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Wie der ökologische Fussabdruck kleiner wird

Kathrin Halter
16. September 2022

Die Kondensstreifen sind beim Fliegen laut einer ETH-Studie noch schädlicher als das CO2. © Joachim Suss / unsplash

Die Website sustainablearts.ch versammelt Informationen, Tipps und Tools zum Thema Nachhaltigkeit in der Kulturbranche. Die Sensibilisierungs- und Motivationshilfe ist gerade für die Filmbranche nützlich, denn der Klimaschutz drängt – und schon bald dürften Nachweise über den CO2- Fussabdruck von Film­produktionen auch in der Schweiz zur Pflicht werden. 

Die Videoclips sind kurz gehalten und vermitteln in Alltagssprache und mit kurzen Witzeinlagen einfache Wahrheiten: Auf dem Set lässt sich auch papierlos arbeiten, also mit dem Tablet statt mit Bergen von Papier;  übernachten kann man in der Nähe der Dreharbeiten, wodurch Arbeitswege wegfallen und alle Zeit gewinnen; auch das Catering lässt sich grüner handhaben, mit Wasserflaschen und wiederverwendbaren Ess-Boxen beinahe ohne food-wasting; und Energie wiederum kann mit LED-Lichtern eingespart werden, mit der Reduktion des Equipments oder der Vermeidung von Strom-Generatoren, um nur ein paar Beispiele zu erwähnen. 

Die von der Swissfilm Association gestalteten Clips sind zwar nicht unbedingt typisch für sustainablearts.ch, wo sich noch weitere Videos, Podcasts und Texte zur Vermittlung von Hintergrundwissen zum Thema versammeln. Doch sie bieten eine willkommene Ergänzung zu Tools, die Detailkenntnis erfordern und der komplexen Materie auch auf komplexe Weise gerecht zu werden versuchen. 

sustainablearts.ch führt also, nach den vier Kultursparten Film, Festivals & Events, Bühnenproduktion und Museen geordnet, diverse Anleitungen auf, die dabei helfen sollen, die Kulturproduktion nachhaltiger zu gestalten. Wie wichtig dies gerade im Film ist, belegt ein Zitat der British Academy of Film and Television Arts (BAFTA), das sich ebenfalls auf der Website findet: Dabei werden bei der Produktion von einer Stunde Fernsehinhalt rund 13 Tonnen CO₂ ausgestossen – dies entspricht knapp zwei Erdumfahrten mit dem Auto; die Fernseh- und Filmindustrie ist eben eine der energieintensivsten Branchen weltweit. Die Website greift vorhandenes Wissen vor allem aus dem Ausland auf. Initiiert wurde die Seite von der Zürcher Filmstiftung, mitgetragen und kofinanziert wird sie vom Migros Kulturprozent und von Cinéforom. Bei einer ersten Präsentation der Website an den Solothurner Filmtagen sagte Susa Katz von der Filmstiftung, man wolle damit primär Wissen transportieren, sensibilisieren und zum Umdenken motivieren.

 

CO2-Rechner ab Oktober bereit

Ein zentrales Hilfsmittel sind CO₂-Rechner, mit denen sich der direkte oder indirekte CO₂-Ausstoss eines Kulturprojekts ermitteln lässt. Ab Anfang Oktober nun soll via sustainablearts.ch ein eigens für die Schweiz entwickelter Rechner für die Film- und Medienbranche zur Verfügung stehen, um den wohl bald keine Schweizer Filmproduktion mehr herumkommen wird. Dabei handelt es sich um den «Greenshooting CO₂-Rechner» von KlimAktiv, der ursprünglich für MFG (Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg) entwickelt und nun an Schweizer Gegebenheiten (wie die Zusammensetzung und die Herkunft des Stroms) angepasst wurde. Nebst der Zürcher Filmstiftung und dem Cinéforom beteiligt sich auch die SRG, die bereits 2019 in einem Pilotprojekt mithilfe eines anderen Rechners die CO₂-Emmissionen eines Tatorts und weiterer Produktionen ermittelt hat, an der Entwicklung. 

Bei der Förderung von Filmprojekten werde wohl bald Rechenschaft über ökologische Massnahmen verlangt, so Julia Krättli, Leiterin der Zürcher Filmstiftung. Nach welchen Kriterien dies geschehen wird, ist noch nicht ganz klar. 

Vorarbeit leistet zum Beispiel Deutschland, wo ab Januar 2023 landesweit ökologische Mindeststandards eingeführt werden, ohne die es keine Fördergelder mehr geben wird. Das werde wahrscheinlich mittelfristig auch für die Schweiz gelten, so Julia Krättli. Allerdings braucht es dazu erst verlässliche Daten – wozu besagter CO₂-Rechner dienen wird. Erst grosse Datenmengen erlauben Schlussfolgerungen zu Einsparpotenzialen und die Vergleichbarkeit zwischen Schweizer Produktionen. Allerdings gibt es noch ein Hindernis: Um den Rechner richtig nutzen können, bedarf es ausgebildeter Fachleute; bei der CAS-Weiterbildung zu «Green Consultant» an der HSLU haben sich für die erste Durchführung ab September 2022 bisher noch zu wenig Leute angemeldet. Aber wird deren Beiziehung die Kosten der Projekte nicht weiter verteuern? Höchstens kurzfristig, erläutert die Zürcher Filmstiftung. Untersuchungen im Ausland haben gezeigt, dass sich die anrechenbaren Aufwendungen mittelfristig lohnen, da diese durch spätere Einsparungen wieder wettgemacht werden, ganz abgesehen von dem Nutzen für die Umwelt.

 

Vorgaben vs. Kunstfreiheit

Und wie steht es um die Freiheit der Kunst? Greifen Vorgaben wie «Green Storytelling» da nicht zu weit ein? Natürlich dürfe weiterhin auf anderen Kontinenten gedreht werden, wenn ein Projekt es erfordert, so Julia Krättli. Und es ist auch nicht so, dass ausländische Schauspiel-Talente dereinst für Dreharbeiten nicht mehr in die Schweiz anreisen dürfen. Allerdings stellt sich schon jetzt die Frage, ob es dazu zwingend einen Flug braucht, ob eine aufwändige Kamera-Ausrüstung nicht verschlankt werden kann oder einzelne Kulissen wirklich gebaut und nicht gemietet werden können. Kurz: ob auch Ressourcen-schonende Alternativen möglich wären, um ein Projekt ohne künstlerischen Verlust zu realisieren. Genau dazu soll die Website Ideen liefern. Schub wird das Anliegen durch die gegenwärtige Energiekrise erhalten – und durch viele junge Filmschaffende. Diese vermerken in ihren Dossiers bereits von sich aus, wie sie sich in ökologischer Hinsicht bei der Umsetzung ihrer Filme verhalten möchten. 

 

www.sustainablearts.ch

 

Ökologische Mindeststandards

Die Mindeststandards gelten ab Januar 2023 in Deutschland und umfassen folgende Punkte:

 

> Das Engagement von externen Green Consultants werden zur Pflicht.

> Bilanzierung: Mit Hilfe des CO₂-Rechners der MFG müssen CO₂-Emissionen erfasst werden.

> Produktionsfirmen müssen einen Abschlussbericht erstellen, in dem über die Erfüllung der Vorgaben Rechenschaft abgelegt wird.

> Wechsel zu zertifiziertem Öko-Strom.

> Wann immer möglich soll der Strom über einen Netzanschluss und nicht über Diesel-Generatoren bezogen werden.

> Wiederaufladbare Akkus statt Einwegbatterien

> Energiesparende Beleuchtung

> Reisen und Transportmittel: Inland- und Auslandflüge sind nicht gestattet, wenn die Bahnfahrt weniger als fünf Stunden dauern würde.

> Weitere Minimalstandards gelten für die Bereiche Unterbringung, Verpflegung, Papier, Materialien, Kostüme, Plastik und Mülltrennung. Überall gelten Soll- und Muss-Vorgaben. 

 

Mehr Informationen unter: 

www.green-motion.org

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