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«Wir wollen den engagierten Dokumentarfilm fördern»

Pascaline Sordet
19. Juni 2021

Frédéric Gonseth © zvg

Nach seiner Gründung im November 2020 hat «Le Pacte – Bündnis für Recherche und Reportage» Anfang Juni 2021 seine erste Projektausschreibung lanciert. Die neue Organisation besteht aus den wichtigsten Berufsverbänden und Netzwerken von JournalistInnen in der Schweiz sowie Think Tanks, die sich für die Qualität und die Vielfalt der Medien einsetzen. Sie alle sind der Meinung, dass der chronische Mangel an Ressourcen für investigative Recherchen und Reportagen ein Problem darstellt für das Funktionieren der Demokratie und sind fest entschlossen, dies zu ändern. Ein Gespräch mit Frédéric Gonseth, Regisseur, Produzent und Kassier von Le Pacte.  

 

Beim Wort «Pacte» denken Filmschaffende zwangsläufig an den Pacte de l’audiovisuel zwischen der SRG und der Filmbranche. Diente er als Vorbild?

Die Erfahrungen solcher Förderprogramme aus dem Filmsektor waren hilfreich, wobei klassischere Institutionen wie Cinéforom oder das Bundesamt für Kultur für uns relevanter sind als der auf die SRG zugeschnittene Pacte de l’audiovisuel. Aufgrund dieser Erfahrungen wissen wir, wie wir die Berufsleute unterstützen können, ohne die Inhalte zu beeinflussen. Wir wollen in erster Linie, dass die JournalistInnen frei sind – hier sehen wir den grössten Handlungsbedarf.

 

Sie unterstützen sowohl Recherchen als auch Reportagen. In welchen Formaten?

Anfangs hatten wir eine klassische Vorstellung von den Formaten, doch wir haben uns zunehmend geöffnet. Wir sind uns einig, dass geschriebene Berichte, Radioreportagen, audiovisuelle Formate und Webpublikationen gleichermassen gefördert werden müssen, sofern eine solche Einteilung überhaupt möglich ist. Wir möchten auch pluriforme Projekte unterstützen, mit schriftlichen und filmischen Elementen, in Papier- und Onlineformat usw.

 

Audiovisuelle Produktionen sind im Vergleich zu schriftlichen Reportagen viel kostenaufwändiger. Wie verteilen Sie die Fördermittel?

Le Pacte unterstützt die journalistische Arbeit und finanziert folglich bei einem Dokumentarfilm nur diesen Teil. Dokumentarfilmprojekte sind zugelassen und werden von der Jury in Bezug auf Relevanz und Qualität beurteilt, doch die weitere Finanzierung muss anderweitig gesichert werden. Dazu müssen die JournalistInnen mit einem Filmteam zusammenarbeiten.

 

Können Filmschaffende Projekte einreichen?

Nur wer einen Presseausweis besitzt und im Berufsregister eingetragen ist, kann ein Projekt einreichen. Filmschaffende können ihr Projekt also nicht allein einreichen, selbst wenn sie eine Zusammenarbeit mit einer Journalistin oder einem Journalisten planen. Zurzeit sind unsere Mittel noch bescheiden, doch wir hoffen, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Der audiovisuellen Branche eröffnet dies neue Möglichkeiten, stellt aber kein neues Förderinstrument dar. Wir wollen so die Zusammenarbeit mit JournalistInnen fördern, damit der engagierte Dokumentarfilm in der Schweiz wieder vermehrt Fuss fasst.

 

Wie verliefen die Gespräche mit Ihren Partnern, insbesondere mit Suissimage, die normalerweise nur den audiovisuellen Sektor unterstützt?

Sie haben uns die gleichen Fragen gestellt – wen wir unterstützen, wie und mit welchem Ziel – und wir haben so detailliert wie möglich geantwortet. Die öffentliche Hand war bisher zögerlich, mit Ausnahme der Stadt Genf, was wir als positives Zeichen deuten. Sie hat 2020 und 2021 je 10ʼ000 Franken beigesteuert und ist bisher unser einziger Sponsor, der langfristige Unterstützung in Aussicht gestellt hat. Wir haben auch die Kantone Waadt und Genf angefragt, die in Sachen Presseförderung sehr fortschrittlich sind. Sie sind offen für eine Zusammenarbeit, doch wir warten noch auf Antworten.

Das Projekt ist aber nicht auf die Westschweiz begrenzt, sondern richtet sich an alle Sprachregionen.

Ursprünglich hatten wir ein Westschweizer Projekt mit Namen Fijou (für «financement du journalisme») gegründet, konnten es aber nicht umsetzen. Die Stadt Lausanne sprang während des Prozesses ab, und wir mussten aufgeben. Vor rund 18 Monaten übernahmen Impressum und die Berufsverbände der JournalistInnen das Zepter und machten ein landesweites Projekt daraus.

 

Die erste Ausschreibung wurde lanciert, und es wird 2021 noch weitere geben. Was erwarten Sie?

Keine Ahnung! Wir Filmschaffenden sind es gewohnt, Projekte einzureichen; Dossiers zusammenzustellen ist unser tägliches Brot. Im Journalismus ist dies nicht üblich. Die Leute arbeiten in Redaktionen und haben eine ganz andere Vorgehensweise. Es ist ein Experiment, und es gibt Bedenken, ob bereits ab der ersten Ausschreibung genügend gute Projekte eingehen. Es ist ein Lernprozess für uns alle, auch für die Jurymitglieder.

 

Wann können wir ein erstes Fazit erwarten?

Im Herbst werden wir Bilanz ziehen, um den Start zu bewerten, die nötigen Anpassungen vorzunehmen und auf die Suche nach weiteren Mitteln zu gehen. Wir müssen die Vorteile von Le Pacte hervorheben, zeigen dass er einen Lösungsansatz bietet für gewisse Probleme im freien Journalismus und so neue Partner überzeugen, insbesondere der öffentlichen Hand. Ihr Beitrag ist mit 20ʼ000 von insgesamt 225ʼ000 Franken bisher sehr bescheiden.

 

▶  Originaltext: Französisch

 

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