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Im Dienst von Filmwirtschaft und Tourismus

Pascaline Sordet
19. Juni 2021

Gute Werbung für die künftige Film Location Valais: Eine Verfolgungsjagd im Bond-Klassiker «Goldfinger» (1964) wurde auf dem Furkapass gedreht.

Welche Standortförderung bietet auch finanzielle Unterstützung? Die Antwort auf diese Frage entscheidet manchmal bei der Wahl eines Drehorts. Nun hat das Wallis mit Film Location Valais eine weitere regionale Standort­förderung angekündigt.

Die internationalen Grenzen sind seit 16 Monaten teilweise geschlossen. Die Bemühungen, Dreharbeiten ausländischer Filme in die Schweiz zu locken, haben deshalb nicht nachgelassen. Auf Bundesebene wurde bereits 2016 die FiSS zur Förderung schweizerisch-ausländischer Koproduktionen ins Leben gerufen. Dazu haben auf regionaler Ebene in den letzten Jahren mehrere Kantone Organisationen gegründet: die Film Commission Zurich, die Ticino Film Commission und die Film Commission Lucerne and Central Switzerland. Als bisher letzter Kanton kündigte das Wallis Ende April die Schaffung von Film Location Valais an.

All diese Institutionen bieten logistische Unterstützung bei der Drehortsuche, der Vermittlung lokaler Teams und bei Verhandlungen mit Hotels und Behörden. Gestützt auf konkrete Erfahrungen anderer Regionen und Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kultursektors hoffen sie, Einkünfte für Filmwirtschaft und die Tourismusbranche sowie Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung zu schaffen.

 

Kommissionen mit und ohne finanzielle Mittel

Aufgrund der geographischen Nähe und der ähnlichen Topografie  wird in der Schweiz oft die Cine Tirol Film Commission als Vorbild genannt. Eine erfahrene Kommission, die stolz darauf ist, Dreharbeiten zum James-Bond-Film «Spectre» (2015) im Skiort Sölden ermöglicht und unterstützt zu haben. Sie verfügt zudem über ein Finanzinstrument in Form eines Production Incentive, mit dem die Produktionen selektiv unterstützt werden, je nach Höhe des erwarteten wirtschaftlichen Nutzens und der thematischen Repräsentation der Region Tirol.

Alle Kommissionen der Welt bieten logistische und organisatorische Unterstützung an. Viele bieten auch finanzielle Hilfen, geknüpft an tatsächliche Ausgaben in der jeweiligen Region. In Zürich und Luzern ist dies nicht der Fall, obwohl mit Unterstützungsfonds, Steuerermässigungen (Tax Rebate) oder Barrabatten (Cash Rebate) die Attraktivität einer Region und die Wahrscheinlichkeit, grosse Drehs anzulocken, erhöht werden kann. Der von CAB Productions koproduzierte Film «Sils Maria» von Olivier Assayas ist ein typisches Beispiel: Die Aussenaufnahmen fanden in Graubünden statt, die Innenaufnahmen jedoch im benachbarten Südtirol. Ausschlaggebend dafür, dass Italien das Rennen machte, waren die finanziellen Anreize der IDM Film Fund & Commission Südtirol.

Der Walliser Produzent und Regisseur Tristan Albrecht bestätigt: «Um erfolgreich zu sein, muss eine Kommission beides bieten: Dienstleistungen im Bereich Logistik und Drehortsuche sowie finanzielle Anreize.» Film Location Valais hat deshalb wie Cine Tirol einen Unterstützungsfonds geschaffen, der mit Geldern aus Wirtschaft, Tourismus und Kultur gespeist wird. Die Hilfsgelder werden automatisch vergeben, anhand einer Einschätzung der Ausgaben und des erhofften Imagegewinns. Laut Anne-Catherine Sutermeister, Leiterin der Dienstelle für Kultur des Kantons Wallis, wird die Höhe des Fonds nicht öffentlich gemacht, da er auch für andere Projekte verwendet wird und keine falschen Hoffnungen geweckt werden sollen. Die  oder der zukünftige Film Commissioner hat die Aufgabe, ein Budget zu erstellen und die Bedürfnisse zu definieren: «Die Bedingungen haben sich aufgrund der Pandemie so stark verändert, dass das Förderinstrument nach Amtsantritt neu bewertet werden muss. Wir müssen zum Beispiel klären, ob indische Filmteams immer noch in den Alpen drehen wollen oder ob wir uns eher auf den europäischen Markt konzentrieren sollten.»

 

Eine lange Entstehungsgeschichte

Insgesamt dauerte es zehn Jahre, bis das Projekt zustande kam. Der Anstoss dazu kam vom Verband der Walliser Filmschaffenden Valais Films und von Tristan Albrecht: «Seit 2010 wurde ich immer wieder von ausländischen und Schweizer Firmen kontaktiert, die Drehorte, technisches Personal, Material oder eine Produktionsleitung suchten. Ich erhielt so viele Anfragen, dass ich auf die Idee kam, einen Dienst zu gründen, um sie alle zentral zu verwalten. Die Anfragen kamen hauptsächlich über Valais/Wallis Promotion, die Tourismusbüros und Produktionsfirmen wie meine Dedal Film oder PCT von Pierre-André Thiébaud. Oft verliefen sie dann aber im Sand.» 

Tristan Albrecht unterbreitet seine Idee dem Kanton, der sie «nett» findet. Erst als der Dachverband sich einschaltet, nimmt das Projekt Form an. Eine Arbeitsgruppe befasst sich zwei Jahre lang mit dem Pflichtenheft, dem Budget und möglichen Kulissen und stellt Vergleiche mit Kommissionen anderer Länder an, von Österreich bis Neuseeland. Darauf folgt eine lange Zeit der Mittelbeschaffung, der politischen Diskussionen und der Versuch, den Bund mit einzubinden. «Paradoxerweise hat uns die Pandemie sehr geholfen», so Tristan Albrecht. Die Tourismusbranche hat Schwierigkeiten und muss sich neu erfinden, unter anderem auch wegen der abnehmenden Schneesicherheit – wieso also nicht auf den Film setzen?

Anne-Catherine Sutermeister erinnert sich an den Moment, als die Politik umschwenkte: «Während der Dreharbeiten zu ‹La Ligne› in Le Bouveret haben wir ein Treffen mit Ursula Meier organisiert, bei dem auch die für Wirtschaft und Kultur zuständigen Staatsräte anwesend waren. Der Austausch vor Ort mit Leuten, welche die Filmbranche und ihre Bedürfnisse genau kennen, und die Erkenntnis, wie viele Personen an einem Dreh beteiligt sind, von Hotels bis zu Dienstleistern – diese konkrete Erfahrung war sehr hilfreich.»

Nun da die Kommission beschlossen wurde, wirbt auch das Wallis mit einem James-Bond-Film,  mit «Goldfinger» und seiner Verfolgungsjagd über den Furkapass. Nicht weil sie daran beteiligt gewesen wäre – der Film stammt aus dem Jahr 1964 – sondern um die Attraktivität der Region zu zeigen. 

 

Ein regionaler Ansatz ist wichtig

Es ist kein Zufall, dass nur einzelne Kantone wie das Wallis und das Tessin (siehe Kasten) eine Kommission mit finanziellen Mitteln haben, nicht aber die Schweiz als Ganzes. «Solche Projekte müssen auf lokaler Ebene entstehen», bestätigt Tristan Albrecht. «Sie sind an die geografischen Besonderheiten der Region gebunden und bedingen eine gute lokale Vernetzung und Kenntnis der Gegend. Wäre ich Film Commissioner für die ganze Westschweiz, würde ich mich schwertun, Dreharbeiten in Genf zu unterstützen. Dazu muss man in der Region gut verankert sein.»

Die Kommissionen sind gestuft organisiert: Es gibt eine internationale Dachorganisation, europäische Vereinigungen, nationale Verbände und regionale Stellen. Es wäre also durchaus denkbar, dass eine nationale Institution im Auftrag der verschiedenen kantonalen Kommissionen die Akquisition im Ausland übernimmt. Im Tourismus funktioniert dies bereits heute so. Eine gute Gelegenheit also, Film Location Switzerland zehn Jahre nach ihrer Stilllegung mangels finanzieller Mittel wieder auferstehen zu lassen.

 

▶  Originaltext: Französisch

 

Mehrere Pilotprojekte im Tessin

ie Ticino Film Commission verfügt über ein jährliches Budget von einer halben Million Franken und unterstützt damit Filmproduktionen, die im Tessin drehen. Die Unterstützung hängt nicht von der Qualität der Filme, sondern von der Visibilität des Tessins im Film ab, der Anzahl Drehtage im Kanton sowie der Anzahl lokaler Fachleute, die an den Dreharbeiten beteiligt sind. Pro Jahr werden so Beiträge in Höhe von ca. 250ʼ000 Franken investiert. Die Gelder stammen nicht aus dem Kulturbudget, sondern aus dem Wirtschaftsdepartement. Während der Pandemie wurde ein Teil des Fonds für Hilfsmassnahmen für Filmschaffende verwendet. 

Niccolò Castelli übernahm vor einigen Monaten die Leitung der Kommission und hat bereits mehrere Projekte lanciert, die sich noch in der Pilotphase befinden: «Ich bin mit mehreren Gemeinden, wo wir häufig drehen, im Gespräch, um einen Cash Rebate einzuführen. Ich hoffe, dies Anfang nächstes Jahr unter Dach und Fach zu bringen. Das Ziel ist, jedes Jahr ein Budget zur Verfügung zu stellen und damit ungefähr 20 Prozent der auf Gemeindegebiet aufgewendeten Ausgaben zurückzuerstatten, bis das Budget aufgebraucht ist.»

Auch für die Förderung der italienischen Sprache setzt sich ­Niccolò Castelli ein. Dazu erprobt er Massnahmen, die bereits in der Entwicklungsphase greifen sollen: «Bei einem Projekt haben wir die italienische Übersetzung des Drehbuchs finanziert und eine Tessiner Drehbuchautorin dafür bezahlt, dass sie Ratschläge zu jenen Szenen gibt, die im Tessin spielen, um Klischees zu vermeiden und für Glaubwürdigkeit zu sorgen. Es gab zum Beispiel eine Szene, die in einem Grotto mitten im Stadtzentrum spielt – was wenig realistisch ist. Die Beraterin hat die Produktion auch bei der Suche nach Drehorten mit besonderer Atmosphäre sowie beim Casting unterstützt.»

 

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