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Editorial

Für eine Kurzanalyse des schwedischen Filminstituts Film i Väst über die Filmpolitik der deutschsprachigen Länder wurden Befragungen mit Akteuren des Sektors durchgeführt. Ein markanter Anstieg des Produktionsvolumens für Koproduktionen mit Onlineplattformen wird bis 2025 erwartet, danach werde es auf einem hohen Niveau stagnieren, so die Meinungen bei den Produzenten. Die gleiche Zeit werde man brauchen, um das Verhalten der investitionspflichtigen Unternehmen beobachten zu können, sind sich ferner die öffentlichen Förderer in der Schweiz einig. Erst dann könne man gegebenenfalls mit Regularien nachjustieren. In der Zwischenzeit bietet sich die Gelegenheit, die eigene Förderpolitik zu überdenken. Wenn die Abrufdienste sich auf bestimmte Filmgenres und Filminhalte konzentrieren werden, könnte es ein Gegengewicht brauchen. Wird der Schutz des «Schweizerischen» doch noch zum Thema? 

Die Funktion des Bundesamts für Kultur bei der Umsetzung der «Lex Netflix» sowie die aktuelle Analyse all unserer Förderinstrumente in der Schweiz zeigen auf, dass es einen Kompromiss braucht zwischen der Rentabilität einerseits und den schweizerischen Grundsätzen der Gleichberechtigung und der demokratischen Mitbestimmung andererseits. Während die SRG auch die Möglichkeit in Betracht zieht, mit den Onlineplattformen zusammenzuarbeiten, um Lizenzen an bestehenden Werken zu erwerben oder neue Inhalte zu koproduzieren, enthält der neue «Pacte de l’audiovisuel» bereits die Grundlagen, um eine solche Zusammenarbeit mit neuen Regeln zu vereinfachen, die die verschiedenen Akteure stärker einbinden. Erste Erfahrungen der Produktionsfirmen und der Filmschaffenden haben gezeigt, dass die Branche sich überhaupt an neue Geschäftsmodelle und Formate anpassen muss. Die von vielen geäusserte Sorge in Bezug auf die Urheberrechte unterstreicht, wie wichtig es ist, Schweizer Filmschaffende vor allfälligem Druck zu schützen, den international tätige Plattformen auf sie ausüben könnten.

Die Rolle des Produzenten und der Produzentin könnte sich in diesem Kontext wandeln. Ihm oder ihr fällt die Aufgabe zu, für gerechte Arbeits- und Vertragsbedingungen einzustehen, wenn sich die Konkurrenz auf dem Markt verschärft. Es eröffnen sich vielleicht aber auch neue Perspektiven, wenn von der Produktionsfirma nicht mehr die ganze kreative Verantwortung erwartet wird und Service-Aufträge dazukommen. Den Gewinn an Erfahrung für die Schweizer Filmschaffenden wird man gegenüber einer möglichen Kommerzialisierung des Betriebs abwägen müssen.

Doch was sagen die heiss begehrten internationalen Partner dazu, die in gleichem Masse Hoffnung wecken und Ängste schüren? Eine Pressesprecherin von Netflix Deutschland bestätigte auf die Anfrage hin, dass die Plattform sich in nächster Zeit nicht zu ihren Absichten in unserem Land äussern wird, dass wir jedoch umgehend informiert würden, sobald erste Schlüsse gezogen würden. Eine erstmalige genauere Schätzung der Umsätze der Plattformen und anderer Akteure in der Schweiz sollte am nächsten Locarno Film Festival veröffentlicht werden. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass die Umsätze dieser neuen Partner sich so schnell ändern können wie ihre Absichten, denn Stabilität und Dynamik gehen nicht unbedingt zusammen. Eines ist auf jeden Fall sicher: Die Schweizer Filmbranche wird Ideenreichtum beweisen müssen.  

 

Adrien Kuenzy und Teresa Vena
Chefredaktion

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