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Von einer unterschätzten Arbeit im Hintergrund

Pascaline Sordet
02. April 2020

Filmstill aus dem Film «Tinselwood», den Marie Voignier in Kamerun mit Hilfe des dort lebenden Regieassistenten Noël Pial gedreht hat.

Fixer sind wichtige Hilfskräfte im Journalismus und im Dokumentarfilm, doch was fixen sie eigentlich? Als Regieassistenten, Guides, Dolmetscher, Vermittler, ausführende Produzenten verantworten sie ganz unterschiedliche Aufgaben, die nicht immer klar abgrenzbar sind.

Auf die Frage, was gute Fixer auszeichnet, verweist die Künstlerin und Filmemacherin Marie Voignier (deren neuster Film «NA China» ­Visions du Réel auf FestivalScope zeigt) auf die kulturellen Unterschiede zwischen Regie und den Gegebenheiten vor Ort. Wenn man in einem fremden Land drehe, so Voignier, sei es wichtig, jemanden dabei zu haben, «der die Gegend und die Sprachen gut kennt und bereits mit Auswärtigen gearbeitet hat. Jemanden, der unsere Unzulänglichkeiten und Inkompetenzen voraussehen kann, der beispielsweise sagt, dass man den Polizeichef avisieren muss, wenn man in ein Dorf kommt, was man gewöhnlich nicht weiss.» Diese Schlüssel­person, die oft im Hintergrund agiert, ist eine Hilfe und Wegweiserin für unterschiedlichste und nicht scharf definierbare Aufgaben.

 

Dialekte übersetzen

Sie leistet deutlich mehr als ein Dolmetscher, sagt die Regisseurin: «In Kamerun hatte ich für ‹Tinselwood› (2017) einen Regieassistenten aus der Gegend, Noël Pial, der drei der lokalen Dialekte beherrschte. Er war wirklich ein Assistent; er begleitete mich bei der Dreh­ortsuche, wir diskutierten Fragen rund um das Projekt, damit er es möglichst gut erklären konnte. Nach den Dreharbeiten half er mir bei der Untertitelung. Er war die Person, die am längsten an meiner Seite war.» Ein wichtiger Mitarbeiter also, dessen Sicht zählt.

Da 80 Prozent der Fixer berichten, dass sie bei ihrer Arbeit mit Journalisten redaktionelle  Leistungen erbringen, stellt sich die Frage, wie ihr kreativer Beitrag aufgenommen und geschätzt wird. Und wie werden sie bezahlt? Die Antwort variiert je nach Vorgehen.

In kreativen Dokumentarfilmen wie bei Marie Voignier, wo die Zeit gemächlich dahinfliesst, «ist seine Präsenz und Persönlichkeit sowie seine Art, sich in das Projekt zu vertiefen unverzichtbar für den Film.» Als wichtiger Mitarbeiter wird Noël Pial für seine Regieassistenz und für die Übersetzungen der Dialekte Bakwélé, Bamango und Baka bezahlt. Bei Fernsehproduktionen für Mainstream-Medien, die viel rascher produziert werden, ist die Situation komplexer. Eric Tassel ist Franzose und pendelt als Produzent und Koordinator eines Netzes von Fixern, Brama Production, zwischen Spanien und Bolivien. Er arbeitet hauptsächlich für das französische Fernsehen: «Die Fixer spielen eine wesentliche Rolle, weil sie alle Informationen besitzen. Die Journalisten kommen allein überhaupt nicht zurecht und hängen stark von ihnen ab. Es kam schon vor, dass ich den Hauptteil des Textes beitrug, aber im Abspann nicht einmal erwähnt wurde. Ich habe keinerlei Rechte.»

Die Unterscheidung zwischen kreativem Dokumentarfilm und Mainstream-Fernsehen ist leicht absurd, doch sie verdeutlicht konkrete Probleme. Fixer ist kein strukturierter Beruf. Viele von ihnen sind selber Journalisten oder Regisseure und arbeiten gleichzeitig für ausländische Produktionen. Eric Tassel plädiert für die Schaffung eines «internationalen Verbands, in dem sich talentierte Fixer mit denselben ethischen Werten zusammenschliessen könnten und der jenen Journalisten, die einen Sinn für faire und gute Arbeit haben, eine Plattform bieten würde, auf der sie einen Fixer auslesen können, der ihren Erwartungen entspricht. Internationale Bestimmungen und Normen würden den Fixern ermöglichen, ihre Tätigkeit zu professionalisieren und ihre Erfahrung und ihren Input geltend zu machen.» Somit wäre auch einfacher zu definieren, was Fixer tun und was nicht: «Simultandolmetschen kann ich zum Beispiel nicht besonders gut und wurde deshalb auch schon gerüffelt. Ich bin kein perfekter Dolmetscher!»

 

Sprache bedeutet Macht

Die Sprache ist eines der sichtbarsten Probleme – wenn auch nicht das einzige –, weil sie die Beziehung zwischen den Protagonisten und dem Filmemacher beeinflusst. Die Intimität entsteht im Dreieck, nicht im Duo. Marie Voignier hat in verschiedenen Kontexten gearbeitet: In China mit Immigrantinnen aus Afrika, mit denen sie in Englisch kommunizierte, in Nordkorea für «Tourisme international» (2014), wo der direkte Kontakt zur Bevölkerung unmöglich ist, und in Kamerun, wo Französisch eine politisch aufgeladene Sprache ist. «Es ist immer viel besser, sich direkt an die Menschen wenden zu können, auch wenn man die Sprache nicht gut beherrscht», sagt die Dokumentarfilmerin. «In Kamerun verstanden die Leute Französisch, auch wenn sie sich darin nicht besonders wohl fühlten. Ich sprach, der Dolmetscher erklärte und präzisierte meine Aussagen.» Wenn die Kommunikation kompliziert ist, bedeutet das nicht, dass ein Dokumentarfilm nicht möglich ist. Man muss jedoch die Beziehung im Auge behalten, die zwischen der gefilmten Person und der Filme­macherin entsteht: «Für mich gibt es keine Regeln, man sollte einfach darauf achten, dass das Dolmetschen und die Erklärungen die Asymmetrie der Macht nicht zusätzlich verstärken, dass es keine Missverständnisse gibt, wie sie ohnehin schon oft entstehen, wenn man hinter der Kamera steht. Das erfordert enorm viel Zeit und Sensibilität, ist aber nicht a priori unmöglich.»

 

Wer erzählt die Geschichte?

Die Filmemacherin unterstreicht den politischen Aspekt der Sprache. Sie verrät, wer sprechen darf und kann; sie verstärkt das Machtverhältnis zwischen untergeordneten Kulturen und Kolonialkulturen; sie macht in dieser Machtkonstellation deutlich, wer gekommen ist, um zu nehmen und von wem erwartet wird, zu geben. Das Beherrschen der Sprache spiegelt die Beziehung zwischen Filmenden und Gefilmten: «In Kamerun ist Französisch die Sprache der Kolonisten, die aufgezwungene Sprache, also versuchte ich, möglichst viel in der lokalen Sprache zu drehen. Alle sprachen Französisch, doch wir arbeiteten im Dialekt. Wenn ich nämlich nicht dabei wäre, würden die Protagonisten untereinander in ihrer Sprache reden. So haben sie mehr Freiheit in der Diskussion.» Das verlangt von der Filmemacherin, dass sie während des Drehens einen Schritt zurücktritt, da sie nicht versteht, was während einer Sequenz gesagt wird. «Doch wir sprechen vorher darüber und machen anschliessend ein Debriefing», erklärt Marie Voignier.

Im Journalistenmilieu spielt sich die Debatte über die Rolle der Fixer vorwiegend im angelsächsischen Raum ab. Häufig sind sie selber Journalisten und werden in Ländern, über die sonst wenig berichtet wird, von ausländischen Medien zur Unterstützung eines Sonderberichterstatters engagiert, und zwar für Themen, die sie selber bereits behandelt haben und die ihnen die Medien direkt abkaufen könnten. Die Beziehung zwischen Fixer und Journalist und in gewissem Masse auch zwischen Fixer und Dokumentarfilmer  spiegelt das Machtverhältnis in der Sprache: Wer erzählt die Geschichten und aus welchem Blickwinkel?

 

* Nieman Reports, «Fixing» the Journa- list-Fixer Relationship, 15. November 2017.

▶  Originaltext: Französisch

 

 

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