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«Ideal wäre eine nationale Plattform»


25. September 2017

Der Produzent Joël Jent über die Filmauswertung auf VoD-Plattformen, das Problem der Lizenzdauer, die Verantwortung der Produzenten und die Vormachtstellung der Majors.

Das Gespräch führte Kathrin Halter
 

Woher rührt Ihr Interesse an Video-on-­Demand?
VoD gefiel mir von Anfang an. Vor dem 100-Filme-Jubiläum von Dschoint Ventschr realisierte ich, dass ich viele unserer Filme gar nicht kannte – und dass sie auch nicht verfügbar waren. Nun erstellen wir seit sieben Jahren ein digitales Archiv; 86 von 115 Filmen sind inzwischen aufbereitet. Das Kriterium der Verfügbarkeit ist gerade für meine Generation elementar.
 

Es kann aber nicht sein, dass jeder Verleiher seinen eigenen Katalog online stellt – es brauchte doch Orte, wo vieles zusammenkommt.
Genau. Gut wäre deshalb eine nationale Plattform, die sämtliche Schweizer Filme enthält. Schulen, Botschaften und andere Institutionen wüssten dann endlich, wo sie die Filme finden können; man könnte sie staatlichen Institutionen auch kostenlos zur Verfügung stellen. Vielleicht könnte eine solche Plattform auch von der Cinémathèque suisse betrieben werden, denn was nützen Archivbestände, wenn sie nicht zugänglich sind?

So viele Schweizer Filme liegen als Masterbänder oder Negative in Schränken herum. «Höhenfeuer» von Fredi Murer zum Beispiel findet sich auf keiner Plattform! Es gibt gerade mal eine illegale Kopie mit russischer Synchronfassung auf Youtube; ich halte das für eine Katastrophe.

Das grösste Hindernis ist dabei die Digitalisierung, weil Investitionen und Zeitaufwand, zumal bei älteren Filmen, enorm sind. Um VoD zu ermöglichen, sollte man also die Digitalisierung unterstützen. Produzenten wiederum sollten begreifen, dass sie als Inhaber der Weltrechte nach dem ersten Auswertungs­zyklus, wenn die Verträge der Weltvertriebe und der Verleiher auslaufen, die VoD-Auswertung an die Hand nehmen sollten.
 

In der Regel verhandeln Verleiher mit den Plattformen, oder es werden Aggregatoren engagiert, um die Rechte zu bewirtschaften. Sie als Produzent betreuen die VoD-Auswertung selbst. Können Sie das empfehlen?
Da gibt es verschiedene Modelle. Ich behaupte, es ist für alle am einfachsten, wenn die Produzenten die VoD-Auswertung ihrer Filme selbst betreuen – auch wenn dies Verleiher nicht gerne hören. Es ist letztlich ein strukturelles Problem. Bei einem Fünf- oder Sieben-Jahresvertrag verwaltet der Verleiher die VoD-Rechte oder vergibt diese subsidiär an eine Firma wie Impuls Home Entertainment weiter. Nach Ablauf der Lizenzdauer fallen die Weltrechte und die Schweizer Rechte an den Produzenten zurück, der die ganze Arbeit wiederholen muss: Mit jeder Plattform müssen neue Verträge abgeschlossen werden, oft dürfen nicht einmal die Film-­Files übernommen werden. Ich vermute, dass viele Produzenten dies dann aus Zeitmangel nicht tun.
 

Wie aufwendig ist die technische Aufbereitung neuerer Filme?
Es braucht schon technische Agilität, da fast jede Plattform ein anderes Format und andere Vorgaben verlangt. Ist der Film erst mal digitalisiert, kann man entsprechende Files aber innerhalb weniger Stunden aufbereiten.

 

Nehmen Plattformen prinzipiell jeden Film auf, vorausgesetzt, ihr Katalog wird nicht kuratiert?
Im Prinzip ja, sofern eine internationale Auswertung nachgewiesen werden kann. Bei iTunes kann es jedoch starke Restriktionen geben. Bei «Iraqi Odyssey» von Samir haben wir zum Beispiel erlebt, dass wir die arabischen Schriften entfernen mussten, was ich sehr übergriffig finde; wir durften nur englische Zwischentitel anbieten. Ihre Vormachtstellung ist so gross, dass sie in vielen Ländern ein Monopol halten. Da muss man dann abwägen, ob man nachgibt, oder eine weniger breite Auswertung in Kauf nimmt. Dennoch betrachte ich die Zusammenarbeit mit den Majors als Investition in die Zukunft, weil ihre Plattformen in verbreitete Betriebssysteme eingebunden sind und ihnen dadurch einen Wettbewerbsvorteil entsteht. Ähnlich wie bei den stärksten nationalen Anbietern hier in der Schweiz, die durch ihre Digital Receiver-Geräte in unseren Wohnzimmern einen Vorteil haben.
 

Viel bleibt für Filmschaffende vom Ge­­winn nicht mehr übrig, gerade bei den Major-Plattformen. Was tun?
Suissimage und die SSA versuchen die grossen VoD-Plattformen deshalb gegenwärtig ins Urheberrecht einzubinden. Wichtig finde ich, dass man kleine Plattformen nicht mit einbezieht, weil diese sowieso schon mit knappen Margen arbeiten, das würde zu einer ungesunden Bereinigung zugunsten der Majors führen und gerade Nischenanbieter benachteiligen.
 

Rechnen sich kleinere Arthouse-Filme überhaupt? Welche Erfahrung habt ihr gemacht?
Besonders ältere Titel sind bei Dschoint Ventschr oft noch nicht rentabel. Bei einigen Filmen spielen wir den grossen Aufwand jetzt aber schon wieder ein. Aber wir haben alles immer wieder investiert, was wir eingenommen haben und setzen auch auf eine Quer­finanzierung zwischen kleineren und grösseren Filmen.
 

  Originaltext: Deutsch

 

 

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