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Swiss Film-Bashing


21. September 2017

Selten in der Geschichte waren Schweizer Filme international so erfolgreich wie in den letzten Jahren. Filme an allen grossen A-Festivals. Oscar-Nominationen. Filmpreise in Frankreich, den USA und Deutschland für Schweizer Filme. Auch im Kino stehen die anspruchsvollen Filme in der Auswertung gleichwertig mit den ausländischen Arthouse-Filmen. Und fast jedes Jahr kann ein populärer Schweizer Film mit den amerikanischen Mainstreamprodukten an der Kinokasse mitziehen. Selten war die Branche sich so einig in der Filmpolitik, im Bewusstsein einer radikalen und tiefgreifenden Veränderung durch die Digitalisierung. Gleichzeitig steht in allen Verbänden ein geregelter Generationenwechsel bevor, und auch die jahrelang zerstrittenen Produzentenverbände sind dabei, sich zu vereinigen.

Ausgerechnet jetzt sind die Film­schaffenden in der Schweiz mit einer Welle von Nörgelei und krittelndem Besserwissen durch Leute konfrontiert, die sich weder auf korrekte Zahlen stützen wollen noch selber Recherchen machen. Ganz in Trumpscher Manier erhalten Thesen den Status von Fakten.

Auch in der Fachpresse wird Leuten eine Plattform gegeben, die wilde Behauptungen aufstellen, warum es dem Schweizer Film schlechtgehe… So behauptet die dänische Produzentin Sigrid Dyekjaer in Cinébulletin unwidersprochen, dem Schweizer Doku­mentar­film fehle es an internationaler Relevanz. Und sie outet sich als Unwissende mit der Behauptung, die Schweizer Förder-Reglemente würden Ko-Produktionen behin­dern. Für Kopfschütteln sorgte auch ihre Behauptung, Schweizer Filmtechniker blieben nur unter sich und würden nicht herumreisen. Wer nur eine kleine Ahnung von den Qualitäten der Schweizer Filmtechniker hat, kann das nicht ernst nehmen. Zudem weiss jeder Produzent, dass die Bestimmungen der Schweizer Filmförderung grosszügiger sind als Vorgaben in Deutschland.

Der «Star-Produzent» Michel Merkt wieder­­um rät uns Filmemachern, das Fördersystem zu professionalisieren. Seine neue und umwerfende Idee: weniger Filme für mehr Geld. Zur Erinnerung: Dieses «Lokomotiven»-Konzept scheiterte vor einigen Jahren kläglich. Dass mehr Geld nicht automatisch bessere oder erfolgreichere Filme produziert, weiss jeder Profi schon lange.
 

Krudes 10-Punkte-Programm

Noch ärgerlicher wurde es, als zwei Frame-Redaktoren ein Manifest herausgaben. Darin zehn Ratschläge, welche den Schweizer Film wieder erfolgreich machen sollten. Viele Kollegen schüttelten den Kopf über so viel Unwissenheit. Denn viele von ihnen arbeiten im Milizsystem an den Förder­konzepten mit, oder sie versuchen über unentgeltliche Freizeitarbeit in den Verbänden darauf Einfluss zu nehmen. Und der Grossteil in diesem kruden 10-Punkte-Programm wurde entweder schon durchgesetzt, ist noch in Arbeit oder in Vernehmlassung und wird im Detail diskutiert.

Bedingt durch die Digi­ta­lisierung wird momentan in der Film­förderung die Neudefinition von Film vorangetrieben (Punkt 1). Und die Zürcher Branche hat erfolgreich Unterschriften gesammelt, um eine Erweiterung der Film­stiftung zu erwirken, damit interaktive Erzähl­formen in Zukunft mehr Platz finden.

Eine nationale Filmschule zu fordern, ist hübsch (Punkt 2), hat aber nichts mit der föderalen Realität unseres Landes zu tun. Das gleiche gilt für Steuerrabatte für Private (Punkt 10). Auch da hätte es nicht geschadet, ein paar alte Filmproduzenten zu fragen, weshalb ihre Initiative für einen Tax-Shelter im Kanton Zürich nicht durchkam. In den letzten Jahren wurden mehr Erstlinge denn je finanziert und im neuen Reglement der Zürcher Filmstiftung ist die unkomplizierte Förderung von Erstlingsfilmen schon längst abgesegnet (Punkt 6).

Andere Vorschläge werden nicht mal begründet: Warum es eine höhere Messlatte bei Succès Cinema geben soll, bleibt rätselhaft (Punkt 8). Ignoriert werden alle, welche diese Beträge in einem ausführlichen Prozess mit dem BAK ausgehandelt haben. Und was ein Generationenwechsel in der Administration für einen Einfluss auf die Filme haben soll (welche ja durch die Kommissionen gefördert werden), ist noch enigmatischer (Punkt 9).

Auch zur oft diskutierten Idee einer Intendanz gibt es keine stringente Erläuterung. Schuldig bleiben uns die Autoren auch eine Antwort darauf, weshalb ein Intendant mutiger sein soll als eine Kommission. Und sie unterschlagen, dass es Länder gibt – wie Frankreich – mit einer erfolgreichen Filmförderung ohne Intendanten und mit Kommissionen.

So sind, mit Ausnahme der Ausweitung der Drehbuchförderung, alle Forderungen weit weg von der Realität. Und deshalb wurde das Manifest von der Branche nicht weiter beachtet. Umso erstaunlicher war die Einladung (an auserwählte Filmschaffende) durch die drei Festivals von Zürich, Genf und Locarno unter dem Titel «Connect to Reality». Viele Filmemacher fragten sich, wer wen mit der Realität verbinden sollte. Und empfanden es angesichts der schwierigen ökonomischen Realität, in der sie Filme produzieren, als respektlos, wenn ihnen Festival-Funktionäre und selbsternannte Experten erzählen wollen, wie sie das tun sollen.

Samir, Filmemacher, Produzent, Kinobetreiber
 

  Originaltext: Deutsch

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