initiative populaire pour une nouvelle loi sur le cinéma et les médias a été lancée à Zurich, à la fin du mois de septembre. Une table ronde pour en débattre a été organisée. Aperçu du contexte politique et des bénéficiaires de la nouvelle loi.

Ende September wurde in Zürich die Volksinitiative für ein Film- und Mediengesetz lanciert. An einem Podium wurde schon mal darüber diskutiert. Politische Hintergründe und wer vom Gesetz mit profitieren würde: Eine Einschätzung.

Von Kathrin Halter

Das Timing war nicht schlecht. Lanciert wurde die Initiative am Zurich Film Festival: An der Pressekonferenz im Festivalzen­trum sprach FDP-Nationalrätin Doris Fiala ein Plädoyer für Zürich als Förderstandort, neben ihr sassen Produzent Peter Reichenbach sowie die Mit-Initianten Andrew Katumba und Simon Hesse. Am Abend dann folgte ein «Filmtalk» zur Initiative an der Zürcher Filmnacht, dem jährlichen Lobbyanlass des Vereins Zürich für den Film, wo jeweils auch Politiker eingeladen sind und beim Apéro riche für filmpolitische Anliegen geworben wird. 
Das von Christian Jungen moderierte Gespräch mit Madeleine Herzog (Leiterin Fachstelle Kultur des Kantons Zürich), Hans-­Ulrich Bigler (Gewerbeverbandsdirektor), Sylvain Gardel (Leiter Impulsprogramme bei Pro Helvetia) sowie Mitinitiant Simon Hesse war informativ und angeregt. Und doch fragte am Schluss eine Zuhörerin, worum es denn jetzt wirklich gehe in dem neuen Film- und Medienförderungsgesetz, sie habe es nach einer Stunde Zuhören noch nicht wirklich verstanden. Ja, worum eigentlich ? 

Der Ärger der Kulturpolitiker

Die Initiative will mit der Einführung des Gesetzes eine Grundlage schaffen für die Stärkung des Film- und Medienschaffens im Kanton Zürich. Dies in Zusammenarbeit mit der Zürcher «Film- und Medienstiftung» (sic !), die einen jährlichen Kostenbeitrag vom Kantonsrat «im Rahmen des Budgets» erhalten soll.
Das ist seit Juli nicht mehr selbstverständlich: Die Kulturförderung im Kanton Zürich wird zwar von jährlich 8,5 Millionen auf 14 Millionen Franken erhöht – wovon vor allem die Zürcher Filmstiftung profitiert. Sie erhält ab 2017 jährlich rund 3 Millionen Franken zusätzlich (siehe Box). Trotzdem zeigte sich über diesen Entscheid kaum jemand erfreut – am allerwenigsten die Kulturpolitiker. Denn erstens wird die kantonale Kulturförderung fortan nicht mehr aus dem Staatshaushalt finanziert, sondern neu aus dem Lotteriefonds. Für die meisten Kulturschaffenden gibt es im Kanton Zürich somit kein Steuergeld mehr; die Kultur wird bis 2021 nicht mehr zur Hälfte aus der Staatskasse, sondern vollständig aus dem Lotteriefonds bezahlt – «ein Fall für die Lotterie», wie der Tages-Anzeiger schreibt. Soviel Unverbindlichkeit befremdet viele und wirkt wie ein Signal, wonach Kultur weder notwendig sei noch etwas, was sich der Staat partout leisten will. Hinzu kommt: Beiträge aus dem Lotteriefonds sind auf vier Jahre befristet. 
So befürchtet nicht nur die Linke, dass dieses Geld dereinst fehlen wird, wenn die Bezüge aus dem heute übervollen Lotteriefonds wieder reduziert werden müssen, da dieser in vier Jahren – wie einfach berechnet werden kann – deutlich geschrumpft sein wird. 
Darauf spielt also die «Rechtssicherheit» an, von der die Initianten
reden: Man möchte verbindlich wissen, wie es weitergeht; eine «Planungssicherheit» bei der Arbeit, wie sie nicht nur Produzenten wie Peter Reichenbach von C-Films (ebenfalls im Initiativ-­Komitee) einfordern. 
Dabei muss man wissen, dass vom Entschluss des Regierungsrats nicht alle betroffen sind: Das Zürcher Opernhaus soll ja weiterhin mit jährlich rund 85 Millionen Franken mitfinanziert werden, weil seine Unterstützung durch den Kanton gesetzlich festgelegt ist (auch die Städte Zürich und Winterthur erhalten über den Kulturlastenausgleich weiterhin rund 50 Millionen Franken jährlich). In der Erläuterung zum Initiativtext sprechen die Initianten denn auch, eher vorsichtig, von einer «politischen Gleichstellung von Oper, Theater und Film», die «als wegweisend erachtet» werde. Man hat hier offensichtlich aus früheren Fehlern gelernt und meidet es, den Film gegen andere Kultursparten auszuspielen.

Nun ist die Rechtssicherheit nur eine der Anliegen, mit denen die Initianten für den Gesetzesentwurf werben. Man setzt stark auf wirtschaftliche Argumente: Beim besagten Filmtalk war jedenfalls viel von Standortförderung die Rede, vom «Wachstums­potential der Kreativindustrie», vom Medienstandort Zürich. Dazu wird auch die Game-Kultur gezählt, denn in einer künftig umfirmierten Zürcher Film- und Medienstiftung wollen die Initianten auch Computerspiele, Transmedia und weitere digitale Medienformate fördern. Dazu hat sich Zürich für den Film bei der Lancierung der Initiative mit dem Verband «Swiss Game Developers Association» zusammengetan. 

Wirtschaft versus Kultur

Als Christian Jungen beim Podium den Advocatus Diaboli spielte und fragte, ob Games überhaupt zur Kultur zählen, war ihm Widerspruch jedenfalls gewiss: Das bewegte Bild habe sich durch die Digitalisierung in den letzten 15 Jahren eben stark verändert, warf Simon Hesse ein; es seien viele neue Formate entstanden, da wachse eine Branche heran, die momentan «in den Seilen hänge». 
Besonders Sylvain Gardel redete sich ins Feuer, um darzulegen, wie wichtig eine Game-Förderung wäre: Pro Helvetia könne jährlich gerade einmal je 200ʼ000 Franken für Computerspiele und Transmedia-Projekte «einschiessen». Das sei «nichts» angesichts einer schnell wachsenden Szene und Erfolge an Festivals, auch im Ausland. Im übrigen seien Games nicht nur das Medium, das am stärksten konsumiert werde; «die Formate werden reifer». Da sei eine junge Generation in den Startlöchern, auch in Zürich, diesem «Hotspot für kreative Spielentwickler». Nun gehe es darum zu verhindern, dass die besten Köpfe abwandern, die Wertschöpfung nicht in der Schweiz bleibe. 

Mit solchen Argumenten, gewann man den Eindruck, lassen sich vielleicht sogar wirtschaftsliberale Köpfe wie Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler ansprechen. Er fand es jedenfalls «spannend, dass die Initianten den Begriff Kreativwirtschaft kreiert» hätten, sprach von «Zukunftstechnologie» und einem wirtschaftpolitischen Interesse, dass sich da etwas weiterentwickle. 

Trotzdem gab er sich einmal mehr als Staatsskeptiker – und wies auf den «Widerspruch» hin, dass die Initianten einerseits den Wirtschaftsaspekt betonten, sich anderseits als Kulturschaffende bezeichnen. Das sei ein Spannungsfeld, das geklärt werden müsse.
Diese haarscharfe Trennung von Wirtschaft und Kultur fand dann wiederum Madeleine Herzog problematisch. Später wies sie auf das neue Kulturleitbild des Kantons hin, das den Bereich Film ausbauen, den Filmstandort Schweiz stärken will. Von daher sei es der richtige Moment, darüber nachzudenken, wie offen oder wie breit das Filmschaffen definiert werden soll. 

Diese Öffnung des Kulturbegriffs, vermuten wir mal, wird noch zu diskutieren geben – spätestens dann nämlich, wenn es ums Aufteilen der vorhandenen Fördergelder geht. 

Ob die Filmbranche eigentlich geeint sei, fragte Jungen noch. Noch nie, noch nie, parierte Hesse – und provozierte Gelächter.

 

 

Neue Mittel für die Zürcher Filmstiftung

Die Zürcher Filmstiftung erhält vom Kanton Zürich ab 2017 jährlich rund 3 Millionen Franken mehr, vorerst befristet auf vier Jahre. Im neuen «Leitbild Kulturförderung» wurde der Film zu einem Schwerpunkt in der Förderpolitik erklärt. 
Auch die Stadt Zürich hat seit Juli ein neues «Kulturleitbild 2016-2019». Die Filmförderung, ebenfalls ein Schwerpunkt, soll ab 2016 in zwei Schritten um insgesamt 1,5 Millionen Franken erhöht werden. Allerdings braucht es dazu noch die Zustimmung des Gemeinderats. Dieser tagt am 25. November. 

Um die vorgesehenen Förderausgaben von jährlich 10 Millionen Franken aufrechtzuerhalten und das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen, braucht die Filmstiftung dringend neue Gelder. Mit der Erhöhung der Fördergelder wäre dieses Problem vorerst gelöst. 

Ein Teil der Erhöhung dient ab 2016 dem Ersatz der wegfallenden Erträge aus dem Stiftungskapital, schreibt die Filmstiftung, womit das bisherige Fördervolumen auch für die nächsten vier Jahre gesichert sei. Dafür würden 2.5 bis 3 Millionen Franken aus der Erhöhung beansprucht. Die weiteren Mittel dienten der Erhöhung der Maximalbeiträge, um die Konkurrenzfähigkeit von Schweizer Projekten in Koproduktionen zu stärken und zum Ausbau der Nachwuchsförderung im Low-Budget-Bereich. Dafür seien die übrigen 1.5 bis 2 Millionen vorgesehen. Die Neuerungen werden voraussichtlich ab Mitte 2016 umgesetzt.

Übrigens: Ihr Stiftungskapital von 20 Millionen Franken hat die Filmstiftung einst aus dem kantonalen Lotteriefonds erhalten, als einmalige Einlage im Jahr 2004. (kah)

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