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Artikel

Eine komplexe Publikation


30. Oktober 2015

Nina Scheu a été rédactrice en chef adjointe de « Cinébulletin » entre octobre 2010 et mai 2012. Elle revient aujourd'hui sur ses années passées à « CB ».

Nina Scheu, CB-Redaktorin von Oktober 2010 bis Mai 2012, blickt zurück. Zweitletzter Teil unserer Textreihe
«40 Jahre Cinébulletin».

Von Nina Scheu

Ob die Gewerkschaftszeitung ein Stelleninserat für das Cinébulletin veröffentlichen würde, wollte Françoise Deriaz in einem Mail wissen. Die Anfrage kam sehr kurzfristig, der Redaktionsschluss war längst vorbei und die lange Sommerpause stand bevor. Doch der Same, den Françoise – durchaus absichtlich, wie sie später bekannte – gesät hatte, begann zu keimen. Die Chefredaktion des Cinébulletin zu übernehmen, zurückzukehren zum Film und zur Kulturpolitik, das reizte mich, auch wenn mein Abstecher in die Gewerkschaftskommunikation erst ein knappes und spannendes Jahr alt war. Allerdings hatte ich schon einmal im Alleingang eine Verbandszeitschrift verantwortet und war damals zur Überzeugung gekommen, dass man sich nicht schweizweit für kulturelle Belange engagieren kann, wenn man mit beiden Beinen auf nur einer Seite des Röstigrabens steht. Und so blieb am Ende eines längeren Mailwechsels, mehrerer Telefonate und schliesslich sogar eines Treffens mit Vincent Adatte, Präsident von Mediafilm und somit zuständig für die Besetzung des Redaktionspostens bei Cinébulletin, meine Bedingung als willkommene Idee zurück: Wenn sich eine Co-Redaktorin oder ein Co-Redaktor in der Romandie finden liesse, der oder die bereit wäre, die Redaktion gleichberechtigt mit mir zu führen, würde ich die Deutschschweizer Redaktion übernehmen.
Es dauerte länger als erwartet, bis im Oktober mit Emmanuel Cuénod ein hervorragender Filmjournalist gefunden war, der am gleichen Strick ziehen wollte, und es war ein grosses Glück, dass Françoise Deriaz bereit war, so lange im Amt zu bleiben, dass sie Emmanuel und mich in die zahlreichen Details der Heftproduktion einarbeiten konnte. Denn das Cinebulletin ist mit seiner kunterbunten Trägerschaft und seiner Abhängigkeit von der Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur eine strukturell komplexe Publikation, an die jede und jeder wieder andere Ansprüche stellt, die selbstverständlich alle mit absoluter Dringlichkeit zu berücksichtigen sind. Kurz: Recht machen kann man es eigentlich niemandem. Aber das wollte die Zeitschrift auch nie. 

Diskussionen um die «Evalure»

Personalwechsel prägten auch die Filmszene: Nicolas Bideau stand kurz davor, seine neue Stelle bei Präsenz Schweiz anzutreten, ein Nachfolger war noch nicht bestimmt, und im November wurde bekannt, dass Laurent Steiert die Sektion Film ad interim leiten sollte. Im Bundesrat war mit Didier Burkhalter ein neuer Kulturminister am Durchstarten, der versuchte, die Wogen im BAK zu glätten – zumal gerade die erste Kulturbotschaft in die Vernehmlassung gegangen war. Mit dem neuen Filmgesetz würde auch die sogenannte siebte Kunst in diese Strukturen eingebunden. Als Basis waren in der «Evalure» die Bedürfnisse und Ideen der Schweizer Filmschaffenden erforscht worden. Doch die Branche war ob der bisherigen Entwürfe so zerstritten, dass Burkhalter schliesslich mit Marc Wehrlin einen «Fazilitator» einsetzte, der die Parteien zur gemeinsamen Lösungssuche an einen Tisch bringen sollte. Trotzdem löste sich die neugegründete IG aus dem Prozess und publizierte das Diskussionspapier «Das Kino von morgen», das in der Folge – auch im Cinébulletin – zu ebenso hitzigen Debatten führte wie die Idee eines Filminstituts, wo die Kreation von der Politik getrennt werden könnte. Die Ausformulierung der neuen Filmförderkonzepte, die 2011 hätten in Kraft treten sollen, wurde um ein Jahr verschoben. 

Ivo Kummer wird zum neuen Filmchef gewählt

Aber nicht nur im Bundesamt für Kultur, auch beim zweiten grossen Geldgeber des Schweizer Filmschaffens, der SRG, drehte sich das Personenkarussell in den Monaten rund um den Jahreswechsel 2010/2011: Roger de Weck hatte das Zepter als Generaldirektor von Armin Walpen übernommen, Alberto Chollet wechselte von der SRG zur RTS und übergab die Aufgabe, den Pacte de l’Audiovisuel neu zu verhandeln, an Urs Fitze, der Monate später wieder zum Deutschschweizer Fernsehen wechselte und seinen Posten Sven Wälti übergab. 
Daneben liefen zahlreiche Initiativen, die natürlich in Cinébulletin vorgestellt wurden: Auf dem Monte Verità suchten Fachleute von Bund, SRG, Kommissionen und Verbänden nach Zukunftsmodellen, die Conférence des Festivals wurde gegründet, im Netzwerk/Réseau Cinéma CH meldeten sich die Ausbildungsstätten zu Wort und in der Westschweiz bereitete sich die Fondation Romande pour le cinéma darauf vor, der regionalen Filmförderung Schub zu verleihen. Und dann, kurz nach unserem Interview mit Ivo Kummer über die Solothurner Filmtage, erfolgte die Wahl des langjährigen Festivalleiters zum neuen Filmchef im BAK. Natürlich sprachen wir mit ihm über seine Ideen für die Zukunft, genauso wie später mit Seraina Rohrer über ihre Konzepte für die Filmtage. Ein Blick in die Hefte, an denen ich vom Oktober 2010 bis im Juli 2012 mitgearbeitet habe, lässt Personen, Festivals, Produktions- und andere Workshops, die Diskussionen um die Schweizer Filmpreise und unzählige kontroverse, manchmal aufreibende, immer aber engagierte und erhellende Ge­spräche wieder lebendig werden. 

Daneben versuchten wir, die Produktionsabläufe für das Heft zu vereinfachen und ausserdem ein Konzept für eine Website aufzugleisen, wie es vom BAK mit erhobenen Subventionsdrohfinger gefordert wurde. Während ich zu Beginn noch jeden Monat weit über hundert Emails verschickte, um die kaum eine Seite umfassende Liste der Filme, die sich in Entwicklung, in Produktion oder schon in der Postproduktion befanden, à jour zu halten, erhielten wir diese Daten später von Swissfilms. Wir begannen, Layout- und Korrekturfahnen via Dropbox auszutauschen, statt CDs hin- und herzuschicken und ich erstellte Excel-Tabellen, um die Inserate-Buchungen zu vereinfachen.

Im August 2011 baten wir die Cinébulletin-LeserInnen in einer grossen Umfrage um ihre Meinung. Wir erhielten über 300 ausgefüllte Fragebogen zurück, teils mit langen Inputs, die in die neue Heftarchitektur eingeflossen sind. Das neue Heftkonzept habe ich dann aber nicht mehr mitgestalten können. Auf die Dauer lies­sen sich die Arbeit bei der Gewerkschaft und die Redaktion von Cinébulletin nicht miteinander vereinen. In der Überzeugung, in Kathrin Halter eine versierte Nachfolgerin gefunden zu haben, entschied ich mich – mit bis heute manchmal weinendem Herzen – für ein höheres Pensum bei syndicom, um mich stärker für die Arbeitsbedingungen meiner Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen einsetzen zu können. Nicht zuletzt, damit das Filmschaffen auch weiterhin in den Medien seinen Platz findet.

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