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Solothurner Filmtage: Feuer unterm Dach

Pascaline Sordet
24. September 2021

Anita Hugi am Pressekonferenz des 56. Solothurner Filmtage. © Tanja Lander

Thomas Geiser, derzeitiger Präsident der Solothurner Filmtage, äussert sich zu den Ereignissen, die zur Ankündigung des Weggangs von Anita Hugi führten.

Am 12. August gaben die Solothurner Filmtage ihre neue Organisationsstruktur bekannt: Das Festival geht über zu einem dualen Führungsmodell und schreibt die Stelle einer künstlerischen Leitung sowie die neu geschaffene Stelle einer administrativen Leitung aus. Der Vorstand schreibt, die bisherige, zurzeit krankgeschriebene Direktorin Anita Hugi werde nicht zurückkehren.

Die Überraschung über diese Ankündigung ist gross. Anita Hugi lässt am Tag darauf in der Presse verlauten, die Mitteilung sei ohne ihr Einverständnis veröffentlicht worden und sie habe erst so von ihrer bevorstehenden Entlassung erfahren – was der Präsident der Solothurner Filmtage, Thomas Geiser, dementiert: «Sie hat nicht in der Presse von ihrer Kündigung erfahren. Wir haben ihr am 27. Juli per Zoom-Konferenz mitgeteilt, dass wir uns von ihr trennen und über eine Auflösungsvereinbarung oder eine Kündigung sprechen möchten. Bis zum 5. August waren wir im Gespräch über eine Auflösung in gegenseitigem Einvernehmen.» Er gibt jedoch zu, dass sie sehr spät über die Pressemitteilung informiert wurde: erst um ein Uhr früh des Tages, an dem die Mitteilung zur Mittagszeit an die Presse und die Branche verschickt wurde. Anita Hugi war zu diesem Zeitpunkt noch krankgeschrieben, war aber nach eigenen Angaben bereit, die Arbeit in den kommenden Tagen wieder aufzunehmen.

 

Es gab Konflikte

Auch einen Monat später steht Thomas Geiser zum Vorgehen des Vorstands: «Wenn Feuer unterm Dach ist, muss man handeln.» Zu den letzten Wochen vor den Solothurner Filmtagen 2021 sagt er: «Es gab Konflikte zwischen dem Team und Anita Hugi», von denen der Vorstand aufgrund der allgemeinen Homeoffice-Pflicht erst sehr spät erfuhr. Anonyme Aussagen, die gemäss Pascal Blum vom Tagesanzeiger von Teammitgliedern gemacht wurden, bestätigen dies: Sie sprechen von Mikromanagement, komplizierten Prozessen und Leerläufen; Anita Hugi habe interne und externe Mails nicht beantwortet, sei verspätet oder gar nicht zu Sitzungen erschienen oder schlicht unerreichbar gewesen.

«Es war klar, dass wir Ruhe bewahren und das Festival 2021 organisieren mussten. Im Februar begannen wir, uns um den Konflikt zu kümmern.» Doch auch eine Mediation vermochte die Beziehungen zwischen der Leiterin und ihrem Team nicht zu verbessern. Nach Gesprächen mit beiden Parteien und dem Mediator beschloss der Vorstand, ein duales Führungsmodell einzuführen, wie man es von anderen Festivals wie Visions du Réel in Nyon und Locarno kennt. «Eine Delegation des Vorstands wollte mit allen Beteiligten sprechen, das heisst mit Anita Hugi selbst und mit dem Team. Es war dringend, doch Anita Hugi stellte sich zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung. Die Delegation legte einen Termin fest, den Anita Hugi ablehnte. Zum zweiten Termin wurde sie krank.» Er fügt hinzu, dass es ab diesem Zeitpunkt keinen anderen Ausweg gab: Das Festival kann sich von seiner künstlerischen Leiterin trennen, nicht aber von seinem gesamten Team.

 

Wie weiter?

Wie geht es nun weiter? «Wir sind noch in Gesprächen, um eine gütliche Einigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu finden. Es gibt keinen Rechtsstreit». Anita Hugi ist momentan noch krankgeschrieben, doch es scheint klar, dass sie nicht zurückkehren wird. Die Sperrfrist für die Kündigung beträgt 90 Tage, wie Präsident und Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser erklärt. Anita Hugi könnte somit in den nächsten Tagen entlassen werden.

Für den Präsidenten geht es bei der Auseinandersetzung um Personalangelegenheiten und nicht um die unleugbaren künstlerischen Fähigkeiten der Leiterin: «Anita Hugis Ideen, ihre Vorschläge und ihre künstlerische Arbeit sind unumstritten. Das Problem liegt nicht dort, sondern in ihren Beziehungen zum Team. Es ist nur natürlich, dass eine künstlerisch sehr fähige Person in administrativen Belangen nicht ganz so stark ist.» Schliesslich bestätigt er, man habe die Möglichkeit, Anita Hugi durch eine zusätzliche administrative Leitung zu entlasten, ernsthaft in Betracht gezogen, «doch dazu müssen alle Beteiligten ihr Einverständnis gegeben haben». Anita Hugi tat es nicht, da ein Entscheidungsprozess in dieser Richtung gar nicht stattfinden konnte.

Die Version, die Anita Hugi am Telefon schildert, weicht von diesen Aussagen stark ab. Hier ihre – von Judith Stofer von der Mediengewerkschaft und Hugis Anwalt formulierte – Stellungnahme: «Anita Hugi kann sich öffentlich nicht mehr äussern, ohne das Risiko einer fristlosen Kündigung einzugehen. Würde sie zu den anonym erhobenen Vorwürfen und Internas Stellung beziehen, wäre das in den Augen des Vorstandes der Solothurner Filmtage rufschädigend. Für diesen Fall hat ihr Thomas Geiser am Montag, 16. August die  fristlose Kündigung angedroht. Anita Hugi kann also weder über die wahren Hintergründe informieren noch Angriffe entkräften. In dieser Situation gelangen Vorstand und anonym bleiben wollende Teammitglieder anonym wiederholt mit Vorwürfen an die Presse. Ein höchst unfaires Vorgehen, über welches das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.» Cinebulletin veröffentlicht, sobald dies juristisch gesehen möglich ist, ein weiterer Artikel, um Anita Hugis Sicht darzustellen. 

 

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