MENU Schliessen

Artikel

Neues aus Game-City


30. Oktober 2015

Le nombre de concepteurs de jeux vidéo diplômés est en constante augmentation. Les dernières nouveautés en matière de politique culturelle signalent un élargissement du concept ainsi que la promotion de Zurich, lieu de création de jeux. Coup d’œil sur une industrie jeune, entre culture et innovation.

Die Zahl der ausgebildeteten Gameentwickler steigt stetig, Impulse aus der Kulturpolitik drängen auf eine Anerkennung der Gamekultur, auch in Zürich. Ein Streifzug durch eine junge Branche zwischen Innovation und Kultur.

von Valerie Thurner

Etwa hundert Studenten und Interessierte lauschen an einem Oktoberabend dem Vortrag «The Promise of Virtual Reality» von Noah Falstein, Chef Game Designer bei Google, einst Pionier Gameentwickler für Studios von George Lucas oder Steven Spielberg. Das war in den 80er- und 90er-Jahren, seit 2013 ist er bei Google. Nun demonstriert er im Hörsaal der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) die neusten technologischen Entwicklungen in 3D-Visualisierung. Falsteins Arbeitgeber baut gerade seinen Standort in Zürich aus und weiss, wie man Jungtalente anwirbt.
Rund 70 Kleinst- und Kleinbetriebe von Spielentwicklern zählt der Schweizer Branchenverband der Game-Entwickler SGDA (Swiss Game Developers Association), ungefähr 300 bis 400 Game-Entwickler sind schweizweit ansässig, Tendenz steigend. Die Kulturpolitik des Landes hat reagiert, in der neuen Kulturbotschaft sind Computerspiele erstmals integriert und die Zürcher Volksinitiative für ein neues Film- und Mediengesetz fordert eine Anerkennung der Gamekultur, indem diese mittels ordentlicher Kultursubventionen unterstützt werden soll.
Bisher hat sich einzig die Stiftung Pro Helvetia für die Gamer engagiert, 200ʼ000 Franken an Fördermitteln hat sie jährlich seit 2009 im Rahmen des Impulsprogramms GameCulture (das Nachfolgeprogramm Mobile läuft seit 2013) bereitgestellt. Vergeben werden die Mittel vor allem an unabhängige Spieleentwickler sowie transmediale Projekte im Bereich «augmented und virtuel reality». «Seit dem Beginn des Engagements der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia hat sich die Zahl der Gamestudios in der Schweiz verzehnfacht», sagt Sylvain Gardel, Leiter ImpulsProgramme. «Da es in der Schweiz keine sektorielle Wirtschaftsförderung gibt, kommen quasi alle Fördermassnahmen für diesen Bereich aus den Schwerpunkten ‹Digitale Kultur› (2012-2015) und ‹Kultur und Wirtschaft› (2016-2020) der Kulturbotschaft des Bundes».
Reto Senn, Direktor des Branchenverbands SGDA, entwickelte 2003 das erste Spiel für Mobiltelefone in der Schweiz. «Bis 2010 wurde man weder von der Kulturförderung noch von der Kommission für Technologie und Innovation ernst genommen, aber es ist erfreulich zu sehen, wie sich das Klima langsam ändert», sagt Senn.

Der Übergang vom Studium in die Berufsrealität ist hart

Seit 2004 bietet die ZHdK den Studiengang Game Design an. Die ersten schlossen 2008 ab, inzwischen steht die siebte Generation von Gameentwicklern vor ihrem Abschluss. Mit der akademischen Talentschmiede ist der Kanton Zürich ein bedeutender Förderer der Gamekultur und Werkplatz zugleich. Nur ist der Übergang vom geschützten Rahmen der Ausbildung in die Berufsrealität sehr schwierig, gar hart, wie René Bauer konstatiert. Bauer leitet das GameLab im Vertiefungsstudiengang Game Design, wo die Forschung aus den Bereichen Serious Games, Artgames, Interfaces und Game Mechanics zusammenkommen. Zweck des Labors ist es, den Studierenden Experimente mit Spielen und unterschiedlichen Technologien zu ermöglichen und innovative Wege für neue Spiele zu entwickeln. «Nebst der fehlenden Startup-Förderung gibt es in der Schweiz auch keine ‹Entertainment›-Tradition», stellt Bauer fest, «so werden viele Absolventen, gerade auch ETH-Abgänger, von den angesiedelten Grossunternehmen wie Google oder Grossbanken im Raum Zürich angeworben, und nur wenige arbeiteten wirklich als Spielentwickler.» Solange wirtschaftliche Anreize für Startups fehlten, sei die Verlockung, für ein gutes Salär in Konzernen zu arbeiten, gross. Andere würden ins Ausland abwandern, wo die Gameindustrie besser verankert sei.
Die bisher kommerziell erfolgreichsten Schweizer Entwickler sind Thomas Frey und Renzo Thönen. Erfolg hatten sie mit dem «Landwirtschafts-Simulator». Das vom Studio Giants entwickelte Simulationsspiel hält sich seit Jahren in den internationalen kommerziellen Charts. Ihnen ist gelungen, was sonst nur erfolgreiche Künstlerinnen wie Pipilotti Rist oder Sportidole wie Roger Federer schaffen: Sie waren auf den Bildschirmen am New Yorker Times Square präsent.
Dass ausgerechnet das simulierte Bauernleben am Anfang der Schweizer Spieleexport-Geschichte steht, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nebst den Traktorkönigen im Raum Zürich eine Reihe von Studios, gemessen an Innovation, Ästhetik und Content, einige sehr ambitionierte Projekte lanciert und von Kulturförderung profitiert haben.

Bei einigen Spieledesignern herrscht zur Zeit in Zürich Goldgräberstimmung. Während der Vogelflugsimulator «Birdly» aus der ZHdK-Werkstatt weltweit für Aufsehen sorgt, experimentieren auch unabhängige Startups wie beispielsweise die Firma Ateo in Zürich West an vorderster Front mit. Deren von Pro Helvetia ausgezeichnetes Spiel «Shiny» spielt man mit einer 3D-Brille, der Spielverlauf ist blickgesteuert. Es ist ein Rennen gegen die globale Konkurrenz und somit die Zeit, die sie sich mit dem Preisgeld aus dem «Call for Projects»-Wettbewerb von Pro Helvetia kaufen konnten. Sie glauben an eine gewisse Chancengleichheit in der Innovationsforschung : «Die erste Welle der neuen Virtual Reality kann man mit dem Release der ersten Smartphones vergleichen. Damals hat sich die Art, wie wir mit unseren Mobilgeräten umgehen, komplett verändert. Ateo glaubt nun an einen ähnlichen Erfolg von Virtual Reality, denn diese Technik kann unsere Art, Games zu spielen und Medien zu konsumieren, ganz neu definieren – so genannt disruptive Erfindungen. Und dort wollen sie von Anfang an mitmischen», sagt Janina Woods. «Shiny» soll 2016 zeitgleich mit dem Marktrelease der 3D-Brille von Oculus Rift lanciert werden. Auf die Suche nach einem Investor hätten sie verzichtet, weil sie in ihren geschäftlichen Entscheidungen unabhängig bleiben wollen.

Engagierte Videospiele

Das Studio Blindflug im Zürcher Langstrassen-Quartier hat unlängst das Survival-Game «Clowdchasers – Journey of Hope» lanciert. Als Spieler wird man dabei in die Perspektive von Flüchtlingen versetzt, die auf ihrem beschwerlichen Weg durch eine imaginäre Wüstenlandschaft zahlreichen Gefahren und zusätzlich Wassermangel ausgesetzt sind. Blindflug haben bereits mit ihrem Erstling «First Strike» bewiesen, dass sich kommerzieller Erfolg mit gesellschaftskritischem Engagement auch im Game-Bereich verbinden lässt. Dass es einen Markt gibt für engagierten Zeitvertreib, davon ist Moritz Zumbühl, Gründungsmitglied des Studios Blindflug, überzeugt. Illusionen macht er sich aber keine : «Marktbestimmende Plattformen wie Steam oder Apple sind längst überflutet von unabhängig entwickelten Indiegames». Das Risiko des Absturzes sei ihrem Geschäftsmodell inhärent. «Deshalb heissen wir ja Blindflug», fügt er etwas sarkastisch an. In der Schweiz, so Zumbühl, gebe es keinen Markt für Games, darum müsse man sich von Anfang an am globalen Markt orientieren. 
«Lange Entwicklungszeiten sind Gift für ein Spiel», sagt Florian Faller, Dozent an der ZHdK und Macher des international preisgekrönten Abenteuerspiels «Feist», das einen kleinen struppigen Gnom durch eine mystische Waldlandschaft hüpfen lässt, wo böse Feinde lauern. Das Game besticht durch die Optik, das Sounddesign sowie eine geschmeidige Spielmechanik. Obwohl der Prototyp schon 2008 stand, kam das Spiel nach einer erfolgreichen Festivalkarriere erst 2015 auf den Markt. Faller und sein Kollege Adrian Stutz hätten über fünf Jahre mehr oder weniger zu zweit in Teilzeitarbeit das Spiel entwickelt. Grund für die lange Entwicklungszeit war aber weniger das fehlende Geld, sondern der Mangel an Know-how. «Die wenigen erfahrenen Gamedesigner, die in Frage gekommen wären, hatten eigene Projekte», erklärt Faller. Junge Unternehmen, wie das Studio Blindflug, können auf den Erfahrungen der älteren Generation bauen. Sie setzen auf kleinere Projekte und kürzere Entwicklungszeiten.

Die Nähe zwischen Milliardenkonzernen wie Google und einer künstlerischen Avantgarde ist auch problematisch. Was Risiko wie Chance sein kann, ist sicherlich Ausdruck eines Paradigmenwechsels, der sämtliche Kultursparten betrifft. «Mittelfristig ist die Abgrenzung von Innovations- und Kulturförderung weder haltbar noch wünschenswert», sagt Andrew Katumba vom Verband Krea­tivwirtschaft Schweiz und Mitinitiator der Mediengesetz-Volksinitiative. «Kreativität kann in Kombination mit Technologie zu disruptiven Businessmodellen führen, und das sollte man fördern, da sich Innovation und Kulturleistung gegenseitig befruchten und mittelfristig ineinander fliessen.»

Indiegame-Festivals

Eine Öffnung zeichnet sich auch in der Festivallandschaft im Raum Zürich ab. Das Internationale Animationsfilmfestival Fantoche, namentlich Duscha Kistler, von 2003 bis 2011 künstlerische Leiterin, hatte sich früh für eine Vernetzung zwischen der Filmbranche und der Indiegame-Szene eingesetzt, indem sie das Festival für Indiegames öffnete. Inzwischen gibt es in Zürich mit dem Ludicious und dem GameZFestival gleich zwei junge Indiegame-Festivals. Auch intensiviert wurde seit diesem Jahr die Kooperation zwischen der Grundlagenforschung am Disney Research Lab an der ETH und der ZHdK mit der gemeinsamen Werkstatt «Game Programming Laboratory».
Während im Ausland Videospiele längst auch ihren Platz im Bereich zeitgenössische Kunst gefunden haben, fristen sie hier in der Ausstellungslandschaft noch ein Schattendasein. René Bauer ist mit der Künstlergruppe andor mit seinem Spiel «Laichenberg» – einer Demontage von Egoshooterspielen wie der geistigen Landesverteidigung –, am ZKM in Karlsruhe in der Dauerausstellung ZKM_Gameplay vertreten, in der Schweiz hatte er bisher noch keine Einladung erhalten. 

Ein Schweizer Vorzeigeprojekt

Davon überzeugt, dass die Arbeitstechniken der Gamekultur sowohl für das Theater wie den Film prägend und zukunftsweisend sind, ist Samuel Schwarz, der Kopf von 400asa und Regisseur von «Polder» (siehe Bild). Hinter «Polder», dem Schweizer Vorzeigeprojekt für das Zusammenlaufen von Game- und Filmkultur, standen von Anfang an Gamer, namentlich Matthias Sala vom Studio Gbanga, die sich auf «mixed Reality»-Spiele spezialisiert haben. Zum Universum von «Polder» gehören nebst dem Kinospielfilm ein «Alternate Reality Game», bei dem die Zuschauer zum Mitmachen animiert werden, sowie eine App. 
«Das Zusammenlaufen von Game und Film ist eine Chance, neue Räume für soziale Zusammenkünfte zu schaffen», sagt Samuel Schwarz und ist überzeugt, dass die Zukunft der audiovisuellen Geschichten auch ausserhalb des Kinosaals liegt. Zur Zeit schleifen Gamedesigner gerade an einer App für den «Poldertag» vom 28. November in Zürich. Eine Schifffahrt an den geheimen Vorführort des Films erwartet das Publikum.

Derweil denkt Janina Woods darüber nach, wie sie eines Tages ihre 360°-Experimente mit der 3D-Brille in ausführlichere Filmprojekte integrieren kann. «Die Konvergenz ist eine Chance, insofern sie mit Geist gefüllt wird», sagt Schwarz. Bleibt abzuwarten, ob dies geschehen wird, dank oder trotz der Standorterweiterung von Google in Zürich. 

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife